Nachdem Experten des Instituts für Finanz- und Aktuarwissenschaften (Ifa) harsche Kritik an der Kantar-Studie geäußert hatten, auf dessen Grundlage die EU für ein Provisionsverbot argumentiert, legen weitere Wissenschaftler nach.
In einem offenen Brief bezeichnen die beiden Finanzwissenschaftler Professor Hans-Peter Schwintowski und Professor Hans-Wilhelm Zeidler einen möglichen „Zwang zur Honorarberatung“ als „Entmündigung der Verbraucher“. Die Autoren, die sich an Vertreter der Finanzberatungsbranche wie Votum, BVK, AfW, aber auch DVAG, MLP und Swiss Life wenden, seien erklärte „engagierte Kritiker eines Provisionsverbots“.
Hauptkritikpunkt: Ein Verbot vermeide weder Fehlanreize noch Interessenkonflikte, ähnlich argumentieren auch die Ifa-Experten. Die beiden Professoren erklären, dass die bestehenden DIN-Normen bereits Fehlanreize und Interessenkonflikte verhinderten, sie mit der DIN-Norm 77230 „Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte“ sogar per se ausgeschlossen seien. „Diese Norm ist aktuell auf dem Weg von einer deutschen zur europäischen Norm, sodass sie in absehbarer Zeit ein Provisionsverbot auch für die anderen europäischen Staaten obsolet machen wird.“
Das Problem mit den DIN-Normen
Aber stimmt das? Die Krux an den Normen ist bisher nämlich: Sie sind nicht gesetzlich bindend. „Im Bereich der Finanzdienstleistungen ist meines Wissens keine Norm in der Anwendung gesetzlich festgeschrieben“, so Josefine Sult, Teamkoordinatorin, DIN-Normenausschuss Dienstleistungen (NADL). „Die Anwendung von Normen ist grundsätzlich freiwillig und wird nur bindend, wenn diese in Gesetzen zitiert werden, oder Bestandteil von Verträgen sind.“
DIN-Normen sind nur dann ein Argument gegen das Provisionsverbot, wenn sie denn auch flächendeckend umgesetzt werden würden. „Das ist allerdings bisher nicht der Fall“, wissen auch Schwintowski und Zeidler. Sie fordern von Verbänden und Unternehmen gleichermaßen die aktive Umsetzung der Normen. Das Problem bleibt jedoch bestehen: Ein Appell kann keine gesetzliche Pflicht ersetzen.
Die Professoren warnen: Selbst, wenn ein Provisionsverbot abgewendet werden könnte, die Debatte wird wieder aufflammen, „solange wir als Branche das Übel nicht an der Wurzel packen“. Fast zeitgleich zu dem Appell der Wirtschaftsprofessoren veröffentlichte auch der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) und der Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) einen offenen Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Darin bemängeln sie, dass ein Provisionsverbot nicht verhältnismäßig sei und die Besonderheiten beziehungsweise Unterschiede zwischen den verschiedenen EU-Märkten und Anlageprodukten nicht berücksichtigen würde.