Das Tauziehen ist beendet – zumindest vorläufig: An diesem Mittwoch hat das Bundeskabinett die geplante Grundrente auf den Weg gebracht und den entsprechenden Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht. Ab dem kommenden Jahr sollen rund 1,3 Millionen Menschen mit kleinen Renten Aufschläge erhalten.
Begleitet wurde die Kabinettsentscheidung von Lob und Kritik. Mittelstandspräsident Mario Ohoven bezeichnete die Grundrente als „Sargnagel der gesetzlichen Rentenversicherung“ sowie als Verfassungsverstoß. „Bislang galt bei der Rente das Äquivalenzprinzip: Wer während des Berufslebens mehr einzahlt, erhält im Alter eine höhere Leistung. Mit diesem im Grundgesetz verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz bricht die Grundrente.“
Hart ins Gericht mit dem Regierungsvorhaben ging auch Franz Ruhland, langjähriger Geschäftsführer beim Verband Deutscher Rentenversicherungsträger VDR. Im Berliner „Tagesspiegel“ nannte Ruhland die Grundrente ungeeignet, die Altersarmut zu bekämpfen sowie als kontraproduktiv für die Akzeptanz der Rentenversicherung.
Doch was bedeutet die Grundrente konkret für den Arbeitnehmer? Wer bekommt sie und wie wird sie finanziert? Und welche Auswirkungen hat sie auf den Berateralltag? Ein Überblick.
Gibt es eine Bedürftigkeitsprüfung?
Den vollen Aufschlag soll es nur für Rentner mit einem Monatseinkommen von maximal 1.250 Euro geben. Für Ehepaare bzw. Lebenspartnern liegt diese Grenze bei 1.950 Euro. Übersteigt das Einkommen den Freibetrag, wird die Grundrente um 60 Prozent des den Freibetrag übersteigenden Einkommens gemindert. Einkommen über 1.600 Euro im Monat (bei Ehepaaren 2.300 Euro) wird zu 100 Prozent auf die Grundrenten angerechnet. Zu den Einkünften zählen unter anderem Mieteinkünfte, Pensionen sowie Zahlungen aus einer betrieblichen oder privaten Altersvorsorge. Aufwendungen für Kranken- und Pflegeversicherung werden abgezogen.
Nicht berücksichtigt wird hingegen das Vermögen der Leistungsbezieher. Ob dieser über ein ansehnliches Sparguthaben oder selbstgenutztes Wohneigentum verfügt, ist für die Gewährung der Grundrente unerheblich.
Wie werden die Beiträge berechnet?
Hier wird es kompliziert: Berücksichtigt werden nur Zeiten mit Beiträgen, die zwischen 30 bis 80 Prozent des jährlichen Bruttoeinkommens liegen. Das waren 2019 Beiträge zwischen 972 und 2.593 Euro. Nun werden für die Jahre mit den geringen Rentenanwartschaften die Entgeltpunkte erhöht: Für 35 Jahre auf das Doppelte des Durchschnittswerts der erworbenen Punkte – bei 0,8 Punkte ist jedoch das Maximum erreicht. Von diesem erzielten Wert werden nun noch einmal 12,5 Prozent abgezogen.
Wer bekommt sie?
Bei der Grundrente handelt es sich um einen Zuschlag zur gesetzlichen Rente. Ansprüche auf den Grundrentenzuschlag soll es ab 33 Beitragsjahren in der gesetzlichen Rentenversicherung geben. Der volle Zuschlag wird ab 35 Beitragsjahren gewährt.
Wer weniger als die 33 Beitragsjahre erreicht hat, wird also gar keine Grundrenten-Zuschläge erhalten.
Die Zuschläge müssten auch an anteilig an EU-Ausländer gezahlt werden, die einen Teil ihrer Beitragszeit in Deutschland erbracht und die restlichen Versicherungsjahre in einem anderen EU-Land zurückgelegt haben. Wie in solchen Fällen die Anspruchsprüfung ausgestaltet werden soll, ist ebenso offen wie die damit verbundenen Kosten.
Bei der Einkommensprüfung ist zudem ein automatisierter Datenabgleich zwischen Finanzämtern und Rentenversicherung vorgesehen. „Außer dem Hinweis, die Absprachen mit den Finanzbehörden würden laufen, gibt es keine Informationen dazu, wie das umgesetzt werden soll“, wundert sich die Präsidentin des Bundesverbandes der Rentenberater e.V., Anke Voss. „Einen solchen automatischen Abgleich hat es bisher noch nie gegeben und wir haben den Eindruck, da soll etwas durchgepeitscht werden, was technisch noch gar nicht gelöst ist.“
Wie wird sie finanziert?
Der Gesetzgeber rechnet zur geplanten Einführung der Grundrente in 2021 mit Kosten in Höhe von 1,3 Milliarden Euro. Um diesen Kostenpunkt zu stemmen, sollte ursprünglich eine Finanztransaktionssteuer in weiten Teilen Europas eingeführt werden. Diese Pläne drohen allerdings am Widerstand der europäischen Nachbarn zu scheitern. In Sachen Finanzierung der Grundrente steht bisher nur fest, dass Steuermittel dafür aufgewendet werden sollen.
Was bedeutet das für den Vermittler-Alltag?
Wichtig ist, dass mit dem Kabinettsbeschluss nun der Gesetzgebungsprozess begonnen hat. Wie die Vergangenheit zeigt, kommt kaum ein Gesetz so aus den Parlamenten, wie es hineingekommen ist. Es heißt also erstmal abwarten.
Nichtsdestotrotz erfährt das Thema Altersvorsorge durch die Grundrente erhöhte Aufmerksamkeit: Das ist natürlich erfreulich, da hier offenbar weiterhin großer Nachholbedarf besteht. Einer Umfrage des Bundesverbands deutscher Banken aus dem vergangenen Jahr zufolge, hat sich knapp jeder vierte Versicherte in Deutschland noch keinerlei ernsthaften Gedanken über seine Altersvorsorge gemacht. Sollte die Grundrente hier aktivierend wirken, wäre das sicherlich ein positiver Nebeneffekt.
Auf der anderen Seite birgt die Grundrente die Gefahr, als falsches Ruhekissen verstanden zu werden. Sollte der Gedanke aufkommen, dass die Rentenaufstockung eine private Altersvorsorge erübrigt, dürfte dies den Arbeitsalltag der Vermittler nicht unbedingt leichter machen.
Hier gilt es aufzuzeigen, dass die Grundrente nur dazu intendiert ist, einem Teil der Menschen - sofern sie bestimmte Bedingungen erfüllen - aus der Altersarmut zu helfen. Einen Lebensstandard garantiert sie nicht.