Berufsunfähigkeit: Neue Trends am Markt

Die BU-Versicherung ist die wichtigste Personenversicherung, und steht doch immer wieder in der Kritik. Um die Transparenz zu erhöhen, bemüht sich die Branche in jüngster Zeit verstärkt um einen kundenfreundlicheren Rahmen. Eine Momentaufnahme.

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06:09 Uhr | 26. September | 2019
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Längst nicht jeder schwere Unfall oder krankheitsbedingte lange Arbeitsausfall wird als berufsunfähig eingestuft. Im Leistungsfall scheiden sich die Geister. Bild: Pixabay

Die BU-Artikel-Serie in procontra offenbarte, dass Versicherer Kunden nach dem BU-Leistungsantrag gern mal im Ungewissen lassen und beispielsweise weniger als 50 Prozent Berufsunfähigkeit behaupten, auch mit Hilfe medizinischer Gutachten (procontra berichtete). Dass es bei manchen Versicherern Probleme bei der Leistungsregulierung gibt, wissen Makler seit Jahren, und versuchen sich dagegen zu wappnen (procontra berichtete).

Die gescholtenen Versicherer öffnen sich langsam der Kritik. Davon kündigen einige Änderungen der jüngsten Zeit (procontra berichtete). So hat Zurich Deutscher Herold ein komplexes Scoring-Modell eingeführt, dass den Beitrag für BU-Policen noch besser dem Risiko anpassen soll (procontra berichtete). Dazu erhebt das Unternehmen für Neuverträge seit August eine Grundprämie, indem es Kunden in eine von 13 Branchen einstuft. Der finale Beitrag ergibt sich aber erst, wenn weitere Fragen zur Qualifikation, Umfang der körperlichen Tätigkeit, Leitungsfunktion und Berufsstatus beantwortet wurden.

Scoring-Modell bei Zurich und HDI

Nun wird auch nach Rauchern und Nichtrauchern in der BU differenziert. Günstig: Zurich gibt eine fünfjährige Stabilitätsgarantie auf den um Überschüsse reduzierten Nettobeitrag. Ungünstig: Leistungen schon bei Arbeitsunfähigkeit (AU) sind künftig nicht mehr automatischer Bestandteil der Tarife, sondern die sogenannte AU-Klausel nur noch ein optionaler Baustein. Damit riskieren Makler Haftungsprobleme (procontra berichtete). Zudem dürften sich Policen für riskante Berufe durch das Scoring nun noch mehr verteuern.

Auch die HDI Lebensversicherung hat ein neues BU-Scoring eingeführt. Die wichtigste Neuerung: Projektleitung wird nun der Personalführung gleichgestellt. Der Kunde wird ab sofort in der Risikogruppe eingestuft, die optimal zu seinem Berufsbild passt. Zudem profitieren insbesondere die Kernzielgruppen Ärzte, Selbstständige sowie IT- und Kammerberufe von neuen Produktfeatures.

So verzichtet HDI bei Ein-Arzt-Praxen auf Umorganisation im BU-Fall – und das unabhängig von der Mitarbeiterzahl. Viele Mediziner beteiligen sich an humanitären Einsätzen. Auch dabei ist ab jetzt die Absicherung gewährleistet. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Erweiterung der Infektionsklausel. HDI leistet ab sofort auch bei einem teilweisen Tätigkeitsverbot.

Für Menschen mit schweren Krebserkrankungen wurde die Nachweispflicht vereinfacht und eine Erste-Hilfe-Leistung bei Krebs als sofortige befristete Anerkennung für garantiert 15 Monate eingeführt. Hinzu kommt nun ein vereinfachter Nachweis und die BU-Anerkennung bei unbefristeter voller gesetzlicher Erwerbsminderungsrente durch die DRV, wenn die volle Erwerbsminderungsrente allein aus medizinischen Gründen gezahlt wird und der BU-Vertrag bei voller Erwerbsminderung mindestens seit zehn Jahren bestand.

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Continentale versicherte neue Berufe

Die Continentale will Menschen mit Zukunftsberufen stärker an sich binden und hat dazu seine BU-Vorsorge überarbeitet. Ein wichtiges Element: Rund 300 Zukunftsberufe sind günstiger eingestuft oder ganz neu aufgenommen. 25 Berufe sind ausschließlich bei der Continentale versicherbar. Außer den Beiträgen sind die Leistungen und Service aufgestockt worden. Zu den versicherten neuen Berufen gehören Projektmanager für künstliche Intelligenz, Drohnenpilot, Roboterprogrammierer und Gesundheitspädagoge.

Zu den Leistungserweiterungen zählt nun mehr Hilfe bei Umgestaltung und Rehabilitation: Organisiert ein Betroffener im BU-Fall seinen Betrieb oder seine Praxis um, unterstützt ihn die Continentale mit bis zu 12 Monatsrenten. An Maßnahmen zur Rehabilitation beteiligt sich der Versicherer zudem mit bis zu 2.000 Euro.

Zum Service gehöre nun ein beschleunigter Antragsprozess: Bei der Risikoprüfung notwendige Rückfragen beantworten Kunden online. Der „eGesundheits-Dialog“ gehe dabei intelligent vor. Er stellt dem Kunden nur die Fragen, die zu seiner individuellen Situation passen. So kann der Vertrag risikoadäquat bearbeitet und schneller policiert werden. Mehr Infos für Makler gibt es im Internet.

Allianz mit persönlicher Leistungsantrags-Betreuung

Assekurata Solutions hat der Allianz Lebensversicherung erneut Fairness in der BU-Leistungsregulierung bescheinigt. Hervorgehoben wird unter anderem, dass der Sachbearbeiter telefonischen Kontakt zum Kunden aufnimmt (persönlicher Betreuer), ihm das weitere Vorgehen beschreibt und den Eigenbericht direkt mit dem Kunden zusammen ausfüllt. Dadurch habe sich die Bearbeitungszeit wesentlich verkürzt.

Für Kunden, die den Bericht selbst oder mit Hilfe unabhängiger Experten ausfüllen wollen, hat die Allianz einen Flyer („Klarheit für Sie“) konzipiert, der den Kunden umfassend zum Prozess der BU-Leistungsprüfung informiert. Hinzu kommt eine Checkliste mit den einzureichenden Unterlagen. Beide Unterlagen gehen mit dem Anschreiben raus, das Antragsteller zu Beginn des Bearbeitungsprozesses erhalten. Es bleibt zu hoffen, dass damit die leidige Praxis medizinische Gutachten zu beauftragen, um Leistungsansprüche abzuwehren (procontra berichtete), beim Marktführer der Vergangenheit angehört.

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Kollektive Einkommenssicherung bei Elips Life

Einen relativ neuen Ansatz zur BU-Absicherung verfolgt seit kurzem auf dem deutschen Markt die Elips Life AG (Liechtenstein). Als Teil der betrieblichen Versorgung wird auch kollektive Einkommenssicherung geboten. Das hat 2013 schon die Zurich Eurolife Luxemburg in Deutschland eingeführt (Team-Existenz-Absicherungs-Modell). In der Schweiz sind solche Deckungen seit 1985 gesetzlich verankert.

Bei Elips Life werden Mitarbeiter gegen die Risiken Tod und BU kollektiv über den Arbeitgeber versichert. Nach Unternehmensangaben werden mehr als 97 Prozent der Mitarbeiter ohne individuelle Gesundheitsprüfung in die Deckung aufgenommen. Auch wer im Rahmen der privaten BU-Gesundheitsprüfung abgelehnt wird, könne sich über den Arbeitgeber absichern.

Die Deckung entspricht normalerweise einem Prozentsatz im Verhältnis zum Bruttojahresgehalt, also beispielsweise 40 Prozent BU-Rente. Administrativ sei es so einfach wie bei einer Gruppenunfallversicherung – es ist keine Meldung von unterjährigen Änderungen nötig und der Beitrag wird altersgerecht kalkuliert. Diese meist vom Arbeitgeber bezahlte beitragsorientierte Leistungszusage wird über eine Direktzusage eingerichtet und mit der Elips kongruent rückgedeckt.

Auch von der bekannten 50-Prozent-Regelung abweichende Leistungsstaffeln (teilweise Leistung bereits ab 25 Prozent BU) seien möglich. Die Deckung gilt allerdings nur solange, wie der Mitarbeiter im Betrieb angestellt ist. Eine bestehende, privat abgeschlossene Absicherung sollte deshalb nicht gekündigt werden.

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