Versicherungsmakler ist kein medizinischer Sachverständiger
Der Versicherungsnehmer will in dem Fall des OLG Braunschweig den Versicherungsmakler auf Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung von Pflichten aus dem bestehenden Maklervertrag in Anspruch nehmen. Der Versicherungsnehmer unterhielt eine Berufsunfähigkeitsversicherung bei einem Versicherer. 2015 wandte sich der Versicherungsnehmer an den Versicherungsmakler bezüglich eines Abschlusses einer neuen Berufsunfähigkeitsversicherung mit besseren Leistungen. Nachdem die bestehende Versicherungsgesellschaft einer Erhöhung der Versicherungsleistung abgelehnt hatte, stellte der Versicherungsnehmer mithilfe des Versicherungsmaklers einen Antrag auf Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung bei einem neuen Versicherer.
Der Versicherungsnehmer bejahte dem Antrag eine Gesundheitsfrage dahin gehend, dass er mehr als drei Wochen in den letzten fünf Jahren eine bestehende Arbeitsunfähigkeit hatte und gab diesbezüglich an: „Rückenschmerzen/Ibu 600, Bestrahlung 2014, keine Beschwerden mehr“. Der Versicherer forderte hierbei nähere Auskünfte und einen ärztlichen Bericht des behandelnden Arztes an.
Der Arztbericht nebst Fremdbefunden wurde über das Maklerbüro an den Versicherer gefaxt und kurze Zeit später noch einmal per E-Mail übersandt. Aus den Unterlagen geht hervor, dass der Versicherungsnehmer eine Handgelenksdistorsion erlitten hatte und unter einem Senkspreizfuß mit Fersenschmerzen litt sowie eine Fibromatose der Plantarfascie diagnostiziert worden war.
Kunde akzeptiert Ausschlussklauseln
Aufgrund der Unterlagen lehnte nunmehr auch der neue Versicherer die Eindeckung der Berufsunfähigkeit ab. Nach mehreren weiteren Versuchen die Berufsunfähigkeit bei einem Versicherer einzudecken, gelang es nunmehr dem Versicherungsnehmer in Kooperation mit dem Versicherungsmakler eine Berufsunfähigkeit bei der N-Versicherung Ende 2015 abzuschließen. Der Versicherungsnehmer bejahte die Frage nach Beschwerden oder Krankheiten der Knochen, Gelenke, Muskeln, Sehnen, Bändern sowie Wirbelsäule, Bandscheiben. Ebenfalls unterschrieb der Versicherungsnehmer zu dem folgenden Zusatz: „Nach der Risikoprüfung folgende Ausschlussklausel: Wirbelsäule wegen Muskelverspannungen, schellender Daumen rechts/Gelenkserkrankung. Diese Ausschlüsse werden vom Kunden akzeptiert.“
Der Versicherungsnehmer beantragte nun rückwirkend zum März 2016 Berufsunfähigkeitsrente, da er behauptet seinen Beruf als Postbote wegen starker Schmerzen im rechten Knie, die einem Bone Cruise zuzuordnen seien, nicht weiter ausüben könne. Die N-Versicherung erklärte nunmehr auf Grundlagen der hier vorliegenden ärztlichen Berichte den Rücktritt vom Vertrag sowie dessen Anfechtung wegen vorsätzlicher Verletzung der vertraglichen Anzeigepflicht.
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VN will Makler in Anspruch nehmen
Der Versicherungsnehmer nimmt nunmehr den Versicherungsmakler in Anspruch. Der Versicherungsnehmer führt hierbei aus, dass der Versicherungsmakler gegenüber der N-Versicherung den Befund eines Senkspreizfußes mit typischen Druckschmerz im linken oberen Sprunggelenk und einer Fibromatose der Plantarfascie arglistig verschwiegen habe. Hätte der Versicherungsmakler den Arztbericht auch an die N-Versicherung weitergeleitet, hätte diese den Versicherungsschutz abgelehnt und der Versicherungsnehmer hätte so seinen Versicherungsschutz bei der ursprünglichen Versicherung mit einer deutlich geringeren Berufsunfähigkeitsrente behalten.
Das OLG Braunschweig beabsichtigt, die zulässige Berufung aufgrund der fehlenden offensichtlichen Aussichten auf Erfolg zurückzuweisen. Nach Ansicht des OLG Braunschweig hat der Versicherungsnehmer weder einen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 63 VVG noch gem. §§ 675, 280 BGB. Demnach hatte der Versicherungsmakler seine Pflichten aus dem Versicherungsmaklervertrag nicht verletzt. Insbesondere war er nicht verpflichtet, den Arztbericht ohne ausdrückliche Anweisung dem Antrag auf Abschluss einer Versicherung bei der N-Versicherung beizufügen oder den Versicherungsnehmer auf die unvollständige Beantwortung der Gesundheitsfragen hinzuweisen. Wenngleich die Pflichten des Versicherungsmaklers weit gehen (BGH, Urteil vom 26.03.2014 – IV ZR 422/12), endet die Pflicht zur vertieften Aufklärung und Nachfrage dort, wo dem Makler die tatsächlichen Umstände durch für ihn nicht erkennbare unzutreffende Angaben des Versicherungsnehmers, die auch nicht auf eine dem Makler erkennbare Unsicherheit bei der Beantwortung zurückzuführen sind, verborgen bleiben.
Pflichten des Maklers
Allein der Umstand, dass ein Arztbericht nebst Anlagen im Büro des Versicherungsmaklers eingescannt und noch einmal per E-Mail übersandt worden ist, lässt nicht den sicheren Schluss zu, dass der Versicherungsmakler den Inhalt des Berichtes und der Anlagen durchgelesen hat. Es war auch nicht die Pflicht des Versicherungsnehmers die Unterlagen durchzulesen und zu prüfen, ob sie mit den Angaben des Versicherungsnehmers übereinstimmen. Der Versicherungsmakler konnte davon ausgehen, dass die an den Versicherungsnehmer gestellten Gesundheitsfragen wahrheitsgemäß beantwortet werden, nachdem dieser durch den Versicherungsmakler unstreitig darauf hingewiesen worden ist, dass diese vollständig wahrheitsgemäß zu beantworten sind.
Die Pflichten eines Versicherungsmaklers gehen weit. Sie enden allerdings dort, wo sie auf die ehrliche Mitarbeit des Versicherungsnehmers angewiesen sind. Der Versicherungsmakler hatte hierbei den Versicherungsnehmer mehrfach zur wahrheitsgemäßen Beantwortung der Gesundheitsfragen aufgefordert. Besonders bedeutsam war es im vorliegenden Fall, dass die Beratung seitens des Versicherungsmaklers vorbildlich dokumentiert worden ist, sodass es im vorliegenden Fall nicht zu einer Beweislastumkehr zulasten des Versicherungsmaklers gekommen ist. Es gilt auch hier wie so oft, dass eine saubere Dokumentation der Beratung den Vorwurf einer Pflichtverletzung am ehesten entkräften kann.
Zum Autor: Fabian Kosch ist Diplom-Jurist und für die Hamburger Kanzlei Michaelis tätig.
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