Streit um Unfallversicherungsklausel der Itzehoer
Immer wieder steht die Unfallversicherung in der Kritik – bemängelt wird oftmals, dass diese nur im Fall eines Unfalls, nicht aber bei Krankheiten leiste. Dass sich qualitativ in den vergangenen Jahren viel getan hat und etliche Tarife mittlerweile auch Infektionen oder Krankheiten miteinschließen, machte jüngst VEMA-Chef Hermann Hübner in einer Replik auf einen Artikel in der Capital deutlich. Dazu sollten Versicherungsnehmer jedoch genau die Versicherungsbedingungen lesen, wie nun ein aktuelles Urteil aus Schleswig-Holstein (Az: 5 O 206/19) deutlich macht.
Was war passiert?
Ein Mann hatte im Jahr 2018 eine private Unfallversicherung bei der Itzehoer abgeschlossen. Das abgeschlossene Versicherungspaket Extra-Plus, das dem Mann vom Versicherungsvertreter angeboten war, enthielt auch eine Sofortleistung in Höhe von 7.500 Euro bei schweren Krankheiten.
Diese Leistung wurde in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen jedoch merklich eingeschränkt. So wird laut A.3.1.1. der besonderen Bedingungen eine Leistung nur ausgezahlt bei:
Im Januar 2019 erlitt der Mann zwei Hörstürze, im Anschluss klagte er über Tinnitus und Schwindel. Ärzte stellten daraufhin einen Gehirntumor fest. Auf Anruf des Mannes bei seinem Versicherungsvertreter, bestätigte dieser die Sofortleistung bei schweren Krankheiten, verwies dann aber auf die Einschränkungen, von denen der Versicherungsnehmer laut eigenen Aussagen zum ersten Mal hörte.
So habe der Versicherungsvertreter zu keinem Zeitpunkt die Einschränkungen im Gespräch erwähnt – sonst hätte der Mann den besagten Zusatzbaustein nicht abgeschlossen. Die Versicherung bestritt diese Darstellung und verwies zudem auf die Vertragsbedingungen, die dem Mann zugeschickt worden seien. Die geforderten 7.500 Euro wollte die Itzehoer nicht zahlen, so dass der Fall vor Gericht landete.
Das Urteil
Das Landgericht Kiel schlug sich dabei auf die Seite des Versicherungsnehmers und wertete die Vertragsklausel im Sinne von § 305c BGB als überraschend und somit nicht als Bestandteil des Vertrages. So war dem Kunden im Beratungsgespräch der elfseitige Prospekt der Itzehoer vorgelegt worden, in dem allerdings kein Hinweis enthalten war, dass lediglich bestimmte Krankheiten besagte Sofortleistung auslösen. Der Hinweis, dass ein Hirntumor nicht vom Versicherungsschutz umfasst ist, fehlt ebenso wie Beispiele schwerer Krankheiten, die zumindest den Eindruck vermittelt hätten, es seien nicht alle Krankheiten vom Leistungsumfang umfasst.
Zwar fand sich ein Hinweis, dass für den Leistungsumfang die allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung maßgeblich sind. Diesen wertete das Landgericht aber als unzureichend: So war dieser zum einen in kleinerer Schrift gedruckt als der übrige Text, zum anderen lagen dem Versicherungsnehmer die Vertragsbedingungen zu diesem Zeitpunkt nicht vor.
Da andere Leistungen, beispielsweise nach einem Knochenbruch oder Zeckenbiss, im Prospekt genau aufgeführt wurden, entstand nach Auffassung des Gerichts beim Kunden der Eindruck, dass Einschränkungen bei schweren Erkrankungen ebenfalls explizit aufgeführt worden wären. Damit, dass die besagte Sofortleistung nur für bestimmte Krankheiten gezahlt wurde, war für den Kunden nicht zu rechnen.
Auch im ausgehändigten Beratungsprotokoll fand sich kein Hinweis auf Einschränkungen – nicht einmal die Leistungen des Extra-Plus-Paketes seien darin verzeichnet gewesen, monierten die Richter. Zu entnehmen war dem Protokoll lediglich, dass der Kunden sich für das besagte Paket entschieden habe.
Das Gericht verurteilte die Itzehoer letztlich dazu, dem Kunden die vereinbarte Versicherungssumme in Höhe von 7.500 Euro zu zahlen.
So geht es weiter
Ob er diese allerdings auch bekommt, bleibt weiter abzuwarten. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da die Itzehoer dagegen Berufung einlegte. "Aus unserer Sicht überzeugt die Auslegung des Gerichts nicht, denn aus den Versicherungsbedingungen ist der Versicherungsumfang klar ersichtlich", stellte Pressesprecher Thiess Johannssen auf procontra-Anfrage den Standpunkt der Itzehoer heraus. Das Unternehmen halte es für den Versicherungsnehmer für hinlänglich nachvollziehbar, "dass der Begriff ,schwere Erkrankung' in den Bedingungen Einschränkungen erfährt und nicht etwa durch eine individuelle und möglicherweise weit auseinandergehende Interpretation des Merkmals ,schwer' ersetzt werden kann."
Allerdings überprüfe das Unternehmen auch, ob die im Rahmen des Beratungsprozesses überreichten Unterlagen überarbeitet werden müssen, um den genauen Vertragsinhalt besser darstellen zu können.
Nun muss das OLG Schleswig Holstein über den Fall entscheiden – derzeit liegt dem Gericht jedoch noch keine Berufungsbegründung seitens der Itzehoer vor. Die Frist dafür läuft noch bis Ende des Monats.