Altersvorsorge: Was tun bei Inflation und Zinswende?

Makler suchen vermehrt nach Wegen, die Altersvorsorge ihrer Kunden im Umfeld von Inflation, steigenden Zinsen, Mehrbelastungen und volatilen Kapitalmärkten wetterfest zu machen. Ein Patentrezept gibt es nicht, aber ein paar einfache Grundsätze.

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15:11 Uhr | 07. November | 2022
Altersvorsorge: Was tun bei Inflation und Zinswende? Bild: AlenaPaulus

Der Wert des bisherigen Vermögens lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erhalten, dämpft Finanzanalytiker Volker Looman Anlegerhoffnungen. Bild: AlenaPaulus

Im Oktober stieg die Inflationsrate in Deutschland um 0,4 Prozentpunkte gegenüber dem Vormonat auf nunmehr 10,4 Prozent. Die Teuerung wird auch auf die Altersversorgung durchschlagen. Dies wirkt sich insbesondere auf die Sparer aus, weniger auf die Rentner.

Beispiel Betriebsrente: Der überwiegende Teil der laufenden Betriebsrenten ist gegen Inflation geschützt. „Doch für Anwärter gibt es diesen Schutz häufig nicht und die Ansprüche werden durch die Inflation mehr oder weniger stark entwertet“, sagt Friedemann Lucius, Vorstandschef des Instituts der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung (IVS). Hintergrund: Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, spätestens alle drei Jahre die Höhe der laufenden Betriebsrenten zu prüfen und nach billigem Ermessen anzuheben.

Betriebsrenten und der Verbraucherpreisindex

Werden Renten an den Verbraucherpreisindex für Deutschland (VPI) oder die Nettolohnentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmergruppen angepasst, entfällt die Prüfungspflicht. „In der Praxis unterliegen geschätzt 70 Prozent der laufenden Betriebsrenten der VPI-Anpassungsregelung und sind insofern inflationsgeschützt“, so Lucius.

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Anders bei Anwärtern, also den künftigen Betriebsrentnern: „In den meisten Fällen führt die Inflation zu einer Entwertung ihrer verdienten Ansprüche“, sagt Lucius. Zudem nimmt der Druck zu, bestehende Entgeltumwandlungen womöglich einzustellen, um die laufende Lebenshaltung bestreiten zu können. Bei unvollständigem Inflationsausgleich auf das Gehalt müssten auch Kaufkraftverluste hingenommen werden, die die Fähigkeit zur ergänzenden Altersvorsorge zusätzlich schmälern.

Kapitalmarktnahe Produkte und BoLZ als Renditeretter

Was tun? In der bAV könnte schon die Umstellung der arbeitsrechtlichen Zusage auf eine beitragsorientierte Leistungszusage (BoLZ) helfen, weil die auf niedrigere Garantien als die Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) setzt und damit das Renditepotenzial deutlich verbessert. Damit wird zumindest der Abstand zur aktuellen Inflationsrate verringert. Sollte die sich wieder bei 2,0 bis 3,0 Prozent einpendeln, sind mit einer BoLZ wieder rentierliche Betriebsrenten zu erwarten, insbesondere mit fondsgebundenen Produkten im Durchführungsweg Direktversicherung.

Noch besser sind die Aussichten auf auskömmliche Renditen, wenn bei der arbeitsrechtlichen Zusage eine reine Beitragszusage (rBZ) gewählt wird. Die ist nur über Tarifverträge erlaubt (Sozialpartnermodell) und neuerdings in den Branchen Energiewirtschaft und Chemie abschließbar. Dabei wird aktuell der Durchführungsweg Pensionsfonds favorisiert. Die Rolle der externen Berater der Arbeitgeber und deren Bezahlung ist im Moment noch unklar. Der Abschluss soll nach dem Willen der Politik möglichst nichts kosten. Das hatte aber bereits in der Frühzeit der Riester-Rente nicht funktioniert.

Zinswende als Segen und Fluch für Lebensversicherer

Die Zinswende schafft zumindest Entlastung bei den Lebensversicherern und versicherungsförmigen bAV-Durchführungswegen. „Die Rechnungszinsen sind auf Zehnjahreszeitraum nie so dynamisch angestiegen wie in den vergangenen sechs Monaten“, sagt Wolfgang Murmann von Insight Investment. Dies sind vor allem für den bAV-Durchführungsweg Pensionszusage sehr gute Nachrichten, denn der Barwert der Pensionsverpflichtungen sinkt und entlastet die Unternehmensbilanzen. „Je nach Duration sind die Verpflichtungen um 20 bis 40 Prozent gesunken“, so Murmann. Und fügt hinzu: „Die starke Verpflichtungsperformance dürfte die schwache Assetperformance kompensieren.“

Die Lebensversicherer sind von der schnellen Zinswende und deren Höhe überrascht worden. Für das laufende Jahr hatten sie die Überschussbeteiligung nicht noch weiter absacken lassen und feierten dies im vergangenen Dezember als Erfolg, 2022 im Schnitt 2,13 Prozent Garantiezins bieten zu können. Das wird bei Bekanntgabe der Deklarationen für 2023 angesichts hoher Inflation und auf 2,0 Prozent gestiegenen Leitzins der EZB niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Da helfen nur noch kapitalmarktnahe Produkte oder zumindest Rentenpolicen mit abgesenkten Garantien.

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Wie Makler Kunden für mehr Risiko sensibilisieren könnten

Technisch sei dies für die Lebensversicherer eine ambivalente Entwicklung, konstatiert die BaFin. Viele von ihnen können nun von einer höheren Verzinsung von Vermögenswerten profitieren und ihre Ertragskraft steigern. Jedoch sinken durch die fallenden Kurse der festverzinslichen Wertpapiere die stillen Reserven, es würden stille Lasten aufgebaut. Daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, ist für Makler nicht ganz einfach, denn sie müssen ihre Kunden in jedem Fall davon überzeugen, höhere Risiken bei sinkenden Garantien einzugehen, wenn eine auskömmliche Altersvorsorge herauskommen soll.

Dabei würde schon eine bessere Finanzbildung der Kunden helfen. Mehr als die Hälfte der Deutschen würde für ihr praktisches Finanzwissen als Schulnote eine Vier minus oder schlechter bekommen, ergab eine Finanztip-Umfrage im letzten Jahr. Eine neue Studie der Mannheimer Wirtschaftsforscher (ZEW) und des SAFE in Frankfurt Main) unter 14.000 Bankkunden zeigt nun: Eine nationale digitale Rentenübersichtsplattform könnte helfen, fehlende Finanzbildung zu kompensieren, die Unsicherheit zu überwinden und die eigene Altersvorsorge zu planen. So stiegen auch die Rücklagen für den Ruhestand.

Traum vom realen Vermögenszuwachs vorerst ausgeträumt

Schnelle Hoffnung auf realen Vermögenszuwachs kann Finanzanalytiker Volker Looman jedoch nicht machen. Im Gegenteil: „Der Wert des bisherigen Vermögens lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erhalten“, schrieb Looman kürzlich in seiner FAZ-Kolumne und beschränkte sich dabei auf die Betrachtung von Geldanlagen. Der Grund: Inflation und Steuern sind höher als die Erträge und Zinsen. Looman rechnet dies für verschiedene Geldanlagen durch und geht von 3,5 Prozent Geldentwertung pro Jahr in der Zukunft aus.

Ergebnis: Berücksichtigt man Abgeltungsteuer (25 Prozent) und Verwaltung (Looman unterstellt 1,5 Prozent pro Jahr), muss das Kapital mindestens 6,17 Prozent jährlich einbringen, um den Wert real zu erhalten. „Das werden Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht schaffen“ schreibt er und mahnt zu innerer Gelassenheit. Überschüssige Beträge auf dem Girokonto zu belassen, verbiete sich jedoch wegen der Inflation. Die mache in zehn Jahren aus 50.000 Euro 35.446 Euro. Der Schwund könne nur durch Arbeit und Sparsamkeit kompensiert werden.

Vermögenserhalt nur mit hohem Risiko realistisch

Bei festverzinslichen Wertpapieren könnten die Erträge bei soliden Schuldnern nach zehn Jahren mit der Inflationsrate von 3,5 Prozent gleichziehen. Allerdings bleiben nach Steuern von den eingesetzten 50.000 Euro nur 44.750 Euro übrig, hat Looman ausgerechnet. Besser sehe die Rechnung bei Investition in eine Wohnimmobilie aus, die zum Faktor von 35 Jahresmieten gekauft und sicher mit einer Staffelmiete versehen wird, die pro Jahr um 3,0 Prozent ansteigt. Nach Abzug von Steuern und Inflation stehen nach zehn Jahren 493.000 Euro zu Buche – immer noch ein kleiner Verlust.

Bleiben Aktien, die nach Steuern, Inflation und Verwaltung bei günstigen ETF mindestens 5,0 Prozent Rendite zum Vermögenserhalt abwerfen müssten (bei Aktien und aktiv gemangten Fonds eher 6,2 Prozent) – jeweils ohne Garantie auf Erfolg. Man müsse sich darauf einstellen, dass das „schöne Vermögen wie die Gletscher in den Alpen schmelzen wird“ schreibt Looman. Der Schaden könne allenfalls mit einer Mischung aus verschiedenen Anlagen minimiert werden, etwa mit einer Drittelmix aus Anleihen, Aktien und Gold.

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