Nachhaltiges Investieren

„Fondsanbieter mit Nachhaltigkeitsansatz haben verloren“

Über Greenwashing und die Frage, wie nachhaltig der Mainstream wirklich ist, spricht Alexander Funk, Leiter des Portfoliomanagements bei Ökoworld, im procontra-Interview.

09:03 Uhr | 24. März | 2023
Alexander Funk

„Die Glaubwürdigkeit im Tun ist für mich einer der maßgeblichen Entwicklungspunkte in diesem Jahr": Alexander Funk von Ökoworld im procontra-Gespräch.

| Quelle: Andreas Endermann

procontra: Im Anlagesegment unter dem Begriff „Nachhaltigkeit“ hat sich seit 2018 viel getan. Was waren die wichtigsten Einflussfaktoren auf die Entwicklung dieses Marktes?

Alexander Funk: Aus meiner Sicht haben die Menschen realisiert, dass es für unseren Planeten fünf vor zwölf ist und es ein „weiter so“ nicht mehr geben darf und kann. Die letzten Jahre waren geprägt von klimabedingten Jahrhundertereignissen, seien es Überschwemmungen oder zu trockene und heiße Sommer. Zunehmend wird hinterfragt, wo unsere Güter herkommen und wie und unter welchen Bedingungen sie produziert werden. Der bewusste Umgang mit Geld, diesem eine sinnvolle Richtung zu geben, ist für mich eine der Triebfedern für die Mittelzuflüsse im Bereich des nachhaltigen Investments in den vergangenen Jahren. Die EU-Taxonomie wirkte als Beschleuniger, auch wenn wir diese Zwangsmaßnahme sehr kritisch sehen. Greenwashing sowie Investitionen in Atomkraft, Gas und Waffen haben eher einen nationalistisch geprägten Ursprung als echte Nachhaltigkeit. Viele Anbieter sind auf dieser hellgrünen Welle mitgeschwommen.

procontra: Was sind sinnvolle Strategien, um auf diese und weitere Einflussfaktoren reagieren zu können?

Funk: Uns ist wichtig, dass wir uns nicht von kurzfristigen Marktentwicklungen blenden lassen, sondern unserer seit mehr als 45 Jahren gelebten DNA treu bleiben. Das bedeutet, dass wir Atomkraft, Waffen und den Raubbau an natürlichen Ressourcen – neben der Berücksichtigung weiterer Kriterien – nach wie vor konsequent ausschließen. Nach all den Greenwashing-Debatten wird sich zeigen, wie „nachhaltig“ der Mainstream wirklich geworden ist.

procontra: Was sind Ihre Markterwartungen in der nachhaltigen Kapitalanlage für dieses Jahr und darüber hinaus?

Funk: 2022 hat gezeigt, dass nachhaltige Finanzprodukte vor schwachen Aktiennotierungen nicht geschützt sind. Im Gegenteil, Fondsanbieter mit einem hundertprozentig klaren und echten Nachhaltigkeitsansatz haben überproportional verloren. Diese „Pure players“ haben nicht die Möglichkeit, etwa über Umsatzschwellen in kontroverse Geschäftsmodelle zu investieren, die im europäischen Kriegsjahr 2022 profitiert haben. Es wird sich zeigen, inwieweit Anleger bereit sind, kontroverse Unternehmen im Depot zu haben.

procontra: Was sehen Sie als die größten Herausforderungen bei der nachhaltigen Kapitalanlage an?

Funk: Die Glaubwürdigkeit im Tun und somit der Investitionen ist für mich einer der maßgeblichen Entwicklungspunkte in diesem Jahr. Ich gehe davon aus, dass sich die Spreu vom Weizen trennt in Bezug auf Nachhaltigkeit im Depot. Viele Menschen investieren in erneuerbare Energien inklusive Stromspeicherlösungen und fahren elektrisch. Wieso sollten dann die „alte“ Welt und die zugehörigen, kritisch gesehenen Themen wieder in der Geldanlage berücksichtigt werden?