Liquiditätsengpässe

Wie realistisch ist ein „Run“ auf die Lebensversicherer?

Die Silicon Valley Bank ist pleite. Können auch deutsche Lebensversicherer in Zahlungsschwierigkeiten geraten? Immerhin ihre Achillesferse ist ähnlich. Im Assekurata-Blog hat man sich dieser Frage angenommen.

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15:03 Uhr | 22. März | 2023
Wie realistisch ist ein „Run“ auf die Lebensversicherer?

Wie wahrscheinlich sind Liquiditätsengpässe für deutsche Lebensversicherer?

| Quelle: Stockbyte

Die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) und die Rettung der Schweizer Großbank Credit Suisse durch die noch größere UBS vor wenigen Tagen haben gezeigt: Es sind stürmische Zeiten und manche Banken sind, wenn auch aus etwas unterschiedlichen Gründen, ins Wanken geraten. Speziell am Beispiel SVB zeigen sich die negativen Auswirkungen des schnellen Zinsanstiegs, schreibt David Dyschelmann, Analyst bei der Assekurata Rating-Agentur GmbH in deren Unternehmensblog.

Demnach verfügte die SVB über einen hohen Anteil an langlaufenden Bundesanleihen – sicher, aber mit relativ niedriger Verzinsung. Laut Dyschelmann sogar „zu sicher“, denn durch den schnellen Zinsanstieg hatten sich sogenannte stille Lasten gebildet. Im Vergleich zum marktweiten Zinsniveau hatte diese Form der Geldanlage also schnell an Wert verloren. Realisiert wurde dieser Verlust aber erst dadurch, dass plötzlich viele US-Start-ups zugleich ihre Einlagen bei der SVB abziehen mussten, da sie aufgrund der allgemeinen Zinssituation nicht mehr so leicht an frische Investorengelder kamen wie in den letzten Jahren. Ein Banken-Run, der die SVB aufgrund der schnell benötigten Liquidität zur Auflösung ihrer stillen Lasten und damit in die Knie zwang.

In seinem Blog-Beitrag hat sich Dyschelmann der Frage gewidmet, ob dieses Schicksal auch die deutschen Lebensversicherer ereilen kann. Schließlich haben sich bei diesen durch deren konservative Geldanlagen ebenfalls hohe stille Lasten gebildet, die der Assekurata-Analyst auf knapp 100 Milliarden Euro beziffert. Bereits Ende des letzten Jahres hatte der Analyst Carsten Zielke dieses Szenario für die Lebensversicherer skizziert und vor Liquiditätsengpässen gewarnt.

Kein überbordendes Risiko

Dyschelmann jedoch schlägt in seiner Antwort deutlich gelassenere Töne an. Zunächst einmal sei anzumerken, dass sowohl die Corona-Pandemie als auch die ersten Folgen der Rekordinflation in den Jahren 2020 bis 2022 zu keinem größeren Stornoanstieg geführt haben. Die Stornoquote liege relativ unverändert zwischen vier und fünf Prozent. Zudem dürfe man Lebensversicherungen nicht als reine zinsvergleichende Geldanlage betrachten. Ein in diese Richtung gehendes Diskussionspapier der Bundesbank sei 2015 scharf kritisiert worden, da es den Risikoabsicherungsaspekt von Lebensversicherungen vernachlässigt habe. Denn neben der reinen Rendite sichern beispielsweise private Rentenversicherungen durch die lebenslange Rentenzahlung auch das Langlebigkeitsrisiko ab und bieten, in Kombination mit Todesfall- oder Berufsunfähigkeitsschutz, zusätzliche Risikoabsicherung.

Doch selbst wenn man nur auf einen möglichen Kipp-Punkt blicke, zu dem renditeorientierte Menschen ihre Policen kündigen würden, um ihr Geld anderweitig anzulegen, sei man von einem Lebensversicherer-Run noch weit entfernt, glaubt Dyschelmann: „Das jetzige Zinsniveau von circa drei Prozent beim zehnjährigen Null-Kupon-Euro-Zinsswapsatz scheint jedenfalls noch nicht der kritische Zins zu sein, auch wenn dieser Wert bereits über der von der Bundesbank ausgearbeiteten Höhe liegt.“ Er vermutet in Zukunft weniger und geringere Leitzinserhöhungen bei Fed und EZB, was wiederum die Wahrscheinlichkeit auf Banken- und LV-Runs verringern würde. Dennoch sieht der Assekurata-Analyst die Lebensversicherer gefordert, die eigene Stornoentwicklung und den nötigen Liquiditätsbedarf engmaschig im Auge zu behalten.