BGH: Wann das ewige Widerrufsrecht trotz fehlerhafter Belehrung nicht greift

Wenn die gezahlten Beiträge den Rückkaufswert übersteigen, suchen Lebensversicherte immer wieder ihr Heil im ewigen Widerrufsrecht. Doch wie der Bundesgerichtshof nun entschied, führt nicht jede fehlerhafte Formulierung zur Rückabwicklung.

Author_image
15:03 Uhr | 01. März | 2021
Nicht jede fehlerhafte Formulierung in der Widerspruchsbelehrung einer Lebensversicherung öffnet automatisch das Tor zum ewigen Widerrufsrecht, urteilte nun der BGH. Bild: BGH

Nicht jede fehlerhafte Formulierung in der Widerspruchsbelehrung einer Lebensversicherung öffnet automatisch das Tor zum ewigen Widerrufsrecht, urteilte nun der BGH. Bild: BGH

Immer wieder sorgt das sogenannte ewige Widerrufsrecht für Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Versicherungsunternehmen. Schließlich können die Inhaber der Policen auf der Grundlage damals fehlerhaft ausgestellter Widerspruchsbelehrungen („Policenmodell“) ihre Lebensversicherungen auch Jahre nach dem Vertragsschluss noch rückabwickeln lassen. Das kann lukrativer sein als der Rückkaufswert. Einige junge Unternehmen haben daraus ein Geschäftsmodell gemacht. Zudem greift das ewige Widerrufsrecht teilweise auch bei Darlehensverträgen mit Banken.

Allerdings setzen Gerichte den Rückabwicklungen, die stellenweise über zehn Jahre nach Vertragsschluss erfolgen sollen, auch immer wieder Grenzen. So nun auch vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Ein Mann hatte im Dezember 2004 eine private Rentenversicherung abgeschlossen. Im September 2017 erklärte er seinen Widerspruch, hilfsweise die Kündigung. Der Lebensversicherer wies den Anspruch auf Rückabwicklung zurück und zahlte ihm stattdessen den Rückkaufswert aus. Daraufhin zog der Mann zunächst vor das Kölner Amtsgericht und anschließend in Revision auch vor das Landgericht und forderte die Differenz zwischen Rückkaufswert und geleisteten Beiträgen zuzüglich Zinsen.

Sein Hauptangriffspunkt war dabei ein inhaltlicher Fehler in der Widerrufsbelehrung des Versicherers. Dort wurde im Falle der Insolvenz des Versicherers lediglich die Protektor Lebensversicherung AG als Absicherung für die Kundengelder genannt. Die Frage, ob der Lebensversicherer des Mannes auch einem Sicherungsfonds angehöre, der im Falle einer Pleite die Kundengelder garantieren würde, wurde verneint. Dabei habe es sich aber aus Sicht des Klägers um eine falsche Information gehandelt, da laut § 124 VAG alle Lebensversicherer seit Dezember 2004 einem solchen Sicherungsfonds angehören mussten. Das Schreiben des Versichers war zum Zeitpunkt der Zustellung aber offenbar noch nicht aktualisiert worden.

BGH sieht „ausschließlich vorteilhafte Abweichung“

Dieser Interpretation einer fehlerhaften Widerspruchsbelehrung konnte der BGH jedoch nicht zustimmen (Urteil vom 10.02.2021; Az.: IV ZR 32/20). Zunächst einmal sei die Belehrung an sich ordnungsgemäß. Sie habe mit der Bezeichnung „Zugang des Versicherungsscheins einschließlich Anlagen" verdeutlicht, dass es neben der Überlassung des Versicherungsscheins noch weiterer Unterlagen bedürfe, um die Widerspruchsfrist in Gang zu setzen.

Was die fehlende Information zum Sicherungsfonds anbelangt, so erkannten die Richter eine Falschangabe, „die offenkundig für die Entscheidung, sich vertraglich zu binden, keine Rolle spielen könne“. Denn der Mann habe den Vertrag in dem Bewusstsein geschlossen, dass kein Sicherungsfonds vorhanden sei. Wenn tatsächlich aber ein solcher bestehe, stelle dies eine ausschließlich vorteilhafte Abweichung dar. Es könne aus diesem Grund ausgeschlossen werden, dass der Kläger bei Kenntnis vom Bestehen eines Sicherungsfonds vom Vertragsschluss abgesehen oder dem Vertragsschluss widersprochen hätte. Damit habe die Frist ab Erhalt des Versicherungsscheins zu laufen begonnen und sei längst verstrichen. Somit lehnte der BGH alle weiteren Ansprüche des Mannes ab.