Das Thema Demenz ist bei vielen Menschen bereits im Alltag angekommen: Allein in Deutschland sind rund 1,8 Millionen Menschen von einer Demenz betroffen und der Trend zeigt aufwärts. Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird die Zahl der Demenzkranken bis 2030 weltweit um 40 Prozent steigen.
Die schleichende Erkrankung verändert den Alltag der Betroffenen massiv und führt zusehends zum Verlust der kognitiven Fähigkeiten und Selbstständigkeit. Daraus ergeben sich neue, herausfordernde Situationen und Risiken, die enorme Konsequenzen haben können. Zu den Klassikern zählen die auf dem Herd vergessene Pfanne, in der sich Öl entzündet, eine überfließende Badewanne sowie Fehleinschätzungen im Straßenverkehr. Alle Situationen können hohe finanziellen Schäden verursachen – den Versicherer trotz vorhandener Policen aber womöglich zu Recht nicht bezahlen, denn Demenz kann den Versicherungsschutz aushebeln. Das Schlüsselwort, von dem dieser abhängt, lautet „Deliktunfähigkeit". Wurde diese Diagnose beim Schadenverursacher gestellt, ist der Fall juristisch klar: „Ist man schuldunfähig, ist der Versicherer nicht zur Zahlung verpflichtet“, weiß Norbert Roemers, behördlich zugelassener Versicherungsberater und Jurist mit eigener Kanzlei. Allerdings ist das bei einer Demenz nicht automatisch der Fall, da die Erkrankung sehr facettenreich ist und viele unterschiedliche Arten und Schweregrade umfasst.
Auch wenn Kunden das Thema Demenz im Beratungsgespräch nicht gezielt ansprechen, kann es sich für Makler lohnen, hier unaufdringlich Eigeninitiative zu zeigen. Selbst wenn das Thema aktuell noch keine Rolle spielt, kommt der Kunde womöglich in Zukunft darauf zurück, weil sich die Lebensumstände verändern. Oder der Makler trifft direkt ins Schwarze und kann den Kunden auf wichtige Punkte – Stichwort: Haftungsfrage – und mögliche Deckungslücken beim Versicherungsschutz hinweisen. In beiden Fällen winkt potenzielles Neugeschäft. Zudem können Makler ihr gewonnenes Wissen als Mehrwert ausbauen, der in Zukunft – angesichts der steigenden Zahl demenziell veränderter Menschen – eine immer größere Rolle spielen dürfte.
Demenzklausel und grobe Fahrlässigkeit
Mit Blick auf den Versicherungsschutz gibt es einiges zu beachten, wenn eine Demenz ins Spiel kommt. So sollte eine Haftpflichtversicherung eine so genannte Deliktunfähigkeits-Klausel enthalten – die auch als Demenzklausel bezeichnet wird – laut der Schäden durch deliktunfähige Erwachsene mitversichert sind. Ist diese vereinbart, wird im Schadensfall gezahlt. Ansonsten kann die Versicherung die Schadensregulierung ablehnen. Die gute Nachricht: Mittlerweile nehmen immer mehr Versicherer spezielle Demenzklauseln in ihre Policen auf. Vorsicht ist allerdings bei Altverträgen geboten, da das Thema hier oft noch keine große Rolle spielte. Hier kommt es darauf an, dass erforderliche Einschlüsse oder spezielle Paragrafen des Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) vorliegen, damit der Versicherungsschutz auch tatsächlich greift.
Ein zweiter wichtiger Punkt, auf den Makler ihre Kunden hinweisen sollten, ist die zu vereinbarende Schadenshöhe. Angesichts von möglichen Schäden in Millionenhöhe, die durch verunfallte Personen oder andere Unfälle auflaufen können, sind Beträge von 5000 Euro nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. „Als Minimum sollte man hier fünf Millionen Euro vereinbaren“, rät Roemers. Wichtig zu wissen: Ein Schadensanspruch, der durch eine demenziell erkrankte Person entstanden ist, kann auf Angehörige und betreuende Personen übergehen, wenn diesen eine Verletzung der Aufsichtspflicht nachgewiesen werden kann. Um hier vorzubeugen, sollte man auch in eigener Sache auf eine gute Haftpflicht achten und den Demenzerkrankten unter Umständen – sofern möglich – auch im Rahmen einer Familienhaftpflicht-Police mitversichern.
Auch bei der Hausrat- und Wohngebäudeversicherung muss eventuell nachjustiert werden, um einen optimalen Versicherungsschutz zu erhalten, der auch bei Demenz gilt. „Hier sollte man einen Tarif wählen, bei dem der Versicherer auf sein Leistungskürzungsrecht bei grob fahrlässig herbeigeführten Versicherungsfällen verzichtet“, rät Roemers.
Vorsorgen und Kleingedrucktes beachten
Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Pflegebedürftigkeit des Demenzkranken kann der Abschluss einer privaten Pflegezusatzversicherung sinnvoll sein, um die steigenden Kosten abzufedern. Mit ihr lassen sich auch Pflegegeldtarife in Altverträgen ergänzen und aufstocken. Verzichten kann man indes auf eine Unfallversicherung, da bei vielen Anbietern die Versicherungsfähigkeit bei einer entsprechenden Diagnose erlischt.
Klar ist: Der Versicherungsschutz kann vor allem durch fehlende Klauseln und zu niedrige Schadensummen massiv ausgehebelt werden. Um hier keine böse Überraschung zu erleben, ist der Blick auf das Kleingedruckte essenziell: „Es ist sehr wichtig, die vereinbarten Bedingungen genau zu lesen und sich zeigen zu lassen, wo etwas im Vertrag steht und sich dies gegebenenfalls auch schriftlich geben zu lassen“, mahnt Roemers an. Das senkt das Risiko von Fehlannahmen. So klingen die 600 Euro im Monat gut, die der Münchener Verein in seiner DemenzVersicherung im Tarif 424 in Aussicht stellt. Dafür beträgt die Wartezeit aber drei Jahre.