Immobilienfinanzierung

„Viele Bausparkassen sind noch mit einer Eins vor dem Komma unterwegs“

Die Zinsen für Immobilienkredite steigen. Trotzdem sparen viele Deutsche fürs Eigenheim und setzen nun verstärkt auf Sicherheit: Die Zahl neu abgeschlossener Bausparverträge ist 2022 erheblich angestiegen. Natalie Wagner, Spezialistin für Baufinanzierung beim Finanzierungsvermittler Dr. Klein, erklärt im procontra-Interview, worauf es beim Bausparen ankommt.

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08:02 Uhr | 23. Februar | 2023
Natalie Wagner

„Jetzt hat man festgestellt, dass die Zinsen auch steigen können – und die Nachfrage ist plötzlich sehr viel größer geworden": Baufinanzierungs-Expertin Natalie Wagner im procontra-Interview.

| Quelle: Dr. Klein

Gestiegene Bauzinsen und teure Immobilienkredite – die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen haben im Finanzierungsverhalten vieler potenzieller Eigenheimbesitzer Spuren hinterlassen: Die Zinswende hat zu einer Renaissance des Bausparens geführt. 578.000 neue Bausparverträge mit einem Volumen von 41,4 Milliarden Euro wurden 2022 bei den Landesbausparkassen abgeschlossen – ein Plus von 26 Prozent im Vergleich zu 2021 in Bezug auf die Vertragszahl sowie ein Zuwachs von 47 Prozent bei der Bausparsumme. Die Bereitschaft breiter Bevölkerungsschichten, für die eigenen vier Wände zu sparen, sei ungebrochen, sagte LBS-Verbandsdirektor Axel Guthmann anlässlich der veröffentlichten Zahlen.  

Wann sollten Berater ihre Kunden auf die Finanzierung per Bausparer hinweisen? Welche Vorteile schlummern in dieser Finanzierungsmethode und wo lauern Tücken? Darüber sprach procontra mit Natalie Wagner, Spezialistin für Baufinanzierung beim Finanzierungsvermittler Dr. Klein.   

procontra:

Für 2022 melden die Landesbausparkassen Rekordzahlen in Bezug auf die Anzahl neu abgeschlossener Bausparverträge. Können Sie diese Entwicklung aus Ihrer eigenen Beratungspraxis bestätigen?

Natalie Wagner:

Ja, auch bei uns ist die Nachfrage seit einem Dreivierteljahr angestiegen. Davor war sie eher rückläufig. Viele Kunden hinterfragten den Sinn des Bausparens, da die Kreditzinsen bei den Banken in den vergangenen Jahren im stetigen Sinkflug begriffen waren. Jetzt hat man aber festgestellt, dass die Zinsen auch steigen können und dass die Bausparkassen ihre Zinssätze noch gar nicht angepasst haben und viele noch mit einer Eins vor dem Komma unterwegs sind – da ist die Nachfrage plötzlich sehr viel größer geworden.

procontra:

Wann empfehlen Sie für den Traum vom Eigenheim einen Bausparvertrag?

Wagner:

Jeder, der irgendwann eine Immobilie haben möchte oder bereits eine hat, kann Bausparen für sich nutzen: fürs Kaufen oder Bauen, zur Anschlussfinanzierung, für Kinderverträge – die wollen vielleicht auch eine Immobilie – und vor allem zurzeit zum Modernisieren oder Renovieren. Ich habe das Bausparen immer schon empfohlen, weil ich selbst ein sicherheitsorientierter Mensch bin. Jetzt wird es von den Kunden wieder mehr entdeckt, weil es aktuell hier bessere Konditionen als bei der klassischen Baufinanzierung gibt. Vor der Zinswende waren die Konditionen ähnlich wie bei der Bank. Da wurden die Verträge nicht abgeschlossen, um sich einen günstigeren Zinssatz zu sichern, sondern um sich den Zinssatz auf Dauer zu sichern. Bei der Bank werden Zinssätze oft über einen Zeitraum von zehn oder 15 Jahren vereinbart. Wer sich eine längere Zinsbindung wünscht, hat aber immer schon mit dem Bausparer arbeiten können.

procontra:

Ist der Bausparer demnach aktuell das Mittel der Wahl, um die Eigenheimfinanzierung auf sichere Füße zu stellen?

Wagner:

Ja, wenn der Kunde eine lange Zinsbindung möchte. Es gibt natürlich auch solche, die unbedingt eine Zinsbindung von zehn bis 15 Jahren möchten oder die sagen: In den nächsten 20 Jahren bin ich ganz sicher schuldenfrei. Da brauche ich nicht mit dem Bausparer um die Ecke zu kommen. Nur, wenn ein Kunde nicht davon ausgeht, superschnell schuldenfrei zu werden und eine lange Sicherheit wünscht – dann ist Bausparen das Richtige.

procontra:

Was sind weitere Vorteile gegenüber anderen Finanzierungsmethoden?

Wagner:

Bausparen hilft mir nicht am Anfang, denn in der Sparphase tilge ich nichts, wenn ich einen Bausparer in die Finanzierung einbaue. Aber nach hinten raus, in der Darlehensphase, tilge ich dafür umso schneller. Und das zu einem richtig guten Zinssatz, der bereits jetzt feststeht. Und ich habe eine größere Flexibilität als bei klassischen Finanzierungen, indem ich zum Beispiel jederzeit Sondertilgungen in beliebiger Höhe leisten kann. Hinzu kommt: Wenn ich den Bausparer bei einer vermieteten Immobilie einsetze, kann ich steuerlich mehr absetzen als bei einem Annuitäten-Darlehen. Ich kann zudem von Tag eins bis zu dem Tag, an dem ich schuldenfrei bin, ausrechnen, wie hoch die monatliche Rate ist, wie hoch die Gesamtkosten sind, welchen Zinssatz ich bezahle. Bei einem Kredit kann ich das nur für die Zeit der Zinsbindung, meistens sind das zehn bis 15 Jahre.

procontra:

Welche Tücken schlummern denn in dieser Finanzierungsmethode? Was müssen Kunden bei Vertragsabschluss beachten?

Wagner:

Wichtig ist es, die richtige Bausparsumme zu wählen. Das wird häufig falsch gemacht. Im Nachhinein lässt sich die Bausparsumme nicht mehr vergrößern. Man kann sie nur verkleinern oder den Vertrag aufteilen. Viele Kunden haben als Vorsorge einen 50.000-Euro-Bausparvertrag abgeschlossen. Aber was wollen Sie mit 50.000 Euro, wenn Sie eine 300.000- oder 400.000-Euro-Immobilie finanzieren wollen? Dann bekomme ich für das Geld vielleicht die Tiefgarage. Ein anderer wichtiger Punkt: Nicht jede Bank arbeitet mit jeder Bausparkasse zusammen. Man muss vorher also genau prüfen, bei welcher Bank man finanzieren möchte. Und: Bausparer müssen regelmäßig überprüft werden. Vielleicht sind die Zinsen wieder gesunken und ich brauche den Vertrag nicht mehr? Eine Rate oder Sondertilgung wurde vergessen? Spätestens drei Jahre, bevor der Vertrag ausläuft, sollte man ihn checken. Je früher man das macht, umso besser gelingt die Anschlussfinanzierung.

procontra:

Eine abschließende Frage: Wie erleben Sie in Ihrer Beratung die Folgen von Inflation und teuren Baukrediten – hat die Nachfrage nach Immobilienfinanzierungen insgesamt nachgelassen?

Wagner:

Die Nachfragen als solche sind nicht so stark zurückgegangen. Aber es häufen sich die Gespräche, bei denen am Ende herauskommt: Die Finanzierung ist monatlich nicht machbar, die Kunden können sich ihren Immobilienwunsch mit der aktuellen Zinsrate nicht leisten. Das gab es vor einem Dreivierteljahr in dem Ausmaß nicht. Auf der anderen Seite gibt es aber auch immer mehr Kunden, die sagen: Gerade, weil alles teurer wird, will ich mich nicht auch noch mit steigenden Mieten herumschlagen.