Warum eine Versicherungspflicht für Elementarrisiken die gesellschaftlich fairste Lösung ist
Es schien schon beschlossene Sache zu sein. Im Angesicht der katastrophalen Zerstörungen und der hohen Quote nicht versicherter Schäden im Rahmen des Sturmtiefs Bernd sprachen sich Politik und Öffentlichkeit – wie so oft nach solchen Ereignissen - schnell für eine verpflichtende Absicherung gegen Elementarschadenereignisse aus. Würden die Länder sich für die Einführung einer solchen Pflicht aussprechen, werde der Bund nichts dagegen haben, so der damalige Vizekanzler und Finanzminister und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz. Solche Ankündigungen machen sich gut in Wahlkämpfen, zeigen sie doch die Weitsicht und den Willen, ein Problem langfristig und grundsätzlich anzugehen.
In der folgenden öffentlichen Diskussion tauschten Befürworter und Gegner ihre Argumente aus und präsentierten diverse Lösungsansätze. Nennenswert geschehen ist seither allerdings nahezu nichts. Spätestens mit Beginn des Ukraine-Krieges verschwand das Thema aus der öffentlichen Diskussion und im Dezember 2022 beendete Bundesjustizminister Marco Buschmann das Vorhaben einer bundesweiten Regelung mit dem fadenscheinigen Hinweis auf eine drohende finanzielle Überlastung privater Haushalte dann endgültig.
Während die Politik den Stillstand verwaltete, ging zumindest die Versicherungsbranche das Thema aktiv an. Mittlerweile bieten weit mehr als 20 Versicherer ihre Wohngebäudepolicen nur noch mit einem Elemtarschadenschutz an oder zwingen den Kunden mittels einer Opting-out-Regelung dazu, diesen explizit abzuwählen. Unserer Kenntnis nach führten diese Veränderungen dazu, dass die Absicherung von Elementarschäden nun deutlich häufiger Bestandteil der Wohngebäudeverträge ist als in der Vergangenheit. Im Neugeschäft beinhalten nun etwa zwischen 65-75 Prozent der Verträge einen solchen Schutz, während der Anteil in der Vergangenheit oftmals zum Teil deutlich unterhalb der 50 Prozent-Grenze lag. Zweifelsohne ein Erfolg für die Branche.
Allerdings ist der marktweite Vertragsbestand in der Wohngebäudeversicherung in den vergangenen Jahren kaum gewachsen, und die Durchdringung der Elementarschadenabsicherung insgesamt liegt weiterhin bei knapp 50 Prozent. Ferner zeigen sich auch im Neugeschäft die Grenzen der Freiwilligkeit. Selbst im besten Fall bleiben noch immer 25 Prozent der Wohngebäude ohne Versicherungsschutz gegen Elementarrisiken. Dabei dürfte sich der Anteil der „Verweigerer“ insbesondere aus zwei Gruppen zusammensetzen. Zum einen aus Haushalten, deren Wohngebäude in einem (Hoch-)Risikogebiet steht und die sich die dauraus resultierende Risikoprämie schlicht nicht leisten können. Die zweite Gruppe umfasst Personen, die sich des Risikos nicht bewusst sind und/oder davon ausgehen, im Zweifelsfall durch den Steuerzahler gerettet zu werden. Die eine Gruppe ist also dringend auf die Solidarität der Gemeinschaft angewiesen, die andere entzieht sich dieser mitunter bewusst. Sieht man die Bewältigung des Klimawandels als gesamtgesellschaftliche Aufgabe an, kann ein Staat diese Situation nicht dulden.
Eine Versicherungspflicht würde zumindest alle Wohngebäudeinhaber zu einer Solidargemeinschaft vereinen. Dies hätte durch das größere Kollektiv einen prämiendämpfenden Effekt und würde zusätzlich für Gerechtigkeit gegenüber den Steuerzahlern sorgen, die bisher allzu oft für die unversicherten Schäden der Wohngebäudebesitzer mitaufkommen mussten. Effektiver eingesetzt wären Steuermittel beispielsweise in Form von Prämienzuschüssen für Bedürftige und/oder Personen mit (Hoch-)Risikoobjekten und entsprechend hohen Prämien. Die genaue Ausgestaltung einer Versicherungspflicht (Prämiengestaltung, Prävention, soziale Komponenten …) ist Aufgabe der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Parteien aus Politik, Versicherungsbranche und Gesellschaft. Dass die Versicherungspflicht aber der einzige Weg ist, alle Wohngebäuderisiken adäquat abzusichern, sollte so langsam allen klar sein. Der Blick auf die aktuellen Geschehnisse in Nord-Italien zeigt, wie wichtig es ist, schnell zu handeln.