„Wer Ertragschancen will, muss Risiken eingehen.“
Während die Koalitionsverhandlungen andauern und dabei ungewohnt ruhig und vor allem vertraulich bleiben, positionieren sich diverse Verbände, um ihre Überzeugungen und Einschätzungen bereits jetzt an die zukünftige Bundesregierung heranzutragen. Das Thema Altersvorsorge ist dabei – neben steuer- und klimapolitischen Fragen – von zentralem Interesse.
Denn dass Deutschland angesichts von demografischem Wandel, Niedrigszinsphase und hohen Staatsausgaben sehenden Auges auf eine gesellschaftliche Schieflage zusteuert, ist nicht mehr von der Hand zu weisen: Zwei Drittel der heutigen Beschäftigten im Alter zwischen 20 und 65 Jahren verlassen sich bei ihrer Altersversorgung allein auf die gesetzliche Rente und werden dadurch ihren heutigen Lebensstandard nicht halten können.
Umfragen haben gezeigt, dass die Sorge um die finanzielle Sicherheit im Alter hierzulande zum Teil größer ist „als um die Megathemen Digitalisierung und Klimaschutz“, heißt es vom Bundesverband der Rentenberater. „Umso bemerkenswerter ist, dass es im Wahlkampf praktisch keinen erkennbaren Wettbewerb um die besten Konzepte in diesem Bereich gab“, sagt Thomas Neumann, neuer Verbandspräsident. Der Berufsverband plädiert dafür, anders als einige deutsche Wirtschaftsinstitute, das Rentenniveau stabil zu halten und den Renteneintritt nicht weiter anzuheben.
Betriebliche Altersversorgung fördern
Um die Rentenlücke zu füllen, sollten Unternehmen, die eine betriebliche Altersversorgung anbieten, gestärkt werden: „Unkalkulierbare Haftungsrisiken, regulatorische Anforderungen oder unrealistische Rechnungsgrundlagen wie der § 6a Einkommenssteuergesetz schrecken Betriebe verständlicherweise eher ab“, kritisiert Neumann.
Es bedarf zudem einer Altersvorsorge, die mit der Inflation mithält: Geldentwertung und Lebenserwartung müssten angemessen mit in die Planung einbezogen werden. Dafür müsse allerdings auch die Bevölkerung besser über die verschiedenen Versorgungssysteme aufgeklärt werden. „Wer sich noch attraktive Ertragschancen sichern will, muss zu Risiken bereit sein.“ Jedoch seien gerade Gering- und Durchschnittsverdienende, für die es im Alter auf jeden Euro ankomme, besonders skeptisch bei riskanten Anlageentscheidungen.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) rät Verbrauchern, die ihren Lebensstandard auch im Alter halten wollen, zu einer Zusatzvorsorge über den Kapitalmarkt. Allerdings habe Deutschland 20 Jahre lang auf eine falsche Kapitalanlage mit überwiegend festverzinslichen Altersvorsorgeprodukten gesetzt. Deswegen muss die neue Ampel-Koalition den Weg für eine kostengünstige und renditestarke Altersvorsorge freimachen, die breit diversifiziert in Aktien anlegt“, sagt vzbv-Vorstand Klaus Müller.
Aktien versus Anleihen
In den vergangenen 120 Jahren haben weltweite Aktienanlagen ein wesentlich besseres Rendite- beziehungsweise Risikoverhältnis gezeigt als das bei Staatsanleihen der Fall war, sagt Reinhard Panse, Chief Investment Officer des Fintechs Finvia. Er rät zu einer langfristigen Finanzplanung und zu breit gestreuten Aktienanlagen. „Dies gilt gerade auch jetzt vor dem Hintergrund des niedrigen und real negativen Zinsniveaus von deutschen Staatsanleihen.“
In dem Papier „Kapitalgedeckte Altersvorsorge mit Aktien! 120 Jahre Aktien und Staatsanleihen im Renditevergleich “, dass die vzvb gemeinsam mit dem Deutschen Aktieninstitut und Finvia veröffentlicht hat, heißt es, dass Aktien nach Abzug der Inflation in diesem Zeitraum 5,7 Prozent Rendite jährlich erwirtschaftet haben, während es bei Anleihen nur 2,1 Prozent gewesen seien. Zugleich sei die langfristige Aktienanlage weniger riskant im Vergleich zum Investment in Staatsanleihen.
Verbraucher, die zu einem historischen Hoch in Aktien eingestiegen sind, haben bis zu elf Jahre gebraucht, um einen nachfolgenden Verlust wieder auszugleichen. Bei Staatsanleihen seien es im schlimmsten Fall 53 Jahre gewesen, bis Anleger die Gewinnzone wieder erreicht haben. Länder wie Australien, Großbritannien oder Schweden setzen bereits erfolgreich auf Aktien in der Altersvorsorge. Vor diesem Hintergrund müsse die zukünftige Bundesregierung die kapitalgedeckte Altersvorsorge in Deutschland neu aufstellen und attraktiver machen.