Betriebsschließungsversicherung: Vorwürfe gegen Allianz-Vertreter

Die BSV-Bedingungen der Allianz seien so intransparent, dass selbst die Vertreter nicht um deren Auslegung im Pandemiefall gewusst hätten, kritisieren Anwälte. Entsprechend lax sei die Beratung gewesen. Gegenüber procontra nahm der Versicherer dazu Stellung.

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11:06 Uhr | 30. Juni | 2020
Allianz will künftig Bankprodukte von UniCredit verkaufen Bild: Allianz

Das italienische Bankunternehmen UniCredit und der deutsche Versicherer Allianz bauen ihre Kooperation in Zukunft noch weiter aus. Bild: Allianz

Zahlreiche Versicherungsunternehmen müssen seit Wochen viel öffentliche Kritik für ihr ablehnendes Regulierungsverhalten bei Corona-bedingten Schäden in der Betriebsschließungsversicherung (BSV) einstecken. Zuletzt hatte die Kanzlei Michaelis der Continentale Sachversicherung sogar die Erpressung ihrer Kunden vorgeworfen.

Eine andere Kanzlei zieht nun offensiv gegen die Allianz Versicherungs-AG ins Feld. Die Anwälte der Düsseldorfer Kanzlei Wilhelm werfen den Münchnern vor, ihre BSV-Bedingungen seien nicht transparent genug formuliert. Die Allianz gehört zu den Versicherern, die aktuell vor allem von Kunden aus dem Hotel- und Gastronomiebereich keine Corona-bedingten Schäden übernehmen (Erläuterungen dazu siehe Seite 2 dieses Artikels).

Ausdrückliche Hinweise würden fehlen

Dabei hätten sie das Risiko einer Pandemie einfach explizit ausschließen können, meinen die Düsseldorfer Juristen. Dies sei schließlich auch in anderen Sparten üblich. Da dies nicht erfolgte, wäre hingegen ein ausdrücklicher Hinweis in den Bedingungen erforderlich gewesen, dass generalpräventive Schließungen ohne Krankheitsfall im Betrieb den Versicherungsfall nicht auslösen.

Die Allianz würde Corona-Schäden zudem generell ablehnen, da sich Covid-19/Sars-CoV-2 nicht als versicherter Erreger in den BSV-Bedingungen finden würde. Dem würde, laut der Kanzlei Wilhelm, entgegenstehen, dass an mehreren Stellen Bezug auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) genommen wird. „Wir vertreten die Ansicht, dass daher allein das Infektionsschutzgesetz in seiner aktuellen Fassung (Anm. d. Red.: Seit dem 01.02.2020 ist das Coronavirus per Verordnung im IfSG mit aufgelistet) ausschlaggebend in der Betriebsschließungsversicherung sein kann, nicht eine mitunter jahrzehntealte Liste in den Versicherungsbedingungen. Andernfalls wäre es aber ein klarer Anlass für die Beratungspflicht der Versicherer und ihrer Vertreter gewesen, Versicherungsnehmer auf dieses eklatant abweichende Verständnis der Deckung hinzuweisen“, erläutert Dr. Mark Wilhelm, Managing Partner der Kanzlei.

Falschberatung durch Allianz-Vertreter?

Der Verweis auf die gebundenen Vermittler der Allianz erfolgt nicht zufällig. Seinen Mandanten fühlen sich in Bezug auf ihren BSV-Schutz von den Vertretern des Versicherers nicht ausreichend oder sogar falsch beraten. „In keiner uns vorliegenden Beratungsdokumentation findet sich der Hinweis, dass die im Vertrag aufgelisteten Krankheiten abschließend zu verstehen sind und im Versicherungsfall das aktuelle Infektionsschutzgesetz keine Rolle spielen soll. Auch zum Thema Generalprävention findet sich wie in den AVB auch in den Beratungsprotokollen kein Satz. Vermutlich war eine solche Auslegung der Bedingungen vor der Corona-Krise den Vertretern genauso unbekannt wie den Versicherungsnehmern“, so Wilhelm.

Ihm würde unter anderem ein WhatsApp-Chatverlauf aus dem Februar zwischen einem Allianz-Vertreter und einem Gastronomen vorliegen, in dem der Vermittler seinem Kunden im Rahmen des bestehenden BSV-Vertrags auch Versicherungsschutz im Falle einer Corona-Pandemie garantiert habe. Aufgrund solcher wesentlichen Falschaussagen ihres Agenturvertriebs sieht Wilhelm die Allianz bei Corona-bedingten BSV-Schäden in der Leistungspflicht. Für seine Mandanten wolle er nun gerichtlich Klarheit schaffen.

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Auf procontra-Nachfrage wies man bei der Allianz die Vorwürfe einer unzureichenden Beratung durch die eigenen Agenturen in Bezug auf die Pandemie-Risiken zurück. Mutmaßliche Belege, wie etwa den genannten Chatverlauf, habe man zudem noch gar nicht einsehen können.

Ausführlicher werden die Münchner bei den Schwachstellen, die die Kanzlei Wilhelm bei ihren BSV-Bedingungen ausgemacht haben will. So könne COVID-19 grundsätzlich auch bei BSV-Verträgen der Allianz mitversichert sein, sofern individuelle Klauseln vereinbart wurden. Dies sei zumeist bei Krankenhäusern der Fall, erklärte heute ein Sprecher des Versicherers.

Hilft das Mannheimer Urteil der Allianz?

Anders verhalte es sich bei den Kunden aus dem Hotel- und Gastronomiebereich, die nicht über solche individuellen Klauseln verfügen. Hier würde der Versicherungsschutz nur Krankheiten und Krankheitserreger umfassen, die ausdrücklich und abschließend in den Bedingungen namentlich benannt sind, betont man bei der Allianz.

Die Münchner hätten sich bewusst für eine enumerative (abschließende) Aufzählung der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger entschieden. Das kürzlich ergangene und viel beachtete Urteil des Mannheimer Landgerichts – dessen Gegenstand keine Allianz-Vertragsklausel war – habe zudem klargestellt, dass Corona im Falle einer solchen abschließenden Aufzählung nicht versichert ist, so der Sprecher.

Das Mannheimer Urteil, das zu seiner Leistungspflicht des beklagten Versicherers tendiert, sei nicht auf die Bedingungen der Allianz übertragbar. Vielmehr würde es die rechtliche Einschätzung der Münchener und damit auch ihrer BSV-Bedingungen bestätigen, dass die entsprechenden Corona-bedingten Schäden von Hotel- und Gaststättenbetreibern nicht versichert sind.

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