In seiner wöchentlichen FAZ-Kolumne hatte Finanzanalytiker Volker Looman aus Berlin vor geraumer Zeit auch die steuerlichen Wirkungen der Betriebsrente aufgezeigt, wenn die Firma dem Arbeitnehmer zum Rentenstart die Wahl einer lebenslangen Monatsrente, eine Einmalzahlung oder eine Kombination aus beidem bietet. Faustregel: Bei der lebenslangen Betriebsrente fällt tendenziell die geringste Einkommensteuer an, bei der Einmalzahlung die höchste.
Probleme mit dem Finanzamt gibt es immer wieder bei Einmalauszahlungen, die im Jahr der Auszahlung bei der Einkommensteuer voll ins Kontor schlagen. Die bAV ist bekanntlich zu 100 Prozent steuerpflichtig (außer pauschal besteuerte Direktversicherungen). Um den Steuereffekt zu mildern, gibt es die sogenannte Fünftel-Regelung, mit der die Einmalzahlung in der Steuerberechnung gleichmäßig auf fünf Jahre verteilt wird (nach Paragraf 34 EStG). Bei außerordentlichen Einkünften ab 55 Jahren beträgt der Steuersatz nur 14 bis 56 Prozent – statt 100 Prozent.
Die Krux mit der Fünftel-Regelung
Das Finanzamt stellt sich bei der Fünftel-Regelung in Sachen Betriebsrente meist quer und bestreitet, dass es sich bei der Einmalzahlung um außerordentliche Einkünfte handelt, die ermäßigt zu besteuern wären. Dagegen wehrte sich ein früherer Arbeitnehmer. In letzter Instanz gab der Bundesfinanzhof (BFH) ihm mit Urteil vom 23. April 2021 Recht (Az.: IX R 3/20). Darüber informiert der Fach-Newsletter „bAV heute“ der Stuttgarter Lebensversicherung.
Aus dem Urteil lässt sich jedoch kein Anspruch auf eine Fünftel-Regel für alle Einmalauszahlungen oder Teil-Auszahlungen von Betriebsrenten ableiten. Denn der Fall war knifflig und verschachtelt. Ein Konzern hatte mit einer Betriebsvereinbarung eine Direktzusage aus zwei Bausteinen eingerichtet: ein arbeitgeberfinanziertes Basiskonto und ein Aufbaukonto, wo der Mitarbeiter freiwillig durch Entgeltumwandlungen ansparen kann. Zum Rentenbeginn sind Kapitalzahlung oder auf Antrag des Mitarbeiters auch bis zu zehn Teilauszahlungen, eine lebenslange Rente oder in einer Kombination aus beidem möglich.
Finanzamt vom BFH ausgebremst
Der Arbeitnehmer hatte Entgelt zugunsten des Aufbaukontos umgewandelt und schied schon vor Rentenbeginn mit über 360.000 Euro Abfindung aus. Davon zahlte er 120.000 Euro durch Entgeltumwandlung in das bAV-Aufbaukonto ein. Der Arbeitgeber bescheinigte ihm 240.000 Euro ermäßigt zu besteuernden Arbeitslohn für mehrere Jahre. Die 120.000 Euro nahm das Finanzamt wegen Entgeltumwandlung von der Besteuerung aus (nach Paragraf 3 Nr. 63 EStG).
Zwei Jahre später wurde das Guthaben des Aufbaukontos in Höhe von rund 144.000 Euro als Einmalbetrag ausbezahlt. Daneben erhielt er vom früheren Arbeitgeber noch vier Jahre Überbrückungsgeld aus der Vereinbarung zum Basiskonto wegen voller Erwerbsminderung. Den Antrag auf ermäßigte Besteuerung lehnte das Finanzamt ab, da bei einer Kapitalauszahlung Paragraf 34 EStG nicht anwendbar sei. Im Fall von Teilkapitalauszahlungen in mehreren Jahren sei der Tatbestand der Zusammenballung nicht erfüllt. Begründung: Die Auszahlung des Überbrückungsgelds aus dem Basiskonto sperrt die Anwendung des Paragrafen 34 auf die Auszahlung des Aufbaukontos.
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Unterschiedliche Ansprüche getrennt zu behandeln
Der Fall landete beim BFH. Zu prüfen war, ob Einkünfte aus mehrjähriger Tätigkeit vorliegen und ob es sich dabei um außerordentliche Einkünfte handelt. Zusätzlich wurde untersucht, ob keine willkürliche und damit missbräuchliche Zusammenballung der Einkünfte, also ob eine Verbindung aufgrund wirtschaftlich vernünftiger Gründe besteht.
Dabei differenzierte der BFH zwischen Zahlungen aus dem Basiskonto (Überbrückungsgeld) und der Auszahlung des Aufbaukontos, da es sich um zwei selbstständige und von den Vertragspartnern getrennt behandelte Ansprüche handele. Damit sei nicht von einer Teilkapitalauszahlung eines einheitlichen Vertrags auszugehen, so das Gericht.
Die Entscheidung ist spannend – auch mit Blick auf Abfindungen für Arbeitnehmer ab 55:
Ermäßigte Steuer bei mehreren Versorgungsansprüchen
Die Anwendung der ermäßigten Besteuerung erhält eine weitere wichtige Facette, die für viele Arbeitnehmer bedeutsam sein kann. „Denn häufig gibt es mindestens zwei Versorgungsansprüche, nämlich arbeitgeber- und arbeitnehmerfinanzierte“, sagt Henriette Meissner.
„Dass der BFH nun jeden Rechtsanspruch gesondert betrachtet, eröffnet in den Fällen, in denen die sonstigen Voraussetzungen des Paragrafen 34 EStG erfüllt sind, Spielräume“, so die Geschäftsführerin der Stuttgarter Vorsorge-Management GmbH und Generalbevollmächtigte für bAV der Stuttgarter Lebensversicherung weiter. Ihr Fazit: Bei Ausgestaltung und Auszahlung von Versorgungszusagen sollte die feingliedrigere Rechtsprechung zum Paragrafen 34 EStG sorgfältig beachtet werden.
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