Kleinanlegerstrategie im Detail

Provisionsverbot: Das müssen Berater jetzt wissen

Seit Ende Mai ist der finale Entwurf der geplanten Kleinanlegerstrategie (RIS) öffentlich. Verbände und Interessenvertreter äußern Kritik: Das Vorhaben sei überflüssig.

14:08 Uhr | 25. August | 2023
Europaflagge

Versicherer- und Vermittlerverbände üben an zahlreichen Punkten des Kleinanlegerstrategiegesetzes Kritik.

| Quelle: AlxeyPnferov

Monatelang geisterte das Schreckgespenst Provisionsverbot herum und flößte vielen Finanzberatern und -maklern Furcht ein. Nun hat es – zumindest teilweise – seinen Schrecken verloren: Ende Mai dieses Jahres hat die Europäische Kommission ihren finalen Entwurf der Kleinanlegerstrategie (Retail investment strategy, kurz RIS) veröffentlicht, aus dem hervorgeht, dass es ein generelles Provisionsverbot vorerst nicht geben wird.

Im Papier stehen jedoch eine Reihe weiterer Punkte, die Finanzberater aufhorchen lassen: Etwa das Executive-only-Verbot, also ein teilweises Provisionsverbot für Produktvermittlungen ohne Beratung, sowie eine Preis-Leistungs-Benchmark für Produktkosten und ein Best-Interest-Test für Finanzberater.

Starker Fokus auf den Kosten

Die Kritik vieler europäischer Versicherungsverbände: Die zahlreichen Verbote für die Zahlung von Provisionen, die in den aktuellen RIS-Entwürfen enthalten seien, könnten für den europäischen Finanzsektor und den Zugang der Verbraucher zu Anlage- und Versicherungsschutz erhebliche störende Folgen haben.

Das zeigt sich etwa am Beispiel des geplanten Best-Interest-Tests: Danach sollen Provisionen und sonstige Zuwendungen nur noch dann zulässig sein, wenn Finanzberater im besten Interesse der Kunden handeln. Als Maßstab sollen von der EU-Kommission festgelegte Vorgaben gelten, die aktuell aber noch nicht konkretisiert wurden. „Ob und wie tief die Regulierung in die bisherige Praxis eingreift, ist deshalb noch nicht abzusehen“, erklärt ein Sprecher des Gesamtverbands Deutscher Versicherer (GDV).

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Klar sei aber heute schon, dass bei dem Best-Interest-Test zu wenig berücksichtigt werde, dass versicherungsbasierte Anlageprodukte die Wünsche und Bedürfnisse einer anderen Klientel bedienen als reine Kapitalanlageprodukte. „Negativ sehen wir deshalb vor allem die Bedingung, dass unter den geeigneten Produkten immer nur das kosteneffizienteste angeboten werden darf“, kritisiert der GDV-Sprecher. Der starke Fokus auf die Kosten mache es schwer, den individuellen Präferenzen der Kunden gerecht zu werden.

Kritik richtet sich auch gegen die geplante Preis-Leistungs-Benchmark. So ist geplant, dass die Aufsicht überwacht, ob die Kosten der Produkte angemessen sind. Derzeit fehlen auch hier Details, um die Folgen gänzlich einschätzen zu können. Was aber bekannt ist: Grundsätzlich soll es unzulässig sein, ein Produkt anzubieten, dessen Eigenschaften ohne zulässige Rechtfertigung von Benchmarks abweichen. Dieses umfassende Value-for-Money-Konzept sieht der Verband kritisch: „Der darin angelegte Eingriff in den Wettbewerb ist aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt“, pointiert der GDV.

Enorme Aufgaben und Chancen für Berater

Aller Kritik zum Trotz: Der GDV erkennt auch gute Ansätze in dem Dossier – etwa das Ziel, breite Bevölkerungsschichten an die Finanzmärkte zu bringen und ihnen nachhaltig den Vermögensaufbau zu erleichtern. Potenzial sieht der Verband auch für Berater: „Da liegen enorme Aufgaben und Chancen für diejenigen, die fachliche Expertise zu bieten haben.“

Anders sieht das der Bundesverband Finanzdienstleistung (AfW), der seine ablehnende Haltung deutlich macht. „Grundsätzlich halten wir das komplette Vorhaben derzeit für überflüssig“, sagt Vorsitzender Norman Wirth. Er verweist darauf, dass die Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD, die unter anderem die Vergütung von Beratern strikter regelt, und die Finanzmarktrichtlinie MiFid2, die eine transparentere Finanzberatung anstrebt, noch verhältnismäßig neu, teilweise erst noch in der Umsetzung seien. Zudem sehe der Verband auch kein ansatzweises Marktversagen, was zu einem Schaden der Kunden geführt hätte und somit ein Handeln erforderlich mache.

Die geplante Kleinanlegerstrategie sei ein massiver Markteingriff, der sowohl Produktgeber, die Vermittlerschaft im Beratungs- und Vermittlungsprozess als auch indirekt den Kleinanleger selbst schade, sagt Wirth. Er macht deutlich: „Gute, qualifizierte Beratung – wie sie ja auch vom Gesetzgeber gefordert wird, gern auch mit anschließender Vermittlung des passenden Produktes, kostet Geld. Gute, qualifizierte Beratung gibt es nicht zum Nulltarif.“ Das sei in dieser Branche nicht anders als bei Ärzten oder Anwälten. Daher sein Appell: Der Versuch der EU-Kommission, hier den Einstieg in ein Provisionsverbot in bestimmten Bereichen zu starten, sei dringend abzulehnen.