PKV: Aktuare raten von Beitragsrückforderungen ab

Die Deutsche Aktuarvereinigung sieht für privat Krankenversicherte finanzielle Nachteile, wenn diese formell unwirksame Beitragserhöhungen auf dem Rechtsweg von ihren PKV-Anbietern zurückfordern. Die Klägerseite stellt hingegen eine andere Rechnung auf.

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13:04 Uhr | 14. April | 2021
Im Kampf um die Rückerstattung von PKV-Beiträgen gibt es für privat Krankenversicherte viel Für und Wider abzuwägen. Bild: Adobe Stock/snyGGG

Im Kampf um die Rückerstattung von PKV-Beiträgen gibt es für privat Krankenversicherte viel Für und Wider abzuwägen. Bild: Adobe Stock/snyGGG

Für privat Krankenversicherte klingt es erst einmal lukrativ: Tausende oder gar zehntausende Euro von ihrem PKV-Anbieter zurückerhalten. Allerdings nicht, weil der Krankenversicherer aus mathematischen Gründen zu viel Geld von ihnen verlangt hat. Denn die Kosten, welche die Beiträge decken sollen, sind tatsächlich vorhanden. Vielmehr ermöglichen Formfehler diese Rückerstattungen. Angefangen im Jahr 2017, weil manche Treuhänder nicht unabhängig genug vom Unternehmen agiert haben sollen. Aus dem vergangenen Jahr gibt es zudem ein BGH-Urteil zu Gunsten der Versicherungsnehmer, wonach die Beitragsanpassungen (BAP) der Axa nicht ausführlich genug begründet waren. Für die Kläger bedeutete das: Geld zurück.

Dass sich jedoch auch erfolgreiche Klagen dieser Art finanziell zu Lasten der privat Krankenversicherten auswirken können, betonte heute die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV). Zwar würden die Kunden dann Geld zurückerhalten und über einen gewissen Zeitraum weniger Prämien bezahlen. Die Ausgaben, beispielsweise für die medizinische Inflation würden aber unaufhaltsam steigen und dann erneut und umso deutlicher auf die Versicherten zurückfallen. „Somit wird die vermeintliche Ersparnis schnell zum Bumerang und die doppelte Lücke muss durch überproportional hohe Beitragssteigerungen mit der nächsten rechtswirksamen Prämienanpassung geschlossen werden“, erklärt Wiltrud Pekarek, Vorsitzende des Ausschusses Krankenversicherung der DAV.

BAP-Klagen als Belastung für das gesamte Versichertenkollektiv

Musterrechnungen der DAV würden zeigen, dass manche Verbraucher auf lange Sicht insgesamt sogar höhere Beiträge zu zahlen haben, wenn BAP rückabgewickelt werden. Hinzu kämen außerdem Steuernachforderungen, da die Kunden in der Folge der BAP-Rückerstattung zu hohe PKV-Ausgaben in ihren letzten Steuererklärungen angegeben hätten. PKV-Beiträge, die die Kunden jährlich aufgrund von Leistungsfreiheit zurückerhalten hätten, müssten ebenfalls nachgerechnet werden. Argumente, die kürzlich auch die Debeka potenziellen BAP-Klägern entgegengebracht hatte. Auch gegen den Marktführer in der privaten Krankenvollversicherung laufen Verfahren auf BAP-Rückerstattung.

Nicht zuletzt sollten die Versicherten auch bedenken, dass durch die von ihnen juristisch erzwungene Prämienreduzierung weniger Alterungsrückstellungen aufgebaut werden könnten, so Pekarek. Dies sei erstens zu ihrem ganz eigenen finanziellen Nachteil. Darüber hinaus würden diese aktuariell nicht begründbaren Beitragsrückabwicklungen die Überschüsse der Krankenversicherungsunternehmen und damit das gesamte Kollektiv belasten. Denn die Versicherer müssten ihre Gewinne mittels der Überschussbeteiligung fast komplett an ihre Kunden und Kundinnen weiterreichen. „Aus der Überschussbeteiligung werden beispielsweise Beitragserhöhungen insbesondere bei älteren Versicherten teilweise begrenzt. Dieser gesellschaftsrelevante Aspekt kommt leider in den öffentlichen und primär juristisch geprägten Diskussionen viel zu kurz“, meint Pekarek.

Pilz sieht weiterhin Vorteile für Kläger

„Hier alte und junge Versicherungsnehmer gegeneinander ‚auszuspielen‘ wird der Sache nicht gerecht“, findet Dr. Knut Pilz von der Berliner Kanzlei Pilz Wesser & Partner. Der Rechtsanwalt hat in den letzten Jahren schon viele solcher BAP-Verfahren gegen Versicherer geführt. Werde eine BAP für unwirksam erklärt, erhalte der Versicherungsnehmer einen deutlich höheren Betrag zurück, als tatsächlich in die Alterungsrückstellung geflossen sei, so Pilz heute gegenüber procontra.

Auch an der Formulierung der Versicherer, dass eine Rückzahlung der Beiträge nur dazu führt, dass die Prämie später „umso stärker angehoben wird", stört sich der Jurist. „Das ist nach der geltenden Gesetzeslage unzutreffend. Nach § 155 III Satz 1 VAG darf der Versicherer eine Prämienanpassung lediglich darauf stützen, dass die erforderlichen mit den einkalkulierten Versicherungsleistungen nicht mehr übereinstimmen. Das heißt, der Versicherer kann lediglich für die Zukunft die Versicherungsleistungen im Rahmen einer Prämienanpassung berücksichtigen“, sagt Pilz. Das hieße, etwaige Rückzahlungen müsse der Versicherer aus seinem Gewinn finanzieren und dürfe sie nicht eins zu eins wieder dem Kunden in Rechnung stellen.