Versicherungspflicht gescheitert

Wann kommt die Flut?

Die Gefahr verheerender Naturkatastrophen steigt, doch die Bundesregierung will im Hinblick auf eine mögliche Pflichtversicherung keine Entscheidung treffen. Das wird sich rächen, glaubt procontra-Redakteur Martin Thaler.

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13:12 Uhr | 09. Dezember | 2022
Martin Thaler Bild: procontra

Die Politik duckt sich weg, anstatt eine Entscheidung zu fällen, findet procontra-Redakteur Martin Thaler im Bezug auf den Verzicht auf eine Versicheerungspflicht für Hausbesitzer. Bild: procontra

Pünktlich zum Tag des deutschlandweiten Probealarms hat sich auch die Bundesregierung zum Thema Elementarpflichtversicherung geäußert. Allerdings anders als allgemein erwartet worden war. Eine Versicherungspflicht wird es nicht geben – Justizminister Frank Buschmann schob entsprechenden Plänen einen Riegel vor. Selbst NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst kam auf der an die Ministerpräsidentenkonferenz anschließende Pressekonferenz nicht umhin, seine Verwunderung zu verbergen.  

Eigentlich waren sich die Ministerpräsidenten der Länder und Bundeskanzler Olaf Scholz im Sommer einig gewesen über die Einführung einer Elementarpflichtversicherung gewesen. Zu schwerwiegend waren die Schäden im Sommer 2021 gewesen, als nach der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mehr als 180 Menschen ertrunken und Tausende Häuser schwer beschädigt oder gleich ganz zerstört wurden. Wie schwerwiegend die Schäden damals ausfielen, zeigt ein Blick in den aktuellen Branchenmonitor der V.E.R.S Leipzig. Viele Wohngebäudeversicherer rutschten tief in die roten Zahlen – die Provinzial weist für 2021 gar eine Combined Ratio von über 200 Prozent auf.  

Stillstand statt Fortschritt

Doch viele der damals Betroffenen verfügten über keine Versicherung – wieder einmal musste aufgrund der verstörenden Bilder aus dem Katastrophengebiet der Staat einspringen. Künftig sollten Hausbesitzer verpflichtend eine Wohngebäudeversicherung abschließen müssen, lautete die Idee, für die vor allem die Bundesländer trommelten. Selbst die bei vorherigen Debatten vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken waren auf einmal ausgeräumt.  

Nun aber ….. passiert mal wieder nichts. Die Gründe dafür sind jedoch nicht juristischer Natur, wie man vielleicht hätte vermuten können, sondern politischer. „In einer Zeit höchster finanzieller Belastungen privater Haushalte sollten wir von allem die Finger lassen, was Wohnen und Leben in Deutschland noch teurer macht“, heißt es vom FDP-Politiker auf procontra-Nachfrage.    

„Es wäre in der gegenwärtigen gesamtwirtschaftlichen Lage unangebracht, den Wohngebäudeeigentümern noch mehr Kosten aufzubürden. Diese würden zudem an die Mieterinnen und Mieter durchgereicht werden“, führt Buschmann weiter aus. Das Hausbesitzer wie alle anderen Deutschen derzeit unter deftigen Preiserhöhungen für Energie, Strom und Lebensmittel zu leiden haben, ist unbestritten.  

Dennoch fährt die Politik hier wieder einmal nur auf Sicht und orientiert sich – wie auch nach der Flut – an der momentanen Gemütslage. Dass es für Hausbesitzer nämlich wesentlich teurer werden dürfte, wenn nach dem nächsten Starkregen das Wohnzimmer unter Wasser steht, bleibt unausgesprochen.  

Weiter so

Anstatt, dass der Staat hier Verantwortung übernimmt und eine allgemein gültige Regelung für alle trifft, wird die Verantwortung an die Immobilienbesitzer weitergereicht. Man wolle mit Aufklärungskampagnen die Hausbesitzer dafür sensibilisieren, dass der Staat künftig nicht mehr unbegrenzt für Schäden haften werde, erläutert Buschmann. Statt einer klaren Entscheidung gibt es vom Staat nur ein „weiter so“. Dabei lief es bislang alles andere als gut.  

So hatten die Aufklärungskampagnen, die zu mehr Prävention oder zum Abschluss einer Elementarversicherung aufrufen, bislang nur begrenzten Erfolg. Gerade einmal die Hälfte aller Hausbewohner hat entsprechend vorgesorgt – teils, weil sie keine Police zu bezahlbaren Preisen bekommen, teils, weil sie das Risiko für sich als zu gering einstufen. Ein Irrglaube.  

Letztlich wird doch wieder der Staat in die Bresche springen müssen – vor allem dann, wenn die Wählergunst es gebietet. Die Entscheidung, keine Entscheidung zu treffen, wird dem Staat somit letztlich wieder auf die Füße fallen.

Im kommenden Jahr will man das Thema erneut debattieren, erklärte NRW-Ministerpräsident Wüst. Die finanzielle Situation der Deutschen dürfte dann aber kaum besser aussehen – ob dann also eine bundesweite Regelung getroffen werden kann, ist äußerst fraglich.

Alternativ könnten auch einzelne Bundesländer die Initiative ergreifen. „Sollten die Bundesländer eine Pflichtversicherung wünschen und für richtig halten, wäre die Einführung ihnen rechtlich möglich. Die Gesetzgebungskompetenz dafür haben sie nach dem Grundgesetz, soweit der Bund selbst keine Regelung getroffen hat“, teilt der Bundesjustizminister mit.  

Man kann nur hoffen, dass diese zumindest zur Tat schreiten – am besten eingebettet, wie vom Versichererverband GDV gefordert, in weitere Vorsorge- und Schutzmaßnahmen. Denn eines ist sicher: Die nächste Flut kommt bestimmt.