BU-Analyse: Bei diesen Krankheiten ist die Anerkennungsquote am höchsten
Auch wenn Verbraucherschützer und Versicherungsvermittler im Gleichklang Verbrauchern dazu raten, ihre Arbeitskraft abzusichern, besitzt laut Statistischem Bundesamt nur jeder dritte Haushalt in Deutschland eine BU-Versicherung.
Die Gründe hierfür sind vielfältig: Für viele Berufsgruppen ist eine entsprechende Absicherung kaum erschwinglich, oftmals ist aber auch die Skepsis bei den Versicherungsnehmern groß, dass die Versicherung im Leistungsfall auch zahlt. Filme wie der ARD-Streifen „Verunsichert“ zeichnen ein wenig vorteilhaftes Bild der Branche, die sich um Zahlungen mit allen Tricks und Mitteln windet, und verstärken auf diese Weise bestehende Vorurteile.
Sieben Versicherer stellen sich Untersuchung
Ob diese Vorurteile eine gewisse Substanz haben, hat nun erneut das Hannoveraner Analsyehaus Franke & Bornberg im Rahmen seiner sechsten BU-Leistungspraxisstudie untersucht und dabei insgesamt sieben Versicherer – einen mehr als im Vorjahr – mit einem Gesamtbestand von 7,1 Millionen BU-Versicherten unter die Lupe genommen.
Die Studie kommt dabei zum Ergebnis, dass die Versicherer mitnichten einen Großteil der Leistungsanträge ablehnen. Im Gegenteil: Insgesamt kamen die Versicherer auf eine Anerkennungsquote von über 80 Prozent. Kommt es doch zur Ablehnung, war in knapp 60 Prozent der laut AVB notwendige BU-Grad von 50 Prozent nicht erreicht – bei psychischen Erkrankungen war der zu geringe BU-Grad gar für 68 Prozent der Ablehnungen verantwortlich.
Anfechtungen und Rücktritte – auf die in den Medien besonders gerne verwiesen wird – waren hingegen rückläufig. Statt für 25 Prozent wie im vergangenen Jahr waren sie in diesem Jahr nur noch für 20 Prozent der Ablehnungen maßgeblich – häufig, weil die Versicherungsnehmer ihre vorvertraglichen Anzeigepflichten verletzt hatten. Überproportional hoch ist hier die Quote bei den jungen Erwachsenen (bis 35 Jahre): Fast die Hälfte aller Ablehnungen wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflichten entfiel auf diese Altersgruppe.
Maßgeblich für die Ablehnungsquote ist auch die für die Berufsunfähigkeit ursächliche Krankheit. Wenn die Versicherungsnehmer an Krebs erkrankt sind, zahlt die Versicherung in der Regel fast immer: 93,67 Prozent der Anträge wurden hier bewilligt. Wesentlich schwieriger scheint die Situation bei psychischen Krankheiten und Verhaltensstörungen zu sein: „Lediglich“ 71,17 Prozent der Leistungsanträge wurden hier von den Versicherern positiv entschieden. Hauptablehnungsgrund war hierbei, dass der notwendige BU-Grad nicht erreicht worden ist.
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Psychische Erkrankungen und Verhaltensstörungen sind jedoch auch der häufigste BU-Grund. Laut Untersuchung von 22.000 Leistungsanträgen war die Psyche in 27,86 Prozent der Fälle Ursache dafür, dass der Versicherte seinen Beruf nicht mehr ausüben konnte – Tendenz steigend. Zum Vergleich: In der gesetzlichen Rentenversicherung waren psychische Erkrankungen bereits für knapp 43 Prozent aller Erwerbsminderungsrenten im Rentenzugang 2019 verantwortlich. „Diese Entwicklung birgt für BU-Versicherer einigen Sprengstoff“, mahnte Franke & Bornberg-Geschäftsführer Michael Franke.
Weitere BU-Ursachen waren Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems (23,17 Prozent), Krebserkrankungen (18,06), Krankheiten des Kreislaufsystems (7,16), Krankheiten des Nervensystems, wie Alzheimer, Parkinson oder Multiple Sklerose (5,17) sowie Unfälle (4,85). Auf sonstige Ursachen entfielen zudem 13,72 Prozent der anerkannten Anträge.
Warnung vor Alarmismus
Der Faktor Corona schlug sich auf die Untersuchung noch nicht nieder, da für die Auswertung Leistungsanträge aus dem Jahr 2019 berücksichtigt wurden. Kritisch beäugte Franke allerdings Aussagen, die Versicherer würden sich um Corona-Folgeschäden drücken. Eine Studie von Premium Circle hatte zu diesem Thema in den vergangenen Wochen bereits deutlichen Widerspruch erfahren.
„Wenn vermeintliche Fachleute auf der Corona-Welle reiten, fehlt mir dafür jedes Verständnis. Entweder setzen sie gezielt auf Alarmismus, was Verbraucher:innen vom Abschluss des wichtigen BU-Schutzes abhalten könnte. Oder sie haben das Leistungsbild der BU-Versicherung schlicht nicht verstanden“, monierte Franke.
Bleibt die Frage nach dem Aussagegehalt der Studie: Zwar decken die sieben untersuchten Versicherer – Allianz, Ergo, Generali, HDI, Nürnberger, Zurich und erstmals auch die Gothaer – einen Marktanteil von über 50 Prozent ab. Repräsentativ ist die Studie allerdings nicht, die Teilnahme ist für die Versicherer freiwillig. „Es spricht viel dafür, dass vor allem besonders leistungsfähige und selbstkritische Versicherer bei unserer BU-Leistungspraxisstudie mitmachen. Sie sehen ihre Teilnahme als Chance, interne Prozesse nach objektiven Kriterien analysieren zu lassen und sich mit anderen Marktteilnehmern zu messen. Unternehmen mit schlechteren Kennzahlen stellen sich einer solchen Untersuchung eher nicht“, erklärte Franke. Dennoch: Die Aussage, Versicherer würden Leistungen pauschal unterbinden, lässt sich durch diese Studie nicht untermauern.
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