„Das Langlebigkeitsrisiko ist eines der am meisten unterschätzten finanziellen Risiken“

Garantien in der Altersvorsorge kommen Anleger im Niedrigzinsumfeld unter Umständen teuer zu stehen. Gerade sicherheitsorientierte Kunden sollten dennoch nicht komplett darauf verzichten. Worauf es bei der Beratung ankommt, erklärt Prof. Dr. Jochen Ruß vom ifa Ulm.

06:05 Uhr | 10. Mai | 2021
Prof. Dr. Jochen Ruß, Geschäftsführer des Instituts für Finanz- und Aktuarwissenschaften. Bild: IFA

Prof. Dr. Jochen Ruß, Geschäftsführer des Instituts für Finanz- und Aktuarwissenschaften. Bild: IFA

procontra: Herr Prof. Dr. Ruß, Anlegern wird immer wieder gepredigt, sie müssten stärker ins Risiko, um im aktuellen Umfeld überhaupt Rendite zu erwirtschaften. Wie passen Garantien in dieses Bild?

Prof. Dr. Jochen Ruß: Garantien kosten Geld – generauer gesagt reduzieren sie das Renditepotenzial. Bei niedrigen Zinsen sogar besonders stark. Hohe Garantien sind aktuell also eine deutlich stärkere Renditebremse als jemals zuvor. Da jede unnötige Garantie auch eine unnötige Renditebremse ist, war es somit auch noch nie so wichtig wie heute, sich zu fragen, welche Garantie für welchen Kunden bedarfsgerecht ist. Daher gilt: „Garantien: Ja, aber die Richtigen!“

procontra: Also müssen sich die Deutschen langfristig nicht zwangsläufig von ihren allseits beliebten Garantien in der Altersvorsorge verabschieden?

Ruß: Ich glaube nicht, dass man sich von Garantien komplett verabschieden sollte. Die Garantie eines lebenslangen Einkommens ab Rentenbeginn ist sicher für nahezu alle Menschen bedarfsgerecht. Bei Garantien in der Ansparphase sollte man aber darauf achten, dass Art und Höhe der Garantie zum jeweiligen Kunden passen. Chancenorientierte Verbraucher können hier vielleicht ganz auf Garantien verzichten. Aber auch sicherheitsorientierte Verbraucher sollten sich in Bezug auf die Art der Garantie auf eine endfällige Garantie beschränken. Denn ein langfristiger Sparprozess wie bei der Altersvorsorge kann zwischenzeitliche Schwankungen verkraften. Und bei der Höhe der Garantie gilt: zu viel ist schädlich.

procontra: Am Ende des Tages müssen Versicherer die Garantien am Kapitalmarkt erwirtschaften. Wie kann das im Niedrigzinsumfeld überhaupt gelingen?

Ruß: Je näher die Garantie an der maximal möglichen Garantie liegt, desto sicherer muss die Kapitalanlage ausgestaltet sein, um die Garantien erwirtschaften zu können. Eine Garantie von 100 Prozent der eingezahlten Beiträge ist im aktuellen Zinsumfeld extrem hoch – und spätestens nach der angekündigten Senkung des Rechnungszinses nahezu unmöglich –, sodass hier kaum Spielraum für chancenreiche Kapitalanlage besteht. Das resultierende Renditepotenzial ist für einen langfristigen Sparprozess unangemessen niedrig.procontra: Welche Argumente gibt es für Altersvorsorgeprodukte ohne Garantien?

Ruß: Wie bereits gesagt: Chancenorientierte Verbraucher können in vielen Fällen auf Garantien in der Ansparphase verzichten. Sicherheitsorientierte Verbraucher sollten nicht komplett auf Garantien verzichten. Aber auch für sie sind im aktuellen Zinsumfeld Garantien signifikant unter 100 Prozent bedarfsgerecht!

Das haben wir in einer