Unfallversicherung

Neubemessung der Invalidität sollte gut überlegt sein

In der privaten Unfallversicherung kann die Invalidität in einem bestimmten Zeitraum neu bemessen werden – unter Umständen winkt dann eine höhere Invaliditätsleistung des Versicherers. Doch eine Neubemessung kann für den Versicherungsnehmer auch nach hinten losgehen, wie ein aktueller Fall des BGH zeigt.

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11:11 Uhr | 29. November | 2022
Unfallversicherung

In der Unfallversicherung können Versicherungsnehmer ihre Invalidität neu bemessen lassen – das sollte allerdings gut überlegt sein, wie ein Urteil des BGH zeigt.

| Quelle: Professional Studio

Für die Neubemessung der Invalidität in der privaten Unfallversicherung kann es mehrere Gründe geben. Bei manchen Kunden überwiegt die Unzufriedenheit mit der Erstbemessung und sie versuchen, diese mithilfe einer Neubewertung ihres Gesundheitszustands zu „korrigieren“. In anderen Fällen sind die körperlichen Einschränkungen unmittelbar nach dem Unfall eventuell nicht vollends zu erkennen, der Gesundheitszustand verschlechtert sich gegebenenfalls in den folgenden Monaten oder Jahren. Doch eine Neubemessung sollte gut überlegt sein. Wird hierbei nämlich ein besserer Gesundheitszustand festgestellt, kann der Versicherer Geld zurückfordern.

Über einen entsprechenden Fall hatte jüngst auch der Bundesgerichtshof (Az: IV ZR 257/21) zu urteilen. Jedoch wies der vorliegende Fall eine Besonderheit auf. Doch von Anfang an.  

Was war passiert?

Im August 2014 war ein Mann mit seinem Fahrrad gestürzt und hatte sich hierbei Verletzungen am Bein zugezogen. Die Leistungsprüfung durch den Versicherer ergab eine Invalidität in Höhe von 3/10 des Beinwertes. In Euro bedeutete dies eine Zahlung in Höhe von 13.356 Euro an den Versicherungsnehmer.   Dieser ließ im September 2017 eine Neubewertung seiner Invalidität vornehmen. Diese kam zu dem Ergebnis, dass lediglich eine Invalidität von 1/20 des Großzehenswert verblieb. Diese wäre mit einer Leistung von 159 Euro durch den Versicherer abgegolten worden – dieser verlangte darauf 13.197 Euro nebst Zinsen von dem Mann zurück. 

In den Versicherungsbedingungen war jedoch der folgende Passus enthalten:  

„Sie und wir sind berechtigt, den Grad der Invalidität jährlich, längstens bis zu drei Jahren nach dem Unfall … erneut ärztlich bemessen zu lassen. … Dieses Recht muss

von uns zusammen mit unserer Erklärung über unsere Leistungspflicht nach Ziffer 9.1    

von ihnen vor Ablauf der Frist ausgeübt werden.  

Ergibt die endgültige Bemessung eine höhere Invaliditätsleistung, als wir bereits erbracht haben, ist der Mehrbeitrag mit 5 Prozent jährlich zu verzinsen.“  

Der Versicherungsnehmer verweigerte die Rückzahlung, da sich der Versicherer die Neubemessung vorbehalten hatte. Mit dieser Auffassung hatte er zunächst auch vor dem Landgericht Köln Erfolg. Das OLG Köln urteilte anschließend aber zugunsten des Versicherers.

BGH schließt sich Vorinstanz an

Und dieser Auffassung schloss sich auch Deutschlands oberstes Zivilgericht an. So könne der Versicherer auch dann Teile seiner Invaliditätsleistung zurückverlangen, wenn nicht er, sondern der Versicherungsnehmer die erneute Invaliditätsprüfung initiiert hat.  

Der Mann hatte unter anderem argumentiert, dass besagte Klausel keinerlei Aussage über die Folgen für den Fall treffe, dass die erneute Gesundheitsprüfung eine geringere Invalidität als bei der Erstprüfung feststellt. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer könne aber erkennen, dass für die Bemessung seiner Invaliditätsleistung immer die zuletzt durchgeführte Invaliditätsprüfung maßgeblich ist, „und zwar unabhängig davon, wer diese beantragt hat“, befand der BGH. Selbst wenn sich der Versicherer keine erneute Invaliditätsprüfung vorbehalten hat, müsse der Versicherungsnehmer damit rechnen, dass die erneute Invaliditätsprüfung für ihn nachteilig ausfallen könne.  

Ob der Mann nun einen Großteil der erhaltenen Versicherungsleistung zurückzahlen muss, bleibt abzuwarten. Der BGH verwies den Fall nämlich zurück ans Kölner Oberlandesgericht. Dieses habe es versäumt zu prüfen, ob und inwieweit der Mann die Leistung nicht zurückzahlen müsse, da er sich nicht bereichert hat.