Besserverdiener-Check: PKV statt freiwillige GKV

Viele bleiben lieber freiwillig in der GKV, statt in die PKV zu wechseln. Das hält ein Spezialmakler für einen fatalen Fehler, da tendenzielle Leistungskürzungen ebenso ausgeblendet werden wie die Folgen längerer Krankheit und höhere Beiträge im Alter.

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06:04 Uhr | 30. April | 2019
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Freiwillig GKV-versicherte Angestellte tragen neben hohen Beiträgen auch finanzielle Risiken bei längerer Krankheit, im Alter und bei der Beanspruchung von Leistungen, sagt Makler Frank Dietrich. Bild: Dietrich

Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) kann sich freuen: Erneut wechseln wieder mehr Selbstständige in die freiwillige Krankenversicherung und entscheiden sich damit gegen die Option der privaten Krankenversicherung (PKV), jubelt die DGB-Zeitschrift „Soziale Sicherheit“. Dank Absenkung der Mindestbeiträge für freiwillig GKV-versicherte Selbstständige von 360 auf 156 Euro pro Monat dürfte der Zulauf 2019 weiter anhalten – zulasten der PKV. Auch Besserverdiener unter den Angestellten wechselten trotz Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze der Zeitschrift zufolge verstärkt wieder in die freiwillige GKV zurück, berichtet Cash-online unter Bezug auf die DGB-Auswertung.

Offenbar treibt sie die Sorge um Beitragssteigerungen im Alter um. „Das freut vielleicht die gesetzlichen Krankenkassen, aber wahrscheinlich nicht die Versicherten selbst“, meint Frank Dietrich, Inhaber der F.D. Fachmakler GmbH in Potsdam, die sich auf PKV, BU- und Pflegekostenzusatz-Versicherungen spezialisiert hat. „Viele freiwillig Versicherte kennen ihre Risiken bei Krankheit/Arbeitsunfähigkeit und als Rentner offenbar nicht“, meint Dietrich. Der Glaube, im gesetzlichen System zu verbleiben, schütze später im Rentenalter vor hohen Beiträgen, sei oft ein Irrglaube.

Stetig steigende GKV-Beiträge

„Es ist eine Tatsache, dass das gesetzliche System in den letzten fast 20 Jahren höhere Anpassungen allein vom Zahlbeitrag vorgenommen hat als das private System“, sagt Dietrich. Lag der Monatsbeitrag in den siebziger Jahren bei 50 Euro, so betrage er heute in der Spitze fast 850 Euro. Belegt sei, dass die so genannte Hochleistungstarife der PKV (also keine Einsteigertarife oder Billigangebote) in den letzten Jahren ihre Beiträge zum Teil sogar gesenkt haben, etwa im Tarif NK der Hallesche Krankenversicherung. „Bedenkt man, dass zu den gestiegenen Beiträgen der GKV noch die die Zuzahlungen ständig gestiegen sind, ist die GKV in Sachen Beitragsanpassung der PKV um Längen voraus“, urteilt Dietrich.

Das könne im Rentenalter bitter aufstoßen. Die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) sorgt für die Gruppe der pflichtversicherten Rentner im Alter dafür, dass nur noch der halbe Beitragssatz zu zahlen ist. Voraussetzung: Man war in der zweiten Hälfte seines Erwerbslebens zu 90 Prozent gesetzlich krankenversichert.

Für wen das nicht zutrifft, der unterliegt als freiwillig gesetzlich Krankenversicherter einer teureren Beitragsbemessung. Aktuell gilt: Auf gesetzliche Rente sind wie in der KVdR 7,3 Prozent fällig, hinzu kommt die Hälfte des Zusatzbeitrages. Freiwillig versicherte Rentner müssen dazu noch den ermäßigten Beitragssatz von 14,0 Prozent abführen auf Einnahmen aus Miete, Pacht und Kapitalvermögen sowie auf private Lebens- und Rentenversicherungen. „Da ist es nur ein kleiner Schritt für Vorsorgebewusste, dass sich der GKV-Monatsbeitrag in Richtung 1.000 Euro bewegt“, weiß Dietrich.

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Absturz nach 78 Wochen Krankheit gerade für Besserverdiener

Bereits in jüngeren Jahren tragen freiwillig GKV-Versicherte das Risiko, ohne privaten Schutz bei längerer Krankheit/Arbeitsunfähigkeit massiv draufzuzahlen. Dietrich macht dies für einen Single (39) in Steuerklasse 3, keine Kinder, deutlich, der über der Jahresarbeitsentgeltgrenze von 60.750 Euro (= 3.176,40 Euro pro Monat) verdient.

Ab 7. Krankheitswoche, also nach Ende der Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber, bekäme er von der GKV 105,88 Krankengeld pro Tag (Quelle: TK KTG Rechner). Das sind fast 234 Euro (- 7,36 Prozent) Verlust gegenüber dem Einkommen in gesunden Tagen. Bei 80.000 Jahresbrutto wären es schon 996 Euro (- 22,6 Prozent), bei 120.000 Euro Jahresbrutto gar 3.029 Euro (- 47 Prozent). „Je mehr er über der Jahresarbeitsentgeltgrenze verdient, desto größer die Einkommensdifferenz bei Krankheit, die nur auf Basis einer privaten Tagegeld-Versicherung ausgeglichen werden kann."

Doch bei langwieriger Erkrankung kommt es noch schlimmer: Während privat vereinbarter Verdienstausfall (Tagegeld) nur bei Pflegebedürftigkeit oder auch Berufsunfähigkeit endet, versiegt das Tagegeld der GKV spätestens nach 78 Wochen. Dann folgt auf Antrag die gesetzliche Erwerbsminderungsrente, die im Schnitt 2017 pro Neurentner lediglich 716 Euro einbringt. „Der Sozialfall ist ohne private Absicherung gerade auch für Besserverdiener programmiert“, sagt Dietrich.

Leistungsschwund bei der GKV

Ein drittes Risiko für freiwillig GKV-Versicherte: „Immer mehr Leistungen verschwinden aus dem gesetzlichen Leistungskatalog und werden damit im Leistungsfall privat zu finanzieren sein“, sagt Dietrich. Er verweist auf ein Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg von 2010 (Az.: L 5 KR 2035/09), das es für richtig hielt, dass die GKV die Krebsbehandlung in einer Privatklinik nicht übernimmt, wenn die Leistung nicht im Leistungskatalog steht. Die Patientin vertrug jedoch die einzig von der GKV vorgesehene Leistung nicht (Chemotherapie zur Behandlung des Mammakarzinoms). Sie musste die lebensnotwendige Behandlung selbst finanzieren. „Das ist bei freiwillig Versicherten nicht anders“, so Dietrich.

Diese drei Gründe könnten eine Überlegung für die PKV wert sein, „wenn man auch dort genau hinschaut“, meint Dietrich. Zumindest sei in der PKV nicht mit Leistungseinbußen oder -kürzungen zu rechnen. Das hat Dietrich jedenfalls noch nie erlebt. Eine aktuelle Studie „Krankenversicherung – Gesundheitspolitik“ des Analysehauses PremiumCircle Deutschland hatte zur Aufgabe, Mindestkriterien in Anlehnung an die GKV zu definieren und das Ergebnis dem bisherigen Leistungsniveau der PKV-Branche gegenüberzustellen. „Diese Benchmark erfüllten allenfalls fünf PKV-Gesellschaften in akzeptablen Maß“, meint Dietrich in seinem Blog. Aus Sicht eines Qualitätsvermittlers kämen da im Prinzip nur Barmenia, SDK, Hallesche und Deutscher Ring in Betracht, so Dietrich auf Nachfrage.

Spannender Systemvergleich von PremiumCircle

In der Studie wird zusätzlich darauf hingewiesen, dass die PKV 153 derzeit „Mehrleistungen“ gegenüber der GKV hat. Addiert kämen die Spitzenreiter der PKV auf fast 208 garantierte und auch noch in zehn und mehr Jahren vorhandene Leistungen. Das gesetzliche System hat zum Zeitpunkt der Erstellung der Studie 100 Leistungskriterien.

„Ob das in zwei Jahren in der GKV auch noch so viele sind, ist mehr als fraglich“, so Dietrich. Natürlich seien die Systeme nur „von ungefähr“ miteinander vergleichbar. „Aber wer sein Leben plant, kommt eigentlich an der PKV nicht vorbei“, so das Fazit des Maklers. Allerdings seien aus seiner Sicht eben nur rund zehn Prozent der angebotenen PKV-Tarife einen Wechsel zu den Privaten wert. Die Angst vor grundsätzlich unbezahlbaren PKV-Beiträgen im Alter hält Dietrich für unbegründet. Er selbst zahle 300 Euro netto  Monatsbeitrag - im 55. Lebensjahr.

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