Prognose von IW-Ökonomen

So entlastet eine höhere Beitragsbemessungsgrenze die GKV

Um die milliardenschwere Finanzierungslücke in der GKV zu schließen, sprießen derzeit mehrere Vorschläge aus dem Boden. Nun haben Ökonomen ausgerechnet, wie viel zusätzliche Einnahmen eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze mit sich brächte.

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14:06 Uhr | 06. Juni | 2023
Stabhochsprung

Welchen Effekt hätte eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze auf die Finanzsituation in der GKV?

| Quelle: z_wei

Das Finanzierungsdefizit in der GKV ist bekanntermaßen enorm: Im Juli 2022 rechnete das Bundesgesundheitsministerium mit einer Finanzierungslücke von 17 Milliarden Euro in diesem Jahr. Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz sollte diese unter anderem mit einer Anhebung der Beiträge kurzfristig schließen. Doch schon jetzt ist klar, dass das Maßnahmenpaket nicht ausreichen wird. SPD und Grüne fordern deshalb nun eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze. Die Grenze, bis zu der Kassenpatienten Beiträge zahlen müssen, liegt aktuell bei einem Bruttolohn von knapp 5.000 Euro.

Drei verschiedene Szenarien

Wie würde sich eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze auf die Beitragseinnahmen in der GKV auswirken? Das hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) nun in einer Studie von den beiden Ökonomen Jochen Pimpertz und Maximilian Stockhausen berechnen lassen. Für die Studie zogen die Autoren Daten des Sozio-oekonomischen Panels aus dem Jahr 2019 heran und rechneten sie auf das Jahr 2023 hoch; dabei unterstellten sie, dass es „zu keiner Verhaltensanpassung“ kommt, Versicherte also beispielsweise nicht in die private Krankenversicherung wechseln. Für folgende unterschiedlich hohe Bemessungsgrenzen simulierten die Autoren Effekte:

  • Hätte der Bund die Beitragsbemessungsgrenze im Jahr 2019 auf das Niveau der damals gültigen Versicherungspflichtgrenze angehoben (auf 5.000 Euro pro Monat abgerundet), wären der GKV dadurch etwa 5,1 Milliarden Euro zusätzlich beschert worden, die Beitragseinnahmen wären um 2,2 Prozent gestiegen. Arbeitnehmern ist es oberhalb der Versicherungspflichtgrenze möglich, sich privat zu versichern.

  • Das zweite Szenario: Bei einer Anhebung der Bemessungsgrenze um das
    1,5-Fache, läge das Beitragsplus in der GKV bei 6,7 Prozent.  

  • Zuletzt legten die Ökonomen ihrer Berechnung eine extreme Variante zugrunde. So würden sich bei einer Verdoppelung der Bemessungsgrenze die Einnahmen um 8,8 Prozent oder 20,9 Milliarden Euro erhöhen.

Anschließend fügen die Studienautoren an: Eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze sei nur geeignet, um „einmalig das drohende Defizit zu schließen“. Eine nachhaltige Finanzierung gelinge nicht, die „Ausgabendynamik in der GKV“ werde dadurch „nicht diszipliniert“. Denn kurzfristig höhere Einnahmen könnten nicht dabei helfen, den seit Jahrzehnten bestehenden, überproportional starken Anstieg der GKV-Ausgaben zu bremsen.

Bemessungsgrenze dürften 2024 steigen

Aktuell wird in der Regierung über ein neues GKV-Finanzierungskonzept beraten, ursprünglich hätte das Bundesgesundheitsministerium dazu bis 31. Mai Empfehlungen vorlegen sollen. Abgesehen von den Prognosen der IW-Ökonomen könnte die Beitragsbemessungsgrenze im kommenden Jahr ohnehin merklich steigen, da sie an die Lohnentwicklung gekoppelt ist. Laut Statistischem Bundesamt stiegen die Löhne 2022 um 2,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Daher dürfte die Bemessungsgrenze 2024 bei mehr als 5.100 Euro Bruttomonatslohn liegen.

Zuletzt hatte ein anderer Vorschlag zur Stabilisierung der prekären Situation in der GKV hohe Wellen geschlagen. IKK-Chef Ralf Hermes brachte in der vergangenen Woche Leistungskürzungen beim Thema Zahnersatz ins Spiel. „Der Lage angemessen wäre es, die komplette zahnärztliche Versorgung aus dem Leistungskatalog zu streichen“, sagte er im „Handelsblatt“.