Grüne Geldanlagen

„Patente schaffen Anreize, etwas zu probieren“

Welche Patente können als "grün" gelabelt werden? Und wie schaffen Patente Anreize für Innovationen? Darüber sprach procontra mit Lucas von Reuss, Mitgründer und Geschäftsführer von Quant IP. Er hat gemeinsam mit Andreas Beck die Veröffentlichung „Grüne Geldanlagen nur für Farbenblinde?“ verfasst.

08:01 Uhr | 13. Januar | 2023
Lucas von Reuss

„Das Patentsystem ist das beste, was wir haben, um für Innovatoren einen Anreiz zu schaffen": Lucas von Reuss, Mitgründer und Geschäftsführer von Quant IP, im procontra-Interview.

| Quelle: Quant IP

procontra:

Wer beurteilt nach Ihrem Konzept, ob eine Technologie umweltverträglich und ein Patent darauf „grün“ ist?

Lucas von Reuss:

Das legen Sachverständige der Weltorganisation für geistiges Eigentum, WIPO, fest. Das WIPO ist eine Art Dachorganisation der Patentämter weltweit und Hüter über die wichtigsten Klassifizierungssyteme für Patente innerhalb des Systems der „IPC“, der internationalen Patentklassifikation. Patentprüfer und andere Fachleute aus dem Bereich geistiges Eigentum arbeiten dort an Standardisierungen und Klassifizierungen der IPC-Patente weltweit. Und ein Fachgremium entscheidet in regelmäßigen Abständen darüber, welche dieser Patente als „grün“ gelabelt werden.

procontra:

Wonach beurteilt dieses Gremium, ob ein Patent als grün eingestuft wird?

von Reuss:

Die Einstufung orientiert sich an den Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, den sogenannten UN-SGDs. Einige dieser Ziele lassen sich nicht mit Technologien erreichen, zum Beispiel die Gleichheit der Geschlechter. Aber die Ziele, die sich mit Technologie oder technischen Lösungen adressieren lassen, verbinden die Fachleute des WIPO mit relevanten Patenten in diesen Bereichen aus dem IPC-Klassifizierungssystem und stufen sie so als Patente von umweltverträglichen Technologien ein. Eine Klasse umfasst zum Beispiel Patente im Bereich Solartechnologie aus der Überklasse Erzeugung von erneuerbarer Energie. Ein UN-Nachhaltigkeitsziel ist „saubere Energie“, weshalb das Gremium die IPC-Solar-Patente als grün eingestuft.

procontra:

Grundlage sind die nach dem IPC-System eingeordneten Patente. Werden alle Patente dort registriert?

von Reuss:

Ja. Das IPC-Klassifizierungssytem nutzen und belegen fast alle Patentprüfer dieser Welt. Im Anmeldeprozess für ein Patent vergeben die Prüfer die aus ihrer Sicht passenden IPC-Klassen. Jede Patentanmeldung bekommt auf diese Weise mindestens eine IPC-Klasse zugewiesen. Die Sachverständigen bei WIPO koordinieren die Klassifizierung dieser Patente und entscheiden auch über neue Klassen, wenn zum Beispiel eine neue Technologie entstanden ist. Die „grünen“ Patente listet das WIPO in einem extra Verzeichnis, dem „IPC Green Inventory“ auf.

procontra:

Kritiker bemängeln zahlreiche Punkte am Patentsystem. Patente würden zum Beispiel Innovation eher verhindern und seien nicht gleichzusetzen mit Innovation.

von Reuss:

Das Patentsystem ist sicher nicht perfekt. Aber es ist das beste, was wir haben, um für Innovatoren einen Anreiz zu schaffen, um es überhaupt zu probieren. Der Anreiz ist das zeitlich begrenzte Monopol auf das Patent. Zum zweiten muss der Patentanmelder im Gegenzug alle Angaben veröffentlichen. Mit diesem Zugang zu Informationen soll ein Versperren von echter Innovation vermieden werden. Beides zusammen ist die Grundidee des Patentwesens, an dem wir nun seit rund 250 Jahren arbeiten.