Kolumne

Außer Gendern nichts gewesen? Von wegen!

Im Hinblick auf die deutsche Sprache ist bei vielen derzeit eine erhöhte Sensibilität und Reizbarkeit feststellbar. Statt um die Sache wird vielfach nur um die Form diskutiert, kritisiert unser Kolumnist Norman Wirth. Das geht doch auch anders.

07:05 Uhr | 05. Mai | 2023
Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand beim Vermittlerverband AfW

Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand beim Vermittlerverband AfW.

| Quelle: AfW

Versicherungsmakler, Finfluencer und Bestsellerautor Bastian Kunkel postet neulich auf Facebook über seine Teilnahme an dem vom Bundesfinanzministerium und dem liberalen Finanzminister Christian Lindner initiierten – wie Bastian Kunkel es formulierte - „1. Finanzfluenzenden-Treffen in Berlin“. Es ging dort insbesondere um den Austausch der geladenen jungen Menschen mit Finanzminister Lindner und darum, dass umfassende finanzielle Bildung das Fundament für sinnvolle und gute finanzielle Entscheidungen heute und in Zukunft ist. Einer der ersten Kommentare unter dem Post von Basti Kunkel lautete: „Beim Wort „Finanzfluencende“ konnte ich leider nicht mehr weiterlesen.“

Ein Beispiel von vielen. Es werden immer öfter persönliche, diskutable Befindlichkeiten vorangestellt, um das eigentliche Thema dann zu ignorieren. Wichtige Inhalte werden von Banalitäten überlagert, weil manche sich lieber über grammatikalische Ausdrucksweisen oder andere Nebensachen meinen äußern zu müssen.

Da wird dann das Bemühen zu gendern oft gleich noch in einen Topf gepackt mit diversen Wörtern, die man angeblich ja nicht mehr sagen dürfe (diskriminierende Bezeichnungen für die Inuit oder die First Nations in Amerika, das N-Wort oder eine bestimmte Grillsauce z.B.). Und dann kommt ein Boris Palmer und setzt dem Ganzen mit seinem Holocaust-Vergleich die Krone auf.

Wer schon denjenigen, die sich – wie hier Bastian Kunkel – um eine neutrale Ausdrucksweise bemühen, vorwirft, sie wollten die Sprache „verhunzen“ und dann die eigentlichen Inhalte ignoriert, tut genau das, was er oder sie im Kern selbst kritisiert: Sie wollen stoppen und ausschließen. Oft wird dann auch schon gleich von einer „Sprachdiktatur“ geredet. Damit gelangt man – oder Frau - selbst an die Grenzen des demokratischen Diskurses.

Und ja, es gibt auch irritierende sprachliche Auswüchse auf Seiten der Respekt-, Antidiskriminierungs- und Genderbefürwortenden. Geschenkt. Sprache verändert sich, das ist ein Prozess. Wissen Sie jetzt noch, worum es bei dem Post von Bastian Kunkel ging? - Lassen sie uns reden, liberal!