pro&contra

Kann ein „Boomer-Soli“ die Rente retten?

Reiche Rentner der Babyboomer-Generation sollen nach einem Vorschlag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung für ärmere Rentner einen „Soli" zahlen. Kann das die Rente retten? Ein „pro&contra" von DIW-Steuerexperte Stefan Bach und VdK-Präsidentin Verena Bentele.

Author_image
21:07 Uhr | 29. Juli | 2025
DIW-Steuerexperte Stefan Bach und VdK-Präsidentin Verena Bentele

DIW-Steuerexperte Stefan Bach und VdK-Präsidentin Verena Bentele

| Quelle: DIW Berlin / Susie Knoll

Der Boomer-Soli ist kein Ersatz für strukturelle Rentenreformen, aber eine Ergänzung
Stefan Bach

Steuerexperte und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Staat im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)

„Die Rente ist sicher“ – dieses Versprechen der alten Bundesrepublik gilt heute nicht mehr. Die demografischen Schieflagen in den sozialen Sicherungssystemen sind seit langem absehbar. Dafür hätte man vor 30 Jahren anfangen sollen, Rücklagen zu bilden – als die vielen Babyboomer auf den Arbeitsmarkt strömten, aber zu wenig Kinder bekamen. Jetzt gehen sie in Rente, und die Sozialkassen sind leer.

Belastungen umverteilen

Die neue Koalition will steigende Rentenbelastungen über höhere Beiträge und Steuerzuschüsse finanzieren. Das geht zulasten der Erwerbstätigen. An Reformen wie ein höheres Renteneintrittsalter oder die Abschaffung der „Rente mit 63“ traut man sich nicht ran.

Kürzungen beim Rentenniveau sind daher unausweichlich, wenn die Erwerbstätigen nicht so stark belastet werden und noch darauf vertrauen sollen, dass sie später auch noch eine auskömmliche Rente bekommen. Rentenkürzungen belasten die Ruheständler, die auf die Rente vertraut haben. Und die Altersarmut wächst weiter.

Um die Belastungen innerhalb der Rentner-Generationen umzuverteilen, schlägt das DIW Berlin einen Babyboomer-Soli vor – eine Zusatzabgabe auf alle Alterseinkommen oberhalb eines Freibetrags: gesetzliche Renten, Pensionen, Betriebs- und Privatrenten sowie gegebenenfalls auch Kapitaleinkünfte.

Altersarmut würde sinken

Mit einem moderaten Satz von zum Beispiel zehn Prozent könnten die unteren 40 Prozent der Ruheständler gezielt entlastet werden. Profitieren würden die Ruheständler mit den geringen Renten. Die ansonsten steigende Altersarmut würde dann um bis zu ein Viertel sinken.

Die einkommensstärksten 20 Prozent würden moderat belastet, die Mehrheit bliebe verschont. Dass wohlhabendere Rentner länger leben und so überproportional vom System profitieren, ist ein weiteres Argument für eine moderate Korrektur. Ergänzende Vorsorge wird potenziell belastet, aber nur bei wenigen stärker.

Alternativen wie die Grundrente greifen zu kurz: Sie erreicht zu wenige. Die Grundsicherung im Alter oder das Wohngeld nimmt etwa die Hälfte der älteren Menschen nicht in Anspruch – aus Unkenntnis, Scham oder Angst vor dem Rückgriff auf Angehörige, oder auch, weil die Beantragung kompliziert ist und viele überfordert. Und diese Leistungen sind steuerfinanziert, werden also von allen getragen.

Erhöhung des Renteneintrittsalters kommt

Der Boomer-Soli ist kein Ersatz für strukturelle Rentenreformen, aber eine Ergänzung. Die Erhöhung des Renteneintrittsalters kommt so sicher wie das Amen in der Kirche. Schon demnächst will die Bundesregierung die Weiterarbeit im Rentenalter fördern – mit der Aktivrente. Nur ist das eher etwas für gutverdienende Geistes- und Büroarbeiter, nichts für die sprichwörtlichen Dachdecker und Krankenschwestern.

Bei Ersteren kann der steuerbegünstigte Mehrverdienst die Nachteile des Boomer-Solis ausgleichen. Bei Letzteren wirkt die Erhöhung des Renteneintrittsalters als Rentenkürzung. Das kann durch die Solidargemeinschaft der Boomer ausgeglichen werden, ohne die Jungen zu belasten. Das stärkt letztlich den Generationenvertrag.

Wir müssen endlich über eine gerechte Beteiligung von Überreichen an der Finanzierung des Sozialstaats sprechen
Verena Bentele

Präsidentin Sozialverband VdK Deutschland

Täglich grüßt das Murmeltier mit neuen Horrormeldungen zur Rente: eine Wirtschaftsweise will die Witwenrente abschaffen, ein anderer Sachverständiger will das Rentenniveau absenken, und dann fordert noch ein selbsternannter „Rentenpapst“ die Rente ab 70.

Schuld an der Misere ist anscheinend immer wer? Die Generation der Babyboomer, die selbst zu wenig Kinder großgezogen hätte, aber trotzdem im Alter in Saus und Braus leben will. Bezahlen müsse das die jüngere Generation mit steigenden Beiträgen.

Einen Ausweg aus der vermeintlichen Misere hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) am Reißbrett entwickelt: In der ersten Variante soll die angeblich wohlhabende, ältere Generation auf alle Alterseinkünfte, also auch Beamtenpensionen, ab 902 Euro einen zehnprozentigen Boomer-Soli zahlen und mit dem Geld niedrigere Alterseinkommen aufstocken. In der zweiten Variante sollen nicht nur Alters-, sondern auch Kapitaleinkünfte über 1.048 Euro herangezogen werden.

Als die DIW-Studie zum Boomer-Soli es als erste Nachricht der 20 Uhr-Ausgabe der Tagesschau schaffte, war die Stimmung in unserer VdK-Mitgliedschaft eindeutig: Es regnete eine Flut an E-Mails und Anrufen, die uns aufforderten, diesem „Unsinn“ lautstark entgegenzutreten.

Boomer-Soli schafft keine gerechte Umverteilung

Das Gebot der Stunde ist aus Sicht des Sozialverbands VdK, endlich über eine gerechte Beteiligung von Überreichen an der Finanzierung des Sozialstaats zu sprechen, beispielsweise durch kluge, faire und solidarische Abgaben auf alle hohen Vermögen und sehr große Erbschaften. Eine solch gerechtere Umverteilung schafft kein Boomer-Soli!

Im Frühjahr haben wir gemeinsam mit Fiscal Future - einem überparteilichen Thinktank junger Wirtschaftswissenschaftler*innen für eine zukunftsfähige Finanzpolitik – genau das durchrechnen lassen.

Bis zu zehn Milliarden Euro könnte eine sozial gerechte Ausgestaltung der Erbschaftssteuer einbringen, 40 Milliarden brächte eine verfassungsgemäße Form der Vermögenssteuer und weitere 25 Milliarden könnten nach Schätzungen des VdK über eine konsequentere Bekämpfung von Steuervermeidung erzielt werden.

In unserem Konzept liegen die Freibeträge - also die Grenzen für die höhere Besteuerung -nicht bei 1.000 Euro im Monat, sondern für die Erbschaftssteuer bei zwei Millionen Euro. Bei der Vermögenssteuer sollen Vermögen ab fünf Millionen Euro mit einem Prozent und Vermögen über 100 Millionen Euro mit zwei Prozent besteuert werden. Belastet würde dadurch nicht die Mehrzahl der 21,3 Millionen Rentnerinnen und Rentner, sondern gerade einmal 300.000 Reiche. 

Ältere Generation wird einseitig belastet

Diese Steuermittel könnten dann für die vielen gesamtgesellschaftlichen Leistungen, die die Renten- und auch die Kranken- und Pflegeversicherung mittlerweile aus ihren Beitragsmitteln bezahlen, verwendet werden. Damit können nicht nur die Beitragssätze stabilisiert, sondern endlich auch ein höheres Rentenniveau und eine bessere Gesundheitsversorgung und Pflege finanziert werden.

So sieht ein generationengerechter Beitrag zur Finanzierung unseres Sozialstaates aus: die zukünftigen Aufgaben werden auf wirklich breitere Schultern verteilt und nicht einseitig bei der älteren Generation abgeladen.

Was für und was gegen einen „Boomer-Soli“ spricht

Pro:

  • Entlastung für Jüngere: Wohlhabende Rentner zahlen mehr.

  • Senkung der Altersarmut: Geringverdienende Rentner profitieren.

  • Ergänzung zu Reformen: Übergangslösung zu Rentenreformen.

Contra:

  • Ungerechtigkeit: Ältere Generation wird unfair belastet.

  • Begrenzte Wirkung: Keine langfristige Lösung.

  • Bessere Alternativen: Vermögenssteuer wäre gerechter.

Kann ein „Boomer-Soli“ die Rente retten?