Krankentagegeld: BaFin lässt Makler im Ungewissen

Versicherer können Krankentagegeld noch vor Leistungsbeginn herabsetzen. Um Klarstellung nach einem BGH-Urteil bat ein Makler die Hallesche, den PKV-Verband und die BaFin. Die Antwort der BaFin ist typisch und lässt Vermittler ratlos zurück.

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08:10 Uhr | 28. Oktober | 2019
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Im BaFin-Gebäude in Bonn sitzt die Banken- und Versicherungsaufsicht. Ergebnisse der Aufsichtstätigkeit werden häufig unter Verschluss gehalten. Bild: BaFin

Der Fall war etwas verzwickt. Ein langjähriger Unternehmer hatte Krankentagegeld (KTG) bei der Halleschen Krankenversicherung abgesichert. Der Versicherer wollte nach längerer Krankheit plötzlich alle Steuererklärungen seit der Selbständigkeit sehen. Die Einkommensverhältnisse darf der Versicherer zwar prüfen, aber rückwirkend über viele Jahre? Makler Frank Dietrich aus Potsdam intervenierte.

In den Musterbedingungen für die KTG 2009 des PKV-Verbandes (MB/KT 2009) hieß es sinngemäß, dass der Versicherer Tagegeld und Beitrag ab zweiten Monat herabsetzen kann, wenn er von einem gesunkenen Nettoeinkommen des Kunden erfährt - unabhängig davon, ob der Versicherungsfall eingetreten ist oder nicht. Diese Klausel hat der Bundesgerichtshof (BGH) aber wegen Intransparenz kassiert (Az.: IV ZR 44/15).

Die Richter verboten, dass einem Ofensetzermeister der Tagessatz von 100 auf 62 Euro gekürzt wurde, nachdem der Versicherer aus der Steuererklärung von einem gesunkenen Einkommen erfahren hatte. Es sei intransparent, wenn der Versicherer die Leistung unabhängig vom Eintritt des Versicherungsfalls einseitig für die Zukunft herabsetzen kann, ohne zugleich die Belange des Kunden hinreichend zu berücksichtigen.

BGH-Urteil mit Folgen für Transparenz

Der PKV-Verband änderte daraufhin 2017 die Klausel, ließ aber das Ganze unverändert weiter unter „MB/KT 2009“ laufen. Dabei werden als maßgebliches Nettoeinkommen eines Unternehmers in der Regel 80 Prozent des Gewinns angenommen. Sinkt das Einkommen im letzten abgelaufenen Kalenderjahr unter diese Grenze, muss der Versicherer informiert werden, um Beitrag und Leistung zu verringern.

Der BGH hatte in der Urteilsbegründung allerdings angemerkt, dass Änderung der Tarifbestimmungen unnötig sei. Daher wollte der Makler wissen, ob die Änderung der Bedingungen überhaupt rechtmäßig ist. PKV-Verband und Hallesche bejahten dies (procontra Print 4/19 berichtete). Der Makler wähnte sich dennoch in der Haftungssituation, für KTG-Kürzungen womöglich einstehen zu müssen. „Der Versicherer könnte mit der neuen Klausel, wenn er über Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen von einer Krankheit des Kunden erfährt, noch vor Leistungsbeginn eine Überprüfung der KTG-Höhe anstreben und die Leistung kürzen.“

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Keine Mitteilung, ob Versicherer rechtmäßig handeln

Daher fragte er bei der BaFin nach, die ihn jedoch abbügelte: Die BaFin nehme weder eine Rechtsberatung noch eine einzelfallspezifische Rechtsauslegung gegenüber Dritten vor. Daher hakte procontra noch einmal bei der BaFin nach, denn Makler als Sachwalter des Kunden benötigen eindeutige Rechtsauffassungen, um Verbraucher vernünftig beraten und Haftung vermeiden zu können.

Wichtige Fragen: Auf welcher Rechtsgrundlage wurde die Regelungslücke vom PKV-Verband vorgenommen? Müssten solche Musterbedingungen zudem nicht umbenannt werden, wenn eine gravierende Änderung eintritt? Hat die BaFin die Bedingungsänderung der Halleschen akzeptiert? Genügt es den gesetzlichen Anforderungen, wenn Änderungen in den Musterbedingungen den Kunden ausschließlich über das Kundenmagazin des Versicherers mitgeteilt werden?

Ausweichende Antworten auch auf procontra-Anfrage

Um es kurz zu machen: Wieder gab es keine klaren Antworten. Die Musterbedingungen des PKV-Verbandes seien unverbindlich und nicht gegenüber den Kunden der einzelnen Versicherer gültig. Eine Verpflichtung, Musterbedingungen nach Klausel-Austausch namentlich zu ändern, „wird nicht gesehen“, so eine BaFin-Sprecherin. Ob die BaFin die Bedingungsänderung der Halleschen akzeptiert hat, wird nicht beantwortet. Im Gegenteil: „Wir dürfen uns zu einzelnen Versicherungsunternehmen aus Verschwiegenheitsgründen nicht äußern.“ Hier beruft sich die Behörde regelmäßig auf Paragraf 309 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG). Dort ist vor allem die namentliche Nennung von Unternehmen untersagt.

Die dem Makler seinerzeit erteilte Auskunft entspreche dem üblichen Vorgehen der BaFin in vergleichbaren Fällen. „Jedem Verbraucher steht jedoch das Beschwerdeverfahren zu konkreten Versicherungsverträgen offen“, heißt es weiter. Soll wohl heißen: Wenn ein Makler mehr wissen möchte, muss er seinen Kunden mit einer Beschwerde bei der BaFin vorschicken.

Dank der BaFin für Hinweis, aber keine Antworten

Gleichwohl bedankte sich die Sprecherin für die Hinweise zum Vorgehen der Halleschen im Hinblick auf das BGH-Urteil sowie bezüglich der Art der Kundeninformation per Kundenzeitschrift. „Dazu, ob und gegebenenfalls welche aufsichtsrechtlichen Maßnahmen wir hiernach einleiten, dürfen wir aus Verschwiegenheitsgründen keine Aussage treffen.“ Wer also vermeintliche Missstände an die BaFin weiterleitet, erfährt nicht, ob der Missstand beseitigt wurde oder nicht. Intransparenter geht es kaum, obwohl kollektiver Verbraucherschutz Ziel der Aufsicht sein soll.

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