Beratung ohne Zulassung: Handeln die Verbraucherzentralen illegal?
Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (VZ NRW) sucht Berater auf Honorarbasis, die in ihrem Auftrag eigenverantwortlich und selbstständig persönliche Verbraucherberatung zu Geldanlagen, Altersvorsorge und Versicherungen übernehmen. In der Leistungsbeschreibung wird als eine Voraussetzung die erforderliche Sachkunde gemäß Gewerbeordnung (GewO) genannt.
Haftung für die externen Berater will die VZ NRW laut Vergabeunterlagen nicht übernehmen. Das Stundenhonorar beträgt laut Rahmenvertrag 41,18 Euro plus Umsatzsteuer, gegebenenfalls zuzüglich Fahrt- und Parkkosten. Mit diesem Honorar sind sämtliche Tätigkeiten abgegolten.
Aber: Die VZ stellt Verbrauchern 110 Euro pro Stunde in Rechnung, obwohl die Verbraucherzentralen bisher die kostspieligen gesetzlichen Zulassungsregeln für Berater nicht erfüllen müssen. Zum Vergleich: Ein Honorarberater mit Zulassung nach Paragraf 34d oder h GewO erhält seine Zulassung von der IHK nur dann, wenn er eine VSH über mindestens 1,3 Millionen Euro Deckungssumme nachweist, eine kostenpflichtige Sachkundeprüfung vor der IHK abgelegt hat, sich nach erfolgreichen Nachweisen kostenpflichtig im Vermittlerregister eintragen lässt und hinterher regelmäßig gesetzlich geregelte Weiterbildungen absolviert.
Sonderstatus trotz identischer Arbeit wie Honorarberater
Die Verbraucherschützer begründen ihren Sonderstatus mit dem öffentlichen Beratungs- und Informationsauftrag sowie der Gemeinnützigkeit. Doch man steht damit ja durch öffentliche Subventionierung in Konkurrenz zu freien Honorarberatern, die viel strengere gesetzliche Auflagen erfüllen müssen. Der Unterschied zwischen Bezahlung des selbstständigen Beraters (49 Euro brutto) und dem vom Kunden zu bezahlenden Honorar (110 Euro) könnte als ein Indiz für die Gewinnerzielungsabsicht der Verbraucherzentrale gedeutet werden, warnt Professor Heinrich Bockholt vom Institut für Finanzwirtschaft in Koblenz.
Das Verhalten deute auf nicht mehr gemeinnützige Tätigkeit hin. „Doch der rechtliche Status der VZ NRW ist gemäß Satzung ein gemeinnütziger Verein“, so Bockholt. Tatsächlich heißt es in der Satzung: „Der Verein ist selbstlos tätig; er verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.“ Die Zahlen zu Einnahmen und Ausgaben der VZ NRW 2019 weisen 283.000 Euro Jahresüberschuss (Gewinn) aus (2018: 213.800 Euro).
Allerdings kommt der Gewinn nur zustande, weil im Jahresetat von 49 Millionen Euro auch 16,5 Millionen Euro institutionelle Förderung des Landes Nordrhein-Westfalen stecken, Städte und Kreise elf Millionen Euro für die örtlichen Beratungsstellen zugeschossen haben sowie die EU und der Bund zehn Millionen Euro Projektmittel bewilligt hatten. Das NRW-Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft. Natur- und Verbraucherschutz will die Förderung ab 2021 sogar aufstocken – auf über 21 Millionen Euro pro Jahr. Das macht die aktuellen Dumpingangebote an selbstständige Honorarberater noch fragwürdiger.
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Verbraucherzentrale bleibt Antworten schuldig
Grund genug, bei der Verbraucherzentrale in Düsseldorf nochmals zu den harten Vorwürfen nachzuhaken:
Die Antworten fielen leider nicht mal lauwarm aus. „Die Verbraucherzentrale NRW besitzt den gesellschaftlichen und satzungsmäßigen Auftrag, die Interessen der Verbraucher gegenüber der Wirtschaft zu vertreten“, ließ eine Sprecherin übermitteln. Dann wird zum x-ten Mal über den Beratungsansatz philosophiert, der „stets unabhängig und neutral“ sei. Es gehe um Hilfe zur Selbsthilfe, daher sei „unsere Arbeit nicht mit einer am Markt angebotenen ‚Finanzberatung‘ zu vergleichen“.
AfW: Wettbewerbswidriges Verhalten
Klarer reagiert da – nicht zum ersten Mal – Rechtsanwalt Norman Wirth. „Aus unserer Sicht war, ist und bleibt es eine gewerbliche Tätigkeit der Verbraucherzentrale selbst, da sicherlich aus den Einnahmen eine unzulässige Quersubventionierung anderer Bereiche der Verbraucherzentrale erfolgt“, sagt der Partner der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte. Es sei auch wettbewerbswidrig, solange sich die Verbraucherzentrale nicht an die gewerberechtlichen Vorgaben halte.
„Diesen Zustand werden wir nicht mehr lange hinnehmen“, betont Wirth, zugleich geschäftsführender Vorstand des Bundesverbandes Finanzdienstleistung (AfW). An die Politik habe man das Thema oft genug adressiert. „Aber die Verbraucherzentralen sind ja immer die vermeintlich Guten“, so Wirth ironisch. Ihn wundert sehr, dass nicht längst die Versicherungsberater auf die Barrikaden gestiegen sind.
Wirths AfW hat schon einmal erfolgreich verhindert, dass nicht zugelassene Berater unter dem Deckmantel des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrages den registrierten Beratern unlautere Konkurrenz machen. Im Herbst 2013 entschied der Bundesgerichtshof (BGH): Die AOK Nordost darf ohne Registrierung nicht mehr private Krankenzusatz-Versicherungen anbieten, vermitteln oder bewerben (Az.: I ZR 183/12). Der BGH sah im Vorgehen der AOK einen Verstoß gegen Paragraf 34d GewO. Weder die AOK noch die einzelnen Mitarbeiter hatten eine solche Erlaubnis.
Steuerzahler zahlt für Handeln in rechtlicher Grauzone
Die AOK argumentierte damals vor Gericht, außerhalb der Gewerbeordnung zu stehen. Dies ergebe sich aus einer vorrangigen Regelung im Sozialgesetzbuch V. Der BGH sah das anders: Bei einer solchen Zusammenarbeit sind wettbewerbsrechtlich relevante Bestimmungen anzuwenden, insbesondere die gewerberechtlichen Vorschriften.
Das Argument der AOK, einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag zu haben und nicht gewerbsmäßig zu handeln, bringen auch die Verbraucherzentralen an. „Seit dem BGH-Urteil ist die Argumentation erst recht nicht mehr überzeugend“, meint Wirth. Der vom Gesetzgeber gewollte Verbraucherschutz werde eben nicht damit umgesetzt, dass man Steuergelder erhält und grundsätzlich Gutes tun will. „Solange die Verbraucherzentralen die Vorgaben der Gewerbeordnung nicht erfüllen, handeln sie illegal“, sagt Wirth.
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