„Vollmachts-Dilemma“

So wehren sich private Krankenversicherer gegen unseriöse PKV-Tarifwechselberater

Die René Jäger AG, über die Mehmet Göker seine fragwürdigen PKV-Tarifwechsel durchführt, verbietet den Versicherern die Kontaktaufnahme zu ihren Kunden. Doch um diese zu schützen, setzen sich manche Unternehmen über solche Vollmachten hinweg.

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17:12 Uhr | 14. Dezember | 2023
So wehren sich private Krankenversicherer gegen unseriöse PKV-Tarifwechselberater

Die René Jäger AG, über die Mehmet Göker seine fragwürdigen PKV-Tarifwechsel durchführt, verbietet den Versicherern die Kontaktaufnahme zu ihren Kunden. Doch um diese zu schützen, setzen sich manche Unternehmen über solche Vollmachten hinweg.

| Quelle: ©fotomowo - stock.adobe.com

Zusammen mit über 50 Vertriebspartnern führt Mehmet Göker derzeit von Dubai aus fragwürdige PKV-Tarifwechsel durch. Wie er diese Geschäfte über das Münchener Maklerunternehmen René Jäger AG abwickelt, hat eine procontra-Recherche vor kurzem ausführlich offengelegt. Zum Zwecke dieser Tarifwechsel unterschreiben die Privatversicherten dem Münchener Vermittler nicht nur ein Auftragsmandat (liegt der procontra-Redaktion vor), sondern stellen diesem darin auch eine Vollmacht aus, die unter anderem folgenden Passus beinhaltet:

Hinsichtlich des Tarifwechselvorgangs möchte ich ausschließlich von der René Jäger AG beraten werden. Zusendung von Unterlagen sowie Kontaktaufnahme seitens der Versicherungsgesellschaft sind unerwünscht.

Dass schränkt die Möglichkeiten der Versicherungsunternehmen, ihre Kunden individuell über die Tragweite ihres angestrebten PKV-Tarifwechsels zu informieren, erst einmal ein. Dass die René Jäger AG nicht der einzige „PKV-Tarifoptimierer“ ist, der solche Vollmachten einsetzt, haben procontra auf Nachfrage mehrere private Krankenversicherer bestätigt. So antwortete im Oktober beispielsweise die Axa:

Für Umstellungswünsche erteilen Kund:innen dem Beitragsoptimierer eine Vollmacht, der wir als Versicherer dann nach Einreichung bei uns zu entsprechen haben. […] Solange dieser Wunsch nach einem Tarifwechsel über den Beitragsoptimierer läuft, dürfen wir als Versicherer hierzu explizit keine Beratung der jeweiligen Kund:innen beauftragen oder vornehmen. Das heißt, die Abwicklung eines solchen Tarifwechsels läuft komplett über den Beitragsoptimierer.

Auch von der Barmenia hieß es:

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In den Vollmachten der Tarifoptimierer ist in der Regel ausdrücklich festgelegt, dass eine Beratung oder Kontaktaufnahme durch den Versicherer unerwünscht ist. Hieran halten wir uns.

Umstände, die unseriösen PKV-Tarifwechselberatern natürlich sehr in die Hände spielen. Somit können sie ihr Geschäftsmodell weiter vorantreiben, das nicht selten zu Lasten der Versicherten geht. So hat unsere Recherche ergeben, dass die über die René Jäger AG durchgeführten PKV-Tarifwechsel oft massive Leistungsreduzierungen oder eine Vervielfachung der Selbstbeteiligung enthalten – oder beides. Dazu kommt, dass manche Kunden des Göker-Jäger-Konstrukts trotz Beitragsersparnis schon nach kurzer Zeit finanziell schlechter dastehen als zuvor. Denn verrechnet man die Ersparnis mit der erhöhten Selbstbeteiligung – wie es auf procontra-Nachfrage ein auf PKV-Tarifwechsel spezialisiertes Maklerunternehmen empfiehlt –, bezieht die nun geringere steuerliche Absetzbarkeit der Beiträge sowie das hohe Erfolgshonorar der „Berater“ mit ein und berücksichtigt auch Wechsel in Tarife mit hoher BAP-Gefahr, so kann sich der Tarifwechsel sogar als „Draufzahlgeschäft“ entpuppen. Behandlungskosten aus eigener Tasche, aufgrund von geringeren Leistungen, sind dabei noch gar nicht eingerechnet.

Allianz und Generali widersetzen sich dem Kontaktverbot

Aber sind den privaten Krankenversicherern tatsächlich in diesem Ausmaß die Hände gebunden? Die Allianz verweist gegenüber procontra auf zwei BGH-Urteile (Az.: IV ZR 165/12 und Az.: I ZR 274/14), die die Kontaktaufnahme zu den Kunden trotz solcher Vollmachten erlauben. Sie rät ihren Kunden in diesem Zusammenhang sogar explizit zu einer Beratung durch ihre Außendienstmitarbeiter, erklärte eine Sprecherin. Dies geschehe vor dem Hintergrund, wenn ein PKV-Tarifoptimierer einen unseriösen Anschein macht.

Auch die Generali setzt sich in bestimmten Fällen über solche Kontaktverbote hinweg. Sie führt eine Liste über sogenannte „auffällige externe Berater“, auf der auch die René Jäger AG steht. „Das sind Berater, bei denen wir den Verdacht haben, dass die Versicherungsnehmer kalt angerufen und/oder nicht (ausreichend) über die Risiken eines Tarifwechsels aufgeklärt werden. Wir beobachten diese Berater und die Qualität der Beratung genau und ergreifen – wenn möglich – Rechtsmittel gegen unlauteres oder gar betrügerisches Handeln“, erklärte uns die Generali auf Nachfrage.

Konkret schickt die Generali bei Tarifwechselanfragen der René Jäger AG die Unterlagen trotz wirksamer Vollmacht nicht an diese, sondern direkt an ihre Kunden und informiert Jäger nur darüber. „Zudem schicken wir dem Versicherungsnehmer nicht nur die von der René Jäger AG geforderten, meist deutlich nachteilhaften Tarifwechselangebote, sondern auch die aus unserer Sicht für den Versicherungsnehmer sinnvollen Tarifwechsel“, hieß es auf procontra-Nachfrage. An den Berater würden die Unterlagen in diesen Fällen nur versandt, wenn der Kunde darauf bestehe, was teilweise auch vorkomme. Dieses Vorgehen sei mit der eigenen Rechtsabteilung abgestimmt.

Vor juristischen Schritten von Göker oder Jäger gegen dieses Vorgehen fürchtet man sich bei der Generali offenbar nicht. Vermutlich, weil von deren Seite keine rechtliche Gegenwehr zu erwarten ist. Das könnte damit zusammenhängen, dass gegen die René Jäger AG Vorwürfe der Kaltakquise im Raum stehen – einerseits von der Generali, die deshalb auch gegen das Münchener Maklerunternehmen geklagt hat und zudem auch von Seiten mehrerer Lead-Kontakte aus dem Göker-Konzept, mit denen sich procontra austauschen konnte. Auf unsere Nachfragen, ob sie Kaltakquise betreiben und woher sie die Kundendaten vieler Versicherer haben, wollten sowohl Göker als auch Jäger nicht antworten.

„Mögliche Rechtsrisiken in eigener Verantwortung bewerten“

Aber können zukünftig auch alle anderen PKV-Anbieter den Beispielen von Allianz und Generali folgen? Der Sprecher des PKV-Verbands, Stefan Reker, sagte uns zu dem Vollmachts-Dilemma der Versicherer auf Nachfrage: „Es kann sein, dass ein Versicherer sich dennoch in einer Informationspflicht sieht, weil er Anhaltspunkte hat, dass der angestrebte Tarifwechsel möglicherweise nicht im Sinne des Versicherungsnehmers ist. Jeder Versicherer muss dann die möglichen Rechtsrisiken in eigener Verantwortung bewerten. Deshalb können wir als Verband dazu keine pauschale Aussage treffen.“

Auf nochmalige Nachfrage teilte uns die Axa nun mit: „Wird uns ein Fall von Kaltakquise bekannt, werden wir selbstverständlich für Kund:innen aktiv und beraten innerhalb aller zur Verfügung stehenden Rechtsmöglichkeiten.“ Man bitte aber um Verständnis, dass man sich aus Datenschutzgründen nicht zu konkreten Vorgehensweisen und genutzten Rechtsmitteln äußern könne. Der Versicherer werde das Vorgehen rund um dieses Thema aber aufmerksam beobachten und sich eine angemessene Reaktion vorbehalten.

Von der Barmenia haben wir bislang auf unsere erneute Nachfrage zu dem Thema keine anderslautende Antwort erhalten.