Angesichts des nahenden Bundestagswahlkampfs bringen sich derzeit nicht nur die politischen Parteien in Stellung, auch die Interessenverbände kämpfen darum, mit ihren Forderungen, Ideen und Konzepten gehört zu werden.
Michael Heinz, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute, fand auf der diesjährigen Jahreshauptversammlung die deutlichsten Worte aber nicht gegenüber der Politik, sondern in erster Linie gegenüber dem Versicherer-Verband GDV. Anlass hierfür war ein Statement des GDV-Hauptgeschäftsführers Jörg Asmussen zum 20. Geburtstag der Riester-Rente, in dem dieser sich für ein „einfaches, digital vertriebenes und kostengünstiges Standardprodukt aussprach“.
Rudern nicht mehr in dieselbe Richtung
Eine Aussage, die BVK-Chef Heinz zwar nicht als Kriegserklärung, wohl aber als Kampfansage wertet – stellt sie doch seiner Meinung die Beratungsleistungen der gut 200.000 Versicherungsvermittler infrage. „Ohne Beratung keine Vermittlung“ hält der BVK dagegen und warnt vor einem Bruch zwischen Versicherern und dem Vermittlervertrieb. „Es wird für uns immer schwieriger, in dieselbe Richtung zu rudern“, merkte Heinz an und unterstrich den hohen Beratungsaufwand bei Riester-Produkten. „Riester heißt nicht nur abschließen, sondern begleiten“, erklärte Heinz.
Wer den Abschluss einer Riester-Rente jedoch mit dem Gang zum Kaugummi-Automaten gleichsetze, müsse hingegen mit dem „erbitterten Widerstand“ des Verbands rechnen. „Wenn sie den Kampf haben, dann kriegen sie ihn“, formulierte Heinz es angriffslustig. Relativierungsversuche von Oliver Brüß, Vertriebsvorstand der Gothaer und somit in der stattfindenden Diskussionsrunde der Repräsentant der Versicherer, wollte Heinz nicht gelten lassen. „Wenn jemand wie Asmussen eine solche Aussage tätigt, ist davon auszugehen, dass diese mit dem GDV-Präsidium abgestimmt ist.“ Dennoch streckte Heinz zugleich die Hand zum Dialog aus: „Steigen Sie in unser Boot ein, auch im Sinne der Verbraucher.“
Welche Zukunft die Riester-Rente hat, bleibt abzuwarten. Dass das bestehende System dringend reformiert werden muss, unterstrichen jedoch die anwesenden Politiker von CDU und Bündnis 90/Die Grünen einstimmig, wenn auch die Ausgangslage grundverschieden ist.
Während Stefan Schmidt, Bundestagsabgeordneter der Grünen und Mitglied des Finanzausschusses, das bestehende System als „nicht lebensfähig“ charakterisierte, stellt es für Carsten Brodesser, finanzpolitischer Sprecher der Union, angesichts von über 16 Millionen abgeschlossenen Verträgen ein Erfolgsmodell dar, das entsprechend weiterentwickelt werden soll. „Zutiefst enttäuscht“ sei er, so Brodesser, dass diese Fortentwicklung nicht bereits in der bestehenden Legislaturperiode erfolgt sei.
Der schwarze Peter liege hier aber eindeutig bei der SPD, die angesetzten Gespräche mit Verweis auf die Corona-Pandemie verschoben und dann nicht wieder aufgegriffen hätte. Brodesser äußerte die Vermutung, dass das Thema bewusst von Finanzminister Olaf Scholz ausgesessen worden sei. „Damit wird das sozialpolitische Ziel, eine sichere Altersvorsorge zu ermöglichen, untergraben“, befand der CDU-Politiker.
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Während zur Zukunft der staatlich geförderten Altersvorsorge die Positionen wohlbekannt waren, überraschte Grünen-Mann Schmidt bei der Diskussion zum Dauerthema Vergütung. Zur Erinnerung: Die Grünen haben ihrem Programmentwurf zur Bundestagswahl das Ziel formuliert, die Finanzberatung „vom Kopf auf die Füße zu stellen“ – sprich die provisionsbasierte Vergütung durch ein Honorarmodell abzulösen. Wesentlich konzilianter klang das, was Schmidt an diesem Freitag sagte. Von einer Ablösung des Provisionsmodells war während der Diskussionsrunde keine Rede mehr, stattdessen sprach sich Schmidt für einen stärkeren Wettbewerb zwischen Honorar- und Provisionsvergütung aus.
Schmidt gestand ein, dass das bestehende Konzept noch nicht zu Ende gedacht sei – beim Wahlprogramm mit der strittigen Kopf-zu-Fuß-Passage handele es sich ja auch lediglich um einen Entwurf, nicht um das endgültige Programm.
Verbrauchern die Wahl lassen
Dennoch sprach sich Schmidt dafür aus, dem Verbraucher stärker die Wahl zu lassen. Derzeit werde die Honorarberatung von diesem schlicht nicht wahrgenommen, das müsse sich ändern. Zwar zeigte sich Schmidt überzeugt, dass das Honorarmodell von einem Großteil der Verbraucher angenommen werden würde, gestand aber zu, dass es durchaus Teile innerhalb der Gesellschaft geben würde, die man mit diesem Modell nicht erreichen würde. Zu dieser Gruppe gehörten laut Brodesser vor allem diejenigen Menschen, die Hilfe bei der Altersvorsorge besonders nötig hätten. „Diese werden von der Honorarberatung nicht abgeholt“, so Brodesser, der nachlegte: „Die Provisionsberatung liefert die besten Ergebnisse für die Zukunft.“
Aussagen, die für den Großteil der weiteren Gesprächsteilnehmer Wasser auf die Mühlen waren. Heinz wies darauf hin, dass der Verbraucher besagte Wahl doch schon längst hätte – das die Wahl dabei überwiegend auf die Provisionsvermittlung falle zeigte das deutliche Missverhältnis zwischen Provisionsvermittlern (200.000) und Honorarberatern (knapp 320). Die Politik solle folglich von einer „Zwangsbeglückung der Bevölkerung“ absehen.
An eine Zwangsbeglückung glaubt auch Wirtschaftsjournalist und Fachbuchautor Thomas Ramge nicht – die Frage müsse stattdessen marktwirtschaftlich gelöst werden. Ganz vom Tisch wischen dürfe man die Problematik allerdings nicht – so habe er selbst drei Fälle erlebt, in denen der Vermittler nicht im besten Interesse für ihn, den Kunden, sondern aus Eigeninteressen heraus handelte und ihm unter anderem bei der Wahl der Krankenversicherung falsch beraten habe.
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