Muster-PIB: Analyse kritisiert unrealistische Kostenszenarien
Produkte der geförderten Altersvorsorge seien „fast immer zu teuer“, sagen Kritiker der Riester- und Basisrente seit Jahren. Studien würden dies belegen. Jetzt zeigt eine Analyse vom Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM, dass die Ergebnisse der von den Kostenkritikern herangezogenen Studien „nicht der Realität entsprechen“. Zentrale Aussagen aus dem Papier liegen procontra vorab exklusiv vor.
Beitrag zur Reformdebatte
Die Forscher schlagen vor, die Art der Kostenausweisung weiterzuentwickeln und anzupassen, um Verbrauchern ein realistisches Bild zu vermitteln. Ein zusätzlicher Ausweis der tatsächlichen Effektivkosten könnte die Lösung sein, heißt es in dem Schreiben. Die Empfehlung erfolgt vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um eine Reform der Altersvorsorge.
Laut ITWM schreibt der Gesetzgeber bei geförderten Altersvorsorgeprodukten das Produktinformationsblatt (PIB) vor. Dies gebe es als individuelle Version – die den Kunden vor Vertragsabschluss überreicht werde – und zusätzlich als Muster-PIB, das online verfügbar sei. Das individuelle PIB berücksichtige die von Verbrauchern gewählten Fonds und die von ihnen festgelegte Laufzeit sowie deren Eintrittsalter. Dem Muster-PIB dagegen liegen demnach Standarddaten zugrunde.
Produktinformationsblatt in zwei Varianten
Den Wissenschaftler zufolge weisen beide Formen der PIB die Effektivkosten eines Produktes aus. Diese bringen zum Ausdruck, wie stark die Rendite der Rentenversicherung durch sämtliche darin enthaltene Kosten reduziert wird – also, was unter dem Strich übrigbleibt.
Das ITWM hat nun im Auftrag des Unternehmens MLP die Aussagekraft der unterschiedlichen PIBs analysiert. Denn in der Vergangenheit seien verschiedene Studien in Umlauf gebracht worden, in denen die Herausgebenden solcher Veröffentlichungen auf Basis von Muster-PIBs eigene Berechnungen und Interpretationen zu den Produktkosten vorgenommen haben. Dabei sei der Eindruck entstanden, es handele sich um die tatsächlichen Kosten – dies sei aber nicht der Fall.
Das ITWM habe in seiner Analyse die Effektivkosten von Basisrenten genauer angeschaut. Gegenübergestellt worden sind Berechnungen gemäß der bestehenden gesetzlichen Vorgaben (Muster-PIB) und Berechnungen unter Verwendung „realistischer Kostensätze“. Letztere seien solche, wie sie überwiegend in der Praxis vorkommen. Beim Ausweis der Effektivkosten gemäß gesetzlicher Vorgaben seien die Anbieter verpflichtet mit dem teuersten Fonds zu rechen und zudem auch gegenläufige „kostensenkende Effekte“ wie zum Beispiel Erstattungen von Fondsanbietern an den Versicherer, die an die Kunden weitergegeben würden, auszublenden.
Berechnungen der Mathematiker
In der „realistischen Berechnung“ des ITWM wurde den Angaben zufolge eben nicht der teuerste mögliche Fonds, sondern ein im Neugeschäft sehr oft von Verbrauchern ausgewählter Fonds (ETF) kostenseitig in die Berechnung einbezogen. Auch die üblichen „kostensenkenden Effekte“ haben die Forscher berücksichtigt. Diese würden auch in den individuellen PIBs ausgeblendet, weshalb die Finanzmathematiker ihre eigenen Berechnungen vorgenommen haben.
Im Ergebnis seien die im Muster-PIB ausgewiesenen Effektivkosten und die Ergebnisse anhand „realistischer Kostensätze“ sehr unterschiedlich. Im Muster-PIB werde das jeweilige Produkt „stets deutlich teurer dargestellt – mitunter sogar bis um das Dreifache überhöht“.
Daher seien Studien, die auf den im Muster-PIB ausgewiesenen Effektivkostensätzen basieren, nicht für Aussagen zur realistischen Kostenangabe geeignet. Vielmehr erhielten Verbraucher im Muster-PIB nur eine „theoretische Obergrenze für die Kostenbelastung“. In Zukunft sollten Verbraucher die Chance haben, „zwischen theoretischer Obergrenze und realistischem Fall zu unterscheiden“.