bAV: Was trotz BRSG noch alles schief läuft

Auf einer hochkarätig besetzten bAV-Fachtagung diese Woche in Berlin wurde auch eine erste Bilanz zum Betriebsrenten-Stärkungsgesetz (BRSG) samt bAV-Riester gezogen. Dabei mahnte der „Vater“ des Sozialpartnermodells rechtliche Änderungen an.

Author_image
07:04 Uhr | 04. April | 2019
Zum BRSG werden mehrere Klarstellungen und Neuregelungen benötigt, um den Erfolg des Gesetzes zu befördern, meint Marco Arteaga.

Zum BRSG werden mehrere Klarstellungen und Neuregelungen benötigt, um den Erfolg des Gesetzes zu befördern, meint Marco Arteaga. Bild: Pohl

Marco Arteaga ist ein Mann der eher leisen Töne. Der Rechtsanwalt, heute Partner der Kanzlei DLA Piper, hatte im Frühjahr 2016 zusammen mit Peter Hanau von der Universität Köln das Gutachten „Sozialpartnermodell Betriebsrente“ vorgelegt, das dem Bundesarbeitsministerium als Blaupause für den Gesetzentwurf zum BRSG, speziell den Teilen zum Sozialpartnermodell (SPM), diente. Damit ist er einer der „Väter“ des Gesetzes.

Daher musste die Kritik erstaunen, mit der er auf der 20. Handelsblatt-Jahrestagung „Betriebliche Altersversorgung“ diese Woche in Berlin aufwartete. „Es gibt viele Wünsche und Anregungen für Nachbesserungen am BRSG“, sagte Arteaga in seinem Fachvortrag. Beispiel: Viele Details zum Arbeitgeberzuschuss von 15 Prozent bei neuen Entgeltumwandlungsvereinbarungen (procontra berichtete) müssten noch geregelt werden. Trotz eines Rundschreibens zur beitragsrechtlichen Beurteilung von Zuwendungen zur bAV blieben massive Umsetzungsprobleme. So bestehe Unklarheit über den Beginn der Zuschusspflicht bei kollektiven Regelungen.

Offen ist auch, wie zu verfahren sei, wenn die Erhöhung bestehender Versorgungszusagen technisch, etwa bei einem bestehenden Direktversicherungsvertrag, gar nicht möglich ist. Zudem gebe es einen „faktischen Zwang“ zum 15-Prozent-Zuschuss auch bei Direktzusage und U-Kasse, weil Mitarbeiter statt einer angebotenen Gehaltsumwandlungs-Direktzusage nach dem Gesetz eine Gehaltsumwandlungs-Direktversicherung mit Zuschuss verlangen können.

Betriebsvereinbarungen statt Tarifexklusivität

Vor allem die Vertriebe kritisieren die Tarifexklusivität der reinen Beitragszusagen und der Optionssysteme. Die Unternehmen seien derzeit nicht frei, diese Gestaltungen auf Basis von Betriebsvereinbarungen zu nutzen. Das Tarifprivileg wollten aber Gewerkschaften und Arbeitgeber nicht hergeben (procontra berichtete). „In Erwartung von Flächentarifverträgen zum Sozialpartnermodell (SPM) werde ihnen dies auch niemand nehmen, doch was passiert, wenn Flächentarifverträge gar nicht kommen“, fragte Arteaga in die Runde.

Vor lauter Detailregelungen werde aus den Augen verloren, dass bevorzugt über die bAV mehr Altersvorsorge aufgebaut werden soll. Es gebe noch immer einen „Verbeitragungsvorrang der Bruttoentgelte zugunsten der gesetzlichen Rentenversicherung“, selbst wenn insgesamt ein noch viel höherer Betrag in die bAV fließen könnte. „Daher muss die zweite Säule von Ballast befreit werden“, fordert Arteaga. Ziel: weniger komplex und einfacher für die Nutzer.

Seite 1: Massive UmsetzungsproblemeSeite 2: Rechtsunsicherheit durch Vereinfachung beseitigenSeite 3: Ein einziger Vertrag für alle Förderungen

In einer Podiumsdiskussion machten die zuständigen Ministerien jedoch keine Hoffnung auf schnelle Nachjustierung beim BRSG. Es gebe kaum Spielraum für arbeitsrechtlich andere Auslegungen, war vom BMAS zu hören. Auch das BMF will das Gesetz erst einmal richtig erproben, ehe womöglich nach fünf Jahren eine Evaluierung anstehe. Man wolle zunächst auch die ersten praktischen Angebote des SPM abwarten.

Beim SPM soll bekanntlich für Arbeitnehmer mehr Rendite-Potenzial durch eine Zielrente erschlossen werden (procontra berichtete). Dem SPM verpasst eine aktuelle Umfrage der Signal Iduna unter reichlich 500 Arbeitnehmern jedoch schon vor dem bundesweiten Start einen Dämpfer. Demnach würden 30 Prozent eine bAV ohne Garantien nicht akzeptieren. Auf Akzeptanz stößt die Zielrente nur, wenn die eingezahlten Beiträge nicht verloren gehen (27 Prozent), der Arbeitgeber die Beiträge einzahlt und nicht auf Lohn verzichtet werden muss (20 Prozent) oder wenn in Anlageformen wie Aktien investiert wird, um die Renditechancen zu erhöhen (7 Prozent).

HDI löst Problem mit bAV-Riester

Arteaga mahnt auch beim bAV-Riester Vereinfachungen an. Bei Privat-Riester erfolge die Beitragszahlung heute, die endgültige Entscheidung über die Zulage komme aber erst im Folgejahr. Diese Verfahrensweise sei für bAV-Riester so nicht zu gebrauchen. „Eine Entscheidung wird vorher benötigt“, so Arteaga, denn „es muss zum Zeitpunkt der Entgeltumwandlung entschieden werden, ob diese aus dem Brutto- oder aus dem Nettoeinkommen erfolgen soll“.

„Muss es nicht“, meint Michael Rosch, Leiter Produktmanagement der HDI Lebensversicherung. In seinem Vortrag erinnerte er daran, dass HDI Anfang Februar 2019 das „Förder-Hopping“ zwischen Entgeltumwandlung und bAV-Riester in einem Vertrag – ohne Tarifwechsel - ermöglicht. Ein ähnliches Produkt bietet R + V, berichtete R+V-Vorstand Rüdiger Bach.

Seite 1: Massive UmsetzungsproblemeSeite 2: Rechtsunsicherheit durch Vereinfachung beseitigenSeite 3: Ein einziger Vertrag für alle Förderungen

Der Weg: Es müsse nur eine einzige Direktversicherung abgeschlossen werden. Arbeitnehmer sparen ihre Betriebsrente damit also je nach lebens- und Finanzlage wechselweise aus zwei Töpfen an: entweder Entgeltumwandlung „aus dem Brutto" (nach Paragraf 3 Nr. 63 EStG) oder Riester-Rente (nach Paragraf 10 a EStG) aus dem Netto-Gehalt samt umfangreicher staatlicher Riester-Zulagen. Vorteil bei bAV-Riester: Die frühere Doppelverbeitragung ist seit 2018 mit dem BRSG entfallen.

bAV-Riester lohne in vielen Lebenslagen, „für alle Angestellten, besonders für Spitzenverdiener, Bezieher niedrigerer Einkommen (einschließlich Minijobber und Teilzeitkräfte), für Eltern von kindergeldberechtigtem Nachwuchs und aufgrund des Berufseinsteiger-Zuschusses für junge Berufstätige“, so Rosch. Ob ein Wechsel der Förderung innerhalb der Direktversicherung vorteilhaft ist, können Arbeitnehmer bei Bedarf selbst ermitteln. Dazu stellt HDI mit dem „bAV FörderFinder“ ein selbsterklärendes Online-Tool für Berater zur Verfügung.

Seite 1: Massive UmsetzungsproblemeSeite 2: Rechtsunsicherheit durch Vereinfachung beseitigenSeite 3: Ein einziger Vertrag für alle Förderungen