Entgegen dem VVaG-Wachstumstrend

Regulierung zwingt kleine Versicherungsvereine zum Aufgeben

Große Versicherungsvereine gewinnen immer mehr Marktanteile. Doch parallel dazu mussten allein 2022 fünf kleine VVaG die Segel streichen. Ein Grund dafür sind nicht mehr zu stemmende regulatorische Anforderungen.

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15:02 Uhr | 17. Februar | 2023
Bürokratie

Allein im vergangenen Jahr haben sich 5 kleine Versicherungsvereine aufgelöst. Als Gründe werden unter anderem die zunehmende Regulierung und der damit verbundene bürokratische Aufwand für den versicherungsbetrieb genannt.

| Quelle: demaerre

Versicherungsvereine (VVaG) sind gegenüber Aktiengesellschaften (AG) und öffentlich-rechtlichen Versicherern (örVU) im Aufwind. Zu dieser Erkenntnis gelangte kürzlich eine Langzeitbetrachtung des Kölner Instituts für Versicherungsinformation und Wirtschaftsdienste GmbH (KIVI). In den 25 Jahren von 1997 bis 2021 ist demnach die Anzahl der VVaG in Deutschland um 17 auf 104 gewachsen, während die AGs von 92 auf 75 und die öRVU von 33 auf 28 an der Zahl zurückgingen. Auch bei den Marktanteilen nach Beitragseinnahmen konnten die Vereine stark zulegen, während die anderen beiden Rechtformen Anteile einbüßten.

Doch der Siegeszug der Versicherungsvereine kommt nicht ohne Kollateralschäden daher. Nur weil die Rechtsform auf VVaG lautet, ist der Geschäftsbetrieb nicht automatisch erfolgreicher oder einfacher. Denn während vor allem die großen Anbieter dieser Zunft immer weiter wachsen, tun sich kleine, oft eng mit einzelnen Unternehmensgruppen verbundene VVaG sehr schwer. Das belegt eine Auflistung unter den Bekanntmachungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) aus dem vergangenen Jahr. Demnach haben sich die folgenden fünf Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit im Jahr 2022 nach eigenem Mitgliederbeschluss aufgelöst:

Nicht alle Versicherer wollten sich auf procontra-Nachfrage zu den Ursachen für die Auflösung äußern. Doch unter anderem die Thüga Schadenausgleichskasse, die im Jahr 2021 noch 4.442 Versicherungsverträge und knapp zwei Millionen Euro Beitragseinnahmen verwaltete, machte ausführliche Angaben. Der Verein versicherte seit 1989 überwiegend die Firmenfahrzeuge der Thüga Gruppe, zu der sich deutschlandweit mehr als 100 kommunale Energie- und Wasserdienstleister zusammengeschlossen haben. Außerdem wurden Maschinen-, Einbruchdiebstahl- und Glasversicherungen für die Unternehmen angeboten. Externe Makler spielten dabei keine Rolle, da alle Fäden in Sachen Betrieb und Neugeschäft bei der Thüga Assekuranz Services München Versicherungsmakler GmbH zusammenliefen.

Mit dem VVaG-Konzept, bei dem die Überschüsse im Unternehmen bleiben, habe man lange Zeit günstige Versicherungslösungen anbieten können, so Thüga-Sprecher Dr. Detlef Hug. Doch diese Zeiten sind vorbei. „Die sich in den vergangenen Jahren veränderten Rahmenbedingungen sowie absehbare zukünftige Entwicklungen im Versicherungsgeschäft haben schließlich zur Entscheidung der Mitglieder geführt, die Schadenausgleichskasse aufzulösen“, erklärte Hug gegenüber procontra. Der Verwaltungsaufwand und damit die Kosten seien in den vergangenen Jahren weiter gestiegen, während gleichzeitig die versicherten Risiken rückläufig gewesen wären. Zudem habe man bei Thüga erwartet, dass die Anforderungen an Versicherer, etwa in den Bereichen Regulatorik und Wirtschaftsprüfung, in den nächsten Jahren zu weiteren Kostensteigerungen führen würden.

Molkerei-bAV im Run-off

Ein ähnliches Schicksal ereilte die VK BMI, die seit 1936 die betriebliche Altersversorgung inklusive Invalidenrente für die Beschäftigten der zugehörigen Molkereiunternehmen verwaltete. Auch hier spielten Vermittler keine Rolle, da nur Betriebsinterne aufgenommen wurden. In der Spitze hatte man, laut dem BMI-Vorstandsvorsitzenden Dr. Thomas Obersojer, 577 Versicherte gezählt. Doch bereits vor knapp 25 Jahren hatte man die Versorgungskasse, trotz der wachsenden Bedeutung der bAV für einen finanziell abgesicherten Ruhestand, für Neubeitritte geschlossen. „Wir haben sie als ehrenamtliche Vorstände geführt, neben unserem normalen Business. Das war aufgrund der immer weiter steigenden Anforderungen der BaFin langfristig kaum mehr zu stemmen“, sagt Obersojer.

Überbordende Regulierung?

Sind die Auflösungen kleinerer VVaG, deren Angebote oft auf die Bedürfnisse ganz spezieller Belegschaften zugeschnitten waren, also Anzeichen einer überbordenden Regulierung der letzten Jahre? Die Antwort der Aufsicht darauf fällt schmallippig aus: „Die Frage der Regulierung fällt in den Zuständigkeitsbereich des nationalen beziehungsweise europäischen Gesetzgebers. Aufgabe der BaFin ist es unter anderem, auf die Einhaltung der Gesetze zu achten.“

Zudem verwies eine Sprecherin darauf, dass auch kleinere VVaG Teil des Finanzsystems seien und beispielsweise als Kapitalanleger auftreten würden. Damit seien naturgemäß auch Anforderungen verknüpft. „Die BaFin begegnet dem mit Augenmaß: Wo möglich und gerechtfertigt, übt sie ihren aufsichtlichen Ermessenspielraum aus und handelt nach dem Grundsatz der Proportionalität, etwa beim Berichtswesen“, so die Sprecherin. Nicht zutreffend sei die „Unterstellung“ in unserer Nachfrage, ob die wachsende Regulierung kleine VVaG eventuell gezielt aussiebe, um die dort schlummernden rechtlichen Risiken wegen Überforderung zu begrenzen.

Haben kleine VVaG und interne Pensionskassen noch eine Zukunft?

Auf unsere Nachfrage, ob das Modell kleinerer VVaG, zum Beispiel für interne Pensionskassen, noch eine Zukunft habe, wollte man seitens der BaFin nicht spekulieren beziehungsweise antworten. Im Falle der VK BMI wurde der übrige Bestand mit knapp 250 Mitgliedern und etwa 25.000 Euro jährlichen Beitragseinnahmen zur Abwicklung auf die Hamburger Pensionskasse von 1905 VVaG (HPK) übertragen.

Aus der dortigen Unternehmenskommunikation heißt es, die für die Ansprüche der Begünstigten maßgeblichen Allgemeinen Bedingungen würden unverändert weitergeführt. Die früheren Mitglieder der VK BMI könnten bei der HPK große Sicherheit und Wirtschaftskraft, schlanke Prozesse und eine kostengünstige Verwaltung erwarten. Eine Art Cross Selling oder ähnliche Geschäftsmodelle für die neuen Kunden würden weder die HPK noch die übergeordnete Hamburger Pensionsverwaltung eG anbieten. Die Herausforderungen, vor denen kleine, mittlere, aber auch größere Versorgungseinrichtungen stehen, schätzen die Hamburger als vielschichtig ein. Dazu würden unter anderem die stark zunehmenden rechtlichen Anforderungen und die daraus resultierenden Aufwände zählen.