Berufsunfähigkeitsversicherung: Linke will Verbraucherrechte stärken
Die Berufsunfähigkeitsversicherung gehört zu den wichtigsten Absicherungen im Leben – hier sind sich Verbraucherschützer und Versicherer komplett einig. Ohne entsprechenden Schutz für seine Arbeitskraft ist man im Fall der eigenen Erwerbsunfähigkeit auf die staatliche Erwerbsunfähigkeitsrente angewiesen. Selbst, wer die strengen Voraussetzungen für deren Bezug (weniger als 3 Stunden Arbeit am Tag ist möglich, in jedem Beruf) erfüllt, muss sich in der Regel mit Leistungen zufrieden geben, mit denen die eigene Existenzsicherung kaum möglich ist. Laut Deutscher Rentenversicherung lag die durchschnittliche Erwerbsminderungsrente Ende 2019 bei rund 850 Euro – bei voller Erwerbsunfähigkeit wohlgemerkt.
Eigeninitiative ist folglich bei der Absicherung der Arbeitskraft gefragt – wenn möglich über eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Hier gibt es aus Sicht der Bundestagsfraktion der Linken allerdings Probleme. „Denn Versicherte werden immer wieder mit der Leistungsunwilligkeit der Berufsunfähigkeitsversicherer konfrontiert“, heißt es in einem Antrag (Bundestagsdrucksache 19/28905) der Fraktion an die Bundesregierung.
Vorwurf: Versicherer entziehen sich Verantwortung
Der Vorwurf wiegt schwer: Versicherer würden durch Anzweifeln der ärztlichen Atteste und künstliche Verzögerung der Auszahlung den Leistungsprozess bewusst in die Länge ziehen und sich auf diesem Wege ihrer Verantwortung entziehen.
Begünstigt werde diese Verschleppungstaktik durch das vollkommene Fehlen entsprechender Fristen. Wie lange der Versicherer für die Bearbeitung eines Falls braucht, obliegt alleine ihm. Die BU-Versicherer, so der Vorwurf, könnten die Regulierungszeit somit nach Belieben in die Länge ziehen und so die Auszahlung der BU-Rente verzögern.
Aus Sicht der Versicherer treffen diese bereits in der Vergangenheit mehrfach geäußerten Vorwürfe nicht zu. „Die Berufsunfähigkeitsversicherung leistet zuverlässig“, heißt es in diesem Zusammenhang vom Branchenverband GDV, der auf die hohe Leistungsquote verweist.
So seien 2018 80 Prozent aller Anträge bewilligt worden – vier von fünf Leistungsanträgen wurden damit positiv entschieden. In der Regel begnügt sich der Versicherer dabei auch mit den vorliegenden Unterlagen, wie beispielsweise den eingereichten ärztlichen Attesten. Lediglich in sechs Prozent aller Fälle hätten die Versicherer 2018 im Rahmen der Leistungsüberprüfung ein neutrales Gutachten erstellen lassen. Diese fielen mehrheitlich (63 Prozent) zudem zugunsten der Versicherungsnehmer aus.
Wie lange dauert die Leistungsregulierung?
Bleibt der Vorwurf der langen Bearbeitungszeit der Leistungsanträge. Laut GDV vergingen 2018 durchschnittlich 106 Tage zwischen Antragsstellung und Entscheidung des Versicherers – vier Tage weniger als noch 2017. Das Hannoveraner Analysehaus Franke & Bornberg kam für 2017 hingegen auf wesentlich höhere Werte. So betrug die durchschnittliche BU-Regulierungsdauer 2017 rund 180 Tage. Nimmt man nur den Zeitraum zwischen Eingang des Kundenfragebogens und der Entscheidung waren es noch 143 Tage – wesentlich länger, als vom GDV behauptet.
Anzumerken hierbei ist, dass sich die Auswertung von Franke & Bornberg lediglich auf sechs BU-Versicherer (Allianz, AachenMünchener, Ergo, HDI, Nürnberger und Swiss Life) stützt. Auch Makler berichten immer wieder von großen Unterschieden bei den Bearbeitungsdauern – diese können von wenigen Wochen bis zu einem ganzen Jahr reichen. Unterschiede gibt es dabei offenbar nicht nur zwischen den einzelnen Anbietern, auch das zugrundeliegende Krankheitsbild ist entscheidend. So verlaufe die Leistungsprüfung laut Franke & Bornberg am schnellsten bei Krebserkrankungen, psychische Erkrankungen benötigten hingegen deutlich mehr Zeit.
Nichtsdestotrotz: Schnellere Abläufe bei der Leistungsbewilligung liegen auch im Interesse der Vermittler. Laut Franke & Bornberg wünschen sich Vermittler, dass die Leistungsprüfung nicht länger als 42 Tage dauern sollte.
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Um den Prozess entsprechend zu beschleunigen, haben die Linken insgesamt fünf Forderungen an die Bundesregierung gerichtet.
So sollen die Versicherer die Berufsunfähigkeitsversicherung nicht anzweifeln können, wenn bereits eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß Paragraph 43 Absatz 2 SGB VI anerkannt worden ist. „Ist die volle Erwerbsunfähigkeit anerkannt worden, gilt der Nachweis der Berufsunfähigkeit als unwiderleglich erbracht“, heißt es im Antrag. Nicht berücksichtigt wird hierbei, dass auch in der gesetzlichen Rentenversicherung die Bearbeitungszeiten zuletzt deutlich stiegen. Lag die durchschnittliche Bearbeitungsdauer bei Renten wegen Erwerbsminderung 2010 bei 93 Tagen, waren es 2019 insgesamt 135 Tage, berichtet die Nachrichtenagentur EPD. Grund sei auch hier die Zunahme psychischer Erkrankungen, deren Prüfung wesentlich mehr Zeit in Anspruch nehme.
Darüber hinaus formulieren die Linken weitere Vorschläge, mit denen die Kundenrechte in der BU-Versicherung gestärkt werden sollen:
Dass die Bundesregierung in dieser Hinsicht in dieser Legislaturperiode noch tätig wird, ist kaum zu erwarten. Interessant ist aber zu beobachten, dass neben der Reform der Altersvorsorge nun auch die Arbeitskraftabsicherung ihren Platz im kommenden Wahlkampf gefunden hat.
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