Von zehn auf 200 Milliarden Euro bis 2035

Bund will Aktienrente massiv ausbauen

Ursprünglich waren zehn Milliarden Euro als Kapitalstock für die Aktienrente geplant. Das Volumen soll nun erheblich steigen. Bleibt die Frage, inwiefern die Pläne mit der Schuldenbremse vereinbar sind?

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16:08 Uhr | 07. August | 2023
Hubertus Heil, Robert Habeck, Christian Lindner

Das Volumen des Generationenkapitals soll nach Plänen des Finanz- und Arbeitsministeriums massiv angehoben werden. Bis 2025 sollen 200 Milliarden Euro in die Aktienrente fließen. Die Finanzierung des Kapitalstocks kritisierten zuletzt die Grünen scharf.

| Quelle: sean gallup/staff

Ein immer wieder – durchaus zurecht – bemühter Kritikpunkt an der Aktienrente entzündete sich bislang an der Summe. Die avisierten zehn Milliarden Euro als Grundstock werden bei weitem nicht ausreichen, um die gesetzliche Rente in den kommenden Jahren zu stabilisieren. Darüber sind sich Experten einig und das weiß auch Finanzminister Christian Lindner. Deswegen hat er bereits zu Beginn des Jahres als Zielbetrag perspektivisch einen dreistelligen Milliardenbetrag ins Spiel gebracht. Diese Pläne sind nun offenbar weiter gediehen. Demnach wollen Finanz- und Arbeitsministerium im kommenden Jahr bereits zwölf Milliarden Euro in das sogenannte Generationenkapital stecken. Das berichtet das Handelsblatt unter Verweis auf Regierungskreise.  

Pro Jahr solle diese Summe dann um drei Prozent pro Jahr schrittweise erhöht werden, so dass im Jahr 2035 das Volumen bei 200 Milliarden Euro liegen könnte. Finanziert werden soll das Generationenkapital über ein Darlehen des Bundes. Darüber hinaus sollen in den kommenden fünf Jahren weitere 15 Milliarden Euro zusätzlich als Vermögenswerte des Bundes in das Kapital fließen. Welche genau das sind, ob also beispielsweise Post- oder Telekom-Aktien, will das BMF angesichts der noch laufenden Abstimmungen nicht kommentieren.

Die Finanzierung des Generationenkapitals kritisierten zuletzt die Grünen scharf. Markus Kurth, rentenpolitischer Sprecher der Grünen, monierte, das Konzept werfe verfassungsrechtliche Fragen auf. Ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags könnte den Grünenpolitiker bestätigen. Weil die Aktienrente nach bisherigem Entwurf nämlich keine eigenen Sachaufgaben erfülle, sondern Finanzierungsaufgaben des Bundes übernehme, könnte sie der Schuldenbremse zum Opfer fallen. Das sieht man beim BMF etwas anders: „Bei der darlehensfinanzierten Zuführung zum Kapitalstock würde es sich um eine sogenannte finanzielle Transaktion im Sinne des Grundgesetzes handeln, die das Finanzvermögen des Bundes nicht verändern und daher nicht auf die Einhaltung der Kreditgrenzen der Schuldenbremse angerechnet werden würde“, erklärt ein Sprecher des Finanzministeriums gegenüber procontra. Sofern der Bund hierfür seinerseits Kredite aufnehme, wird eine „Anwendung der Schuldengrenze auf die Finanzierung der geplanten öffentlich-rechtlichen Stiftung“ befürwortet“, heißt es in dem Gutachten.

Rendite abhängig von politischen Entscheidungen

Laut Handelsblatt goutiert das Wirtschaftsministerium die angekündigte Anhebung des Kapitalstocks auch weiterhin nicht. Vielmehr befürchtet das unter Robert Habeck geführte Ministerium gar, es könnte aufgrund der volatilen Märkte zu erheblichen Verlusten kommen. „Wissenschaftliche Studien, die einerseits die Renditen global-diversifizierter Aktienindizes und andererseits die Zinsen langlaufender Bundesanleihen historisch betrachten, zeigen im Durchschnitt über Jahrzehnte deutlich höhere Renditen der Aktienindizes“, heißt es dazu aus dem Bundesfinanzministerium.

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Doch wie soll ein Generationenkapital angesichts der steigenden Zinsen und der Inflation überhaupt Rendite einfahren? Schließlich sind auch noch die Zinsen zu tilgen, die der Bund für die Darlehen zu berappen hätte. Noch dazu müssten die Rendite nach Abzug der Zinsen, die für den Kredit der Aktienrente aufgewendet werden, über der Inflationsrate liegen. Derzeit sehen die Chancen dafür noch nicht sonderlich rosig aus. „In der langen Geschichte der Kapitalmärkte liegt gerade eine Phase extremst niedriger Zinsen und niedriger Inflation hinter uns, die aber aus einer langfristigen Perspektive als eher unnormal einzuschätzen ist“, entgegnet Stefan Rondorf, Kapitalmarktstratege bei AllianzGI.

So habe in der Vergangenheit die breit gestreute Investition in das Produktivkapital der Unternehmen langfristig auch in Phasen mit einem normalen Zinsniveau und bei erhöhten Inflationsraten Rendite erwirtschaftet. „Anders ausgedrückt: Wenn der Atem lang genug ist, ist es nicht so entscheidend, wann und in welchen Umständen man mit dem Generationenkapital startet.“ Die langfristige Perspektive sei entscheidend.

Die Historie zeige, dass die am Gesamtaktienmarkt erzielbaren Erträge über ausreichend lange Zeiträume ab fünfzehn Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit über den Refinanzierungskosten der Bundesrepublik liegen dürften. Das gilt jedoch für eine simple, breit gestreute Anlage in den Gesamtaktienmarkt. „Potenziell können politisch motivierte Beschränkungen und/oder Fokussierungen auf gewisse Segmente des Aktienmarktes die zu erwartenden Erträge verändern, im Zweifel in Richtung langfristig geringerer Erträge“, warnt der Kapitalmarkt-Experte.