Vermittlerkartei AVAD: Fair oder reformbedürftig?

Die AVAD soll die Branche vor schwarzen Schafen schützen. Doch teilweise fühlen sich Vermittler von den negativen Einträgen der Versicherer zu Unrecht an den Pranger gestellt. Unsere Recherchen zeigen: Es kommt tatsächlich zu unangenehmen Falschmeldungen.

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14:03 Uhr | 30. März | 2021
Die AVAD verfolgt mit der Kontrolle unseriöser Vermittler ein wichtiges Anliegen der Versicherungsbranche. Manche Vertreter und Makler fühlen sich von den Versicherern aber fälschlicherweise an den Pranger gestellt – und das zu Recht. Bild: Adobe Stock/vc

Die AVAD verfolgt mit der Kontrolle unseriöser Vermittler ein wichtiges Anliegen der Versicherungsbranche. Manche Vertreter und Makler fühlen sich von den Versicherern aber fälschlicherweise an den Pranger gestellt – und das zu Recht. Bild: Adobe Stock/vchalup

Jeder Vermittler sollte die AVAD kennen. Schließlich wird bei der als Verein eingetragenen Auskunftsstelle über Versicherungs-/Bausparkassenaussendienst und Versicherungsmakler in Deutschland, kurz AVAD, fast jede neue Zusammenarbeit eines Vertreters oder Maklers mit einem Produktgeber registriert. Dies erfolgt über sogenannte Tätigkeitsmeldungen, zu denen auch jede Courtagezusage eines Maklers zählt.

Die Versicherer sind von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) angehalten, das AVAD-Verfahren in jedem Fall zu nutzen. Laut AVAD-Geschäftsführer Stefan Schwarz gingen im vergangenen Jahr 58.027 Tätigkeitsmeldungen bei seinem Verein ein. Die Marktabdeckung schätzt er als sehr hoch ein, genau wie der GDV, der die Auskunftsstelle als Mitglied fördert. „Nach unserer Kenntnis ist das maßgeblich für die internen Arbeitsabläufe der Versicherer“, bestätigte ein GDV-Sprecher auf procontra-Nachfrage.

Berufliches Fortkommen erschwert

Zu dem Verfahren gehören aber auch die sogenannten Auskünfte. Damit teilen Versicherer und Bausparkassen die Beendigung einer Zusammenarbeit mit einem Vertreter oder die Auflösung einer Courtagezusage mit einem Makler mit. Sie bleiben für rund drei Jahre gespeichert. Auch diese Informationen sollen die Unternehmen – nach dem Willen der Bafin – vor dem Zustandekommen einer neuen Kooperation prüfen. Das Problem: Enthalten die Auskünfte von Vermittlern Negativmerkmale wie zum Beispiel ungeordnete Vermögensverhältnisse oder gar Betrugsvorwürfe – der Versicherer hat ihm quasi ein schlechtes Zeugnis ausgestellt – könnte die Zusammenarbeit mit dem neuen Produktgeber scheitern.

„Sowohl der unmittelbar einem Versicherer unterstellte Vertreter als auch der über seine Courtage-Zusage von diesem mittelbar abhängige Makler muss einen solchen AVAD Eintrag fürchten, da somit ein Vertriebsvertrag-Partner es in der Hand hat, vermeidliche Negativ-Tatsachen zu kolportieren. Dies muss für jeden Berater, dessen Haupt-Kapital das Vertrauen darstellt, ein Alptraum sein“, so die Einschätzung von Rechtsanwalt Oliver Timmermann von der Kanzlei Michaelis.

Sehr oft würden deshalb Vermittler mit negativen AVAD-Auskünften auf die Hamburger Kanzlei zukommen, die auf Vermittlerrecht spezialisiert ist. Sie fühlen sich von den Versicherern zu Unrecht an den Pranger gestellt. Aber haben sie überhaupt eine Möglichkeit, sich gegen den negativen Eintrag zur Wehr zu setzen und diesen ändern beziehungsweise löschen zu lassen, sofern er nicht zutrifft?

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Zunächst einmal gilt es klarzustellen: Negative AVAD-Einträge führen keineswegs zu einem Kampf der Vermittlerlobby gegen die Versicherer. Vielmehr unterstützen die Berufsverbände von Vertretern und Maklern das Konzept der Auskunftsstelle.

„Versicherung insgesamt und gerade die Versicherungsvermittlung basiert auf Vertrauen. Die AVAD ist ein Instrument, um das Vertrauen in ordnungsgemäß arbeitende Vermittler aufrecht zu erhalten beziehungsweise zu fördern“, meint Dr. Hans-Georg Jenssen. Der geschäftsführende Vorstand des Bundesverbands Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) sitzt auch im Vorstand der AVAD, der BDVM ist Mitgliedsunternehmen.

Die Industrie- und Handelskammern als Aufsichtsbehörden könnten es laut Jenssen nicht leisten, auch regelmäßig die Solidität der Vermittler zu kontrollieren. Dass relativ viele Vermittler durch ungerechtfertigte negative AVAD-Auskünfte in ihrem beruflichen Fortkommen beeinträchtigt würden, glaubt der BDVM-Chef nicht. Vielmehr würde es nur die treffen, die wirklich Mist gebaut hätten, so Jenssen sinngemäß gegenüber procontra.

Sperrung möglich, aber…

So sieht man das auch beim Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), ebenfalls Mitgliedsunternehmen im AVAD-Verein. „Die leider häufig anzutreffende Ansicht ist also irreführend und falsch, dass es sich bei der AVAD um eine Art Bonitätsprüfstelle der Vermittler handelt. Die AVAD ist eine wichtige Institution, um die Kunden vor unseriös tätigen Vertriebsstrukturen zu schützen“, sagt BVK-Präsident Michael H. Heinz.

Sein Vizepräsident und AVAD-Vorstandsmitglied, Gerald Archangeli, erklärt: „Sollte ein Eintrag fehlerhaft sein und legt der betroffene Vermittler gegen einzelne Teile der Auskunft einen begründeten Einspruch entweder beim Unternehmen oder bei der AVAD ein, so werden diese Teile der Auskunft bis zur Klärung gesperrt. Sollten die Einwände des Vermittlers zutreffend sein, werden sie korrigiert.“

Eine solche Sperrung bleibt für anfragende Unternehmen allerdings sichtbar. „Allein der Umstand, dass ein Eintrag gesperrt ist, ist für Branchenkenner, Konkurrenten und andere Versicherer dann schon der Hinweis, dass ein negativer Eintrag bestehen muss“, erläutert Vermittler-Anwalt Timmermann. Doch auch in diesem Umstand sieht BDVM-Chef Jenssen einen Nutzen: „Dass eine Sperrung dann aber natürlich ein Signal setzt, ist ebenfalls völlig klar und in der Regel auch notwendig. Kündigt zum Beispiel ein Versicherer einem Agenten fristlos, weil dieser Kunden oder den Versicherer betrogen haben soll, und kommt es darüber zu einem Rechtsstreit, so kann es recht lange dauern, bis dann in dieser Sache ein Urteil gesprochen wird. Wäre die AVAD-Auskunft so lange völlig ‚blank‘, würde das Ziel der AVAD praktisch leerlaufen.“

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Warnungen vor unseriösen Vermittlern verhindern will Timmermann nicht. Vielmehr stört den Juristen die Ungleichverteilung der Kräfte. Vermittler wären den Einschätzungen der Versicherer ausgeliefert und könnten sich nur mühsam ihr Recht erkämpfen, während negative Einträge beziehungsweise Sperrungen mit jedem weiteren Tag ihres Bestehens Reputationsschäden hervorriefen.

In diesem Zusammenhang würde fälschlicherweise immer wieder ein Urteil des Hamburger Landgerichts aus dem Jahr 2010 zitiert (Az.: 312 O 367/09), wonach ‚der bloße Verdacht‘ des Versicherers für eine negative AVAD-Auskunft nicht ausreiche, so Timmermann. Laut dem Urteil müsse für eine solche Verdachtsmeldung zwar ein Mindestbestand an Beweisen recherchiert werden. Vereinfacht gesagt sei dieser Mindestbestand aber nicht mit dem hinreichenden Verdacht bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vergleichbar. Erst der hinreichende Verdacht führe zur Anklageerhebung. Der vorausgehende Anfangsverdacht führe lediglich zu einem Ermittlungsverfahren, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt werde. Aus Timmermanns Sicht findet die öffentliche „Anklageerhebung“ in Form einer negativen AVAD-Auskunft aber bereits auf dem Beweisniveau eines Anfangsverdachts statt.

„Wie soll dies eine privatrechtlich tätige Versicherung leisten, die selbstverständlich nur auf die ihr vorliegenden Unterlagen zurückgreift und gerade keine breitangelegte Ermittlung durchführen wird?“, fragt sich der Jurist.

Nachfragen und Erklären notwendig

Kommt es also in manchen Fällen fälschlicherweise zu negativen Auskünften über Vermittler? Das wäre für diese natürlich sehr ärgerlich, sofern es sie in ihrer Karriere bremst oder es ihnen erschwert, für sich und gegebenenfalls ihre Familien zu sorgen. Jenssen ordnet ein: „Unsere Erfahrung ist vielmehr, dass Versicherer bei einem prospektiven Vermittler durchaus nachfragen, warum ein Sperrvermerk vorhanden ist. Hier kann dann der Vermittler erklären, aus welchen Gründen seiner Auffassung nach, der Vermerk nicht richtig ist. Sonst wäre es ja auch nicht zu erklären, warum trotz derartiger Einträge solche Vermittler eine neue Anbindung zum Beispiel zu einem Versicherer erhalten.“

Diese Aussage des BDVM-Chefs impliziert allerdings, dass Versicherer negative AVAD-Auskünfte erstellen, die sich im Nachhinein als falsch herausstellen beziehungsweise von den betroffenen Vermittlern ins rechte Licht gerückt werden müssen.

Manchmal liegen die Versicherer falsch

Laut AVAD-Geschäftsführer Schwarz sind 2020 insgesamt 43.121 Auskünfte erstellt worden. Davon hätten 2.770 Negativmerkmale enthalten, das sind 6,4 Prozent. Viele davon seien aber durch negative Salden, beispielsweise auf den Provisionskonten, entstanden und wären schnell geklärt worden. Das sind dann keine Negativmeldungen im engeren Sinne, so Schwarz.

Gegen die Negativmeldungen wurden 128 Einsprüche eingelegt, wobei im Regelfall jeder Einspruch zu einer Sperrung führe. Stand 26. März 2021 seien noch 48 dieser Einsprüche aktiv gewesen. „Die restlichen 80 haben sich erledigt. Erledigung heißt aber keinesfalls nur, dass die Einsprüche immer begründet waren und die Auskünfte von den Unternehmen korrigiert werden mussten. Es kann auch schlicht bedeuten, dass der Einspruch verworfen wurde, weil das meldende Unternehmen die bestrittene Behauptung beweisen konnte. Im Jahre 2020 wurde kein Rechtsstreit gegen uns geführt, was schon verdeutlicht, dass es in den allermeisten Fällen wohl zu einer sachgerechten Lösung kommt“, erklärte der AVAD-Geschäftsführer gegenüber procontra.

Unter dem Strich leistet die AVAD offensichtlich einen wichtigen Beitrag dazu, die Branche von schwarzen Schafen zu befreien. Dabei kommt es aber offenbar auch zu einzelnen Falschmeldungen, die Vermittler in ihrem beruflichen Fortkommen hindern und sich anschließend nur mühsam wieder geradebiegen lassen. Diese in Zukunft komplett zu vermeiden, würde das System AVAD auf jeden Fall noch besser machen.  

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