GKV: Es droht ein Beitragsplus von bis zu 40 Prozent
Die finanzielle Situation der Krankenkassen bietet Anlass zur Sorge: Das vergangene Jahr schlossen die Kassen mit einem Minus von gut 6,2 Milliarden Euro ab. „Das ist ein Alarmsignal“ mahnte Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands. Zumal die Zukunftsaussichten wenig Grund zum Optimismus bieten.
Da die finanziellen Rücklagen sowohl der Krankenkassen als auch des Gesundheitsfonds zu einem großen Teil in diesem Jahr aufgebraucht würden, drohten für das kommende Jahr „große finanzielle Herausforderungen“, mahnte Pfeiffer, es drohe eine Finanzierungslücke im zweistelligen Milliardenbereich. „Wer im nächsten Jahr stabile GKV-Finanzen haben möchte, muss jetzt die Weichen für eine adäquate Finanzierung stellen.“
Finanzielle Mittel nötig
Kurzum: Die Krankenkassen brauchen dringend weitere finanzielle Mittel. Die Frage, die sich nun stellt, lautet: Woher sollen diese kommen? In einer aktuellen Untersuchung warnt das Wissenschaftliche Institut der Privaten Krankenversicherung (WIP) nun davor, auf Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt zu setzen. Allein aufgrund der Alterung der Bevölkerung werde im Jahr 2030 ein Zuschuss in Höhe von 30 Milliarden Euro fällig, rechnet das WIP vor. Insgesamt müsse der Steuerzuschuss bis 2030 gar auf 83 Milliarden Euro pro Jahr steigen, wenn die Ausgaben und Einnahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung im gleichen Maße zunehmen wie in den vergangenen 20 Jahren.
Diese Rechnung fällt nach Ansicht des WIP zudem noch sehr konservativ aus – schließlich seien die Ausgaben der GKV in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Stiegen die Ausgaben über die vergangenen 20 Jahre betrachtet durchschnittlich um 3,2 Prozent im Jahr, waren es zwischen 2013 und 2019 bereits 3,7 Prozent, im Jahr 2019 gar 5 Prozent.
Bei den Einnahmen verbuchte die GKV hingegen nur ein Plus von 1,8 Prozent im Jahr, zwischen den Jahren 2013 und 2019 stieg dieses auf 2,7 Prozent. Der anstehende Renteneintritt der sogenannten Babyboomer-Generation dürfte zudem zu einem deutlichen Rückgang auf der Einnahmenseite führen.
Grund für das hohe Ausgabenplus ist dabei längst nicht nur die Corona-Krise. Neben der demografischen Entwicklung und dem medizinischen Fortschritt seien es vor allem die leistungsausweitenden Reformen unter den Gesundheitsministern Hermann Gröhe und Jens Spahn, die zu einem deutlichen Ausgaben-Plus geführt haben. Zu nennen sei hier vor allem das Krankenhausstrukturgesetz, das laut WIP von 2016 bis 2020 über fünf Milliarden Euro Mehrausgaben verursacht habe, das Terminservice- und Versorgungsgesetz sowie das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz.
Beitragsplus von bis zu 40 Prozent möglich
Das Defizit der Kassen ist somit strukturell bedingt und würde durch steigende Bundeszuschüsse aus Sicht des Wissenschaftlichen Instituts auch nur übertüncht, nicht aber gelöst werden.
Hielte man den Steuerzuschuss allerdings konstant bei 14,5 Milliarden Euro, könnten alternativ die Beitragssätze deutlich ansteigen. Hier hat das WIP unterschiedliche Szenarien durchgerechnet. Legt man das optimistische, aus Sicht des WIP aber wenig realistische Szenario mit sich im Gleichschritt entwickelnden Einnahmen und Ausgaben zugrunde, seien Beitragssätze von 15,5 Prozent (2030) bzw. 16,7 Prozent (2040) erwartbar.
Unterstellt man hingegen das Einnahmen- und Ausgabenwachstum der vergangenen zwei Jahrzehnte auch für die weitere Zukunft, könnten die Beitragssätze auf 18,6 (2030) bzw. 23,3 Prozent (2040) steigen, rechnet das WIP vor. Noch pessimistischere Szenarien lassen sogar Beitragssätze bis zu 28 Prozent im Jahr 2040 möglich werden – das wäre ein Plus von 40 Prozent.