Altersvorsorge der freien Berufe

Versorgungswerke kontern Kritik: „Es mussten noch nie Renten gekürzt werden“

Die Pleite des Berliner Versicherers Element wirft auch ein Schlaglicht auf die Anlagestrategie von Versorgungswerken. Darüber sprach procontra mit Stefan Strunk, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV).

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11:05 Uhr | 08. Mai | 2025
Stefan Strunk, den Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV)

Stefan Strunk ist Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV), die die gemeinsamen Interessen aller 91 Versorgungswerke in Deutschland vertritt.

| Quelle: Stefan Strunk

Mit der Insolvenz der Element-Versicherung geriet Anfang des Jahres unter anderem auch das Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin (VZB) in die Schlagzeilen. Der Grund: In der Niedrigzinsphase hatte sich das VZB für eine Beteiligung an der Element Insurance AG entschieden. Diese Beteiligung fällt der Zahnärzteversicherung, die die drei Kammerbereiche Berlin, Brandenburg und Bremen abdeckt, nun womöglich in Form von hohen finanziellen Verlusten auf die Füße.

Schon 2023 musste das Versorgungswerk insgesamt 65 Millionen Euro abschreiben, im Jahr zuvor waren es 46 Millionen Euro. Keine guten Nachrichten für die rund 10.000 Zahnärzte, die im VZB organisiert sind. Müssen sie sich nun Sorgen um ihre Renten machen? Hierüber sprach procontra mit Stefan Strunk, den Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV).

procontra: Die Situation rund um das Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin wirft die Frage nach den Kapitalanlage-Strategien von Versorgungswerken auf – stimmen Sie dem zu?

Stefan Strunk: Die Insolvenz der Element-Versicherung bedroht keine einzige Rente. Das Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin befindet sich auch nicht in einer finanziellen Schieflage. Im Gegenteil: Selbst nach dem Verlust bei dem Element Engagement war das Kapitalanlageergebnis positiv.

procontra: Wie lassen sich Fehlinvestitionen wie in Berlin verhindern?

Strunk: Grundsätzlich sind die Versorgungswerke aufgrund ihres gesetzlichen Auftrages gehalten, bei der Kapitalanlage den Grundsatz der unternehmerischen Vorsicht zu berücksichtigen. Sie dürfen lediglich in Vermögenswerte und Instrumente investieren, deren Risiken sie hinreichend identifizieren, bewerten, überwachen, steuern, kontrollieren können. Generell muss aber ebenso festgehalten werden, dass jede Kapitalanlage risikobehaftet ist.

Entscheidend ist, dass vor jeder Anlageentscheidung Risiken und Chancen auf Grundlage umfassender Informationen sorgfältig abgewogen werden. Hierfür haben die Versorgungswerke entsprechende Compliance Systeme eingeführt. Des Weiteren ist festzuhalten, dass die Anlage von Versorgungswerken langfristig orientiert ist und den Zweck verfolgt, den Kapitalwert zu erhalten bzw. zu steigern und einen stetigen Cash-Flow zu generieren.

procontra: Was passiert generell, wenn ein Versorgungswerk in Schieflage gerät? Gibt es für einen solchen Fall einen Rettungsmechanismus oder tragen die Mitglieder das volle Risiko?

Strunk: Einen Rettungsmechanismus gibt es nicht und ist aus unserer Sicht auch nicht erforderlich. Senkungen zugesagter Renten hat es in der über einhundertjährigen Geschichte der Versorgungswerke noch nicht gegeben. Die Risikovorsorge war immer ausreichend bemessen. Es gibt keinen konkreten Grund daran zu zweifeln, dass dies auch aktuell und in Zukunft ausreichend ist und sein wird.

procontra: Wie transparent sind Versorgungswerke gegenüber ihren Mitgliedern hinsichtlich Finanzierung, Risiken und Anlagestrategien?

Strunk: Versorgungswerke informieren ihre Mitglieder über Mitgliederzeitschriften, Internetauftritte, bidirektionale Portale und Rundschreiben. Viele Versorgungswerke überlassen Ihren Mitgliedern ihren jährlichen Geschäftsbericht.

procontra: Wie kann sichergestellt werden, dass die Verpflichtungen auch bei langanhaltenden Niedrigzinsphasen und steigender Lebenserwartung dauerhaft erfüllt werden können? Müssen sich die Mitglieder auf geringere Renten, ein höheres Rentenalter oder höhere Pflichtbeiträge einstellen?

Strunk: Die bei Freiberuflern überdurchschnittlich steigende Lebenserwartung ist bei Versorgungswerken durch eigene, empirisch erhobene Generationen-Sterbetafeln bereits heute voll eingepreist. Jeder Jahrgang sorgt dabei für seine statistisch erwartbare Lebenserwartung vor. Dies ist ein zentraler Vorteil des Systems.

Die Niedrigzinsphase haben die Versorgungswerke durch Portfolio-Umschichtungen bei gleichzeitigem Ausbau der Risikovorsorge gut bewältigt. Es zählt zu den wichtigen Aufgaben eines Versorgungswerkes, regelmäßig eine so genannte ALM-Studie durchzuführen. Diese hat zum Ziel, die mittel- und langfristige Übereinstimmung zwischen den Vermögensanlagen und den Vorsorgeverpflichtungen zu überprüfen. Daneben werden durch die Versorgungswerke zur Unterlegung von Risiken der Kapitalanlage Eigenmittel – oder auch Reserven genannt – gebildet.

procontra: Sehen Sie angesichts des zunehmenden politischen Drucks eine Gefahr, dass Versorgungswerke künftig stärker reguliert oder gar in staatliche Strukturen überführt werden könnten?

Strunk: Nein, diese Gefahr sehen wir nicht.