Rechtsschutz

Rechtsschutzversicherer reagieren gelassen auf BAG-Urteil

Urlaubstage können nicht mehr verfallen, wenn der Chef nicht ausdrücklich darauf hinweist. Das arbeitnehmerfreundliche Urteil des Bundesarbeitsgerichts könnte viele Angestellten dazu verleiten, verfallene Urlaubstage einzufordern. Die Versicher erwarten allerdings kein deutlich höheres Klageaufkommen durch den Urteilsspruch.

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12:12 Uhr | 22. Dezember | 2022
Bundesarbeitsgericht

Ein Urteil des Bundesarbeitsgericht kann Auswirkungen auf viele Arbeitnehmer haben – die Rechtsschutzversicherer sehen dadurch aber kein besonders erhöhtes Klageaufkommen auf sich zukommen.

| Quelle: BAG

Wer vergessen hat, seinen Urlaub zu nehmen, muss nun nicht mehr befürchten, dass dieser automatisch verfällt. Dies bestätigte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Urteil diese Woche. Auch die bislang geltende dreijährige Verjährungsgrenze entfällt. Nur wenn der Arbeitgeber seine Mitarbeiter vorher vor einer Verjährung warnt und ihnen die Möglichkeit gibt, den Urlaub auch anzutreten, kann dieser verfallen.

Insbesondere für Arbeitnehmer, die aufgrund einer sehr hohen Arbeitsbelastung nicht dazu kommen, Urlaub zu nehmen, stellt das Urteil eine echte Erleichterung dar. Geklagt hatte in dem vor dem Bundesarbeitsgericht verhandelten Fall eine Steuerfachangestellte aus Nordrhein-Westfalen, die sage und schreibe 101 Urlaubstage nicht hatte nehmen können, da es ihre viele Arbeit einfach nicht zuließ.  

Auch andere Arbeitnehmer können nun freie Tage, die sie womöglich vor Jahrzehnten nicht genommen haben, einklagen. Gerade gegenüber ehemaligen Arbeitgebern dürften die Hemmungen gering sein, entsprechende Forderungen vorzubringen.  

Wieviele Arbeitnehmer sind betroffen?

Die Zahl der Betroffenen könnte hoch ausfallen. So verweist „Der Spiegel“ auf eine um die Jahrtausendwende stattgefundene Auswertung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, wonach 30 Prozent der Befragten damals Urlaubstage verfallen ließen – vor allem bei jüngeren Erwerbstätigen sowie bei Höherqualifizierten war dies feststellbar. Mittlerweile scheint die Bereitschaft der Deutschen, auf Urlaubstage zu verzichten, jedoch weitaus weniger ausgeprägt zu sein.

Droht den Rechtsschutzversicherern nach dem Diesel-Skandal damit die nächste Klagewelle? Für die Branche wäre das eine sehr unerfreuliche Entwicklung – schließlich war die Combined-Ratio 2021 wieder unter 100 Prozent (95,99) gefallen, nachdem 2020 die Branche rote Zahlen geschrieben hatte. Bei den Anbietern sieht man die Auswirkungen durch das BAG-Urteil allerdings gelassen. Bei Roland Rechtsschutz, mit Beitragseinnahmen von 505 Millionen Euro im Jahr 2021 die Nummer 3 am Markt, geht man nicht von einer Klageflut aus. „Unserer Auffassung nach ist es sicher nicht der Regelfall, dass sich über Jahre so viele Urlaubstage anhäufen. Außerdem ist auch nicht davon auszugehen, dass viele Arbeitsnehmer direkt den Rechtsweg gegen ihren Arbeitgeber bestreiten wollen“, teilt ein Sprecher auf procontra-Nachfrage mit.

Mehr Rechtssicherheit durch Urteil?

Auch beim Marktführer Arag (Beitragseinnahmen 2021: 753 Millionen Euro) rechnet man nicht mit einer größeren Zunahme von Rechtsschutzfällen. Beim Schadenaufwand werde auf keinen Fall das Niveau des sogenannten Diesel-Skandals erreicht. Der Dieselskandal gilt für die deutschen Rechtsschutzversicherer als größter Schadenfall ihrer Geschichte. Bis Ende Oktober dieses Jahres hatten rund 413.000 Kunden ihre Rechtsschutzversicherung in Anspruch genommen, informierte im November der Versichererverband GDV. Für Prozesskosten mussten die Versicherer bislang bereits knapp 1,5 Milliarden Euro hinlegen.  

Das ist beim BAG-Urteil nicht zu erwarten. Bei der Arag geht man sogar davon aus, dass der Richterspruch eventuell zu weniger Klagen führen könnte. „Rund um die Verjährung von Urlaubsansprüchen gab es schon immer Fälle und es ist möglich, dass hier die Entscheidung sogar zu mehr Rechtssicherheit führen kann.“