Bei vielen Versicherern sind die alten BSV-Bedingungen unklar formuliert gewesen. Entsprechend unterschiedlich fallen bislang die Urteile aus, die betroffene Gewerbekunden gegen ihre Versicherer angestrengt hatten.
Der Bundesverband Deutscher Versicherungs-Makler (BDVM) schätzt, dass sich im Streit um „alte“ Betriebsschließungsversicherungen (BSV) die Urteile zugunsten der Kunden durchsetzen werden, weil sie durchweg fundierter begründet waren als ablehnende Entscheidungen einiger Landgerichte.
Donisl-Wirt klagt gegen Allianz trotz Vergleich
Nun scheint auch der Bayerische Kompromiss die Versicherer einzuholen: Der Wirt des Münchener Restaurants Donisl hat Klage gegen die Allianz auf Zahlung der vollen BSV-Entschädigung trotz einer Kompromiss-Vereinbarung eingereicht, wie die Anwaltskanzlei Beiten Burkhardt mitteilt. Begründung: Die Vereinbarung nach dem Bayerischen Modell sei sittenwidrig und unwirksam.
Die Versicherer haben auf die Situation reagiert und die BSV aufgeweicht – entweder über die Kündigung im Schadenfall, eine einvernehmliche Vertragsänderung oder einseitig geänderte Bedingungen. Für Covid-19 und vergleichbare Pandemien besteht nun in der Regel überhaupt keine Deckung mehr, so der BDVM.
Neue Muster-AVB schließen Pandemien aus
Dem entsprechen auch die neuen, unverbindlichen BSV-Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), die nun in sechs Vertragsvarianten vorliegen. „Mit den Klauseln schaffen wir Klarheit – auch im Interesse unserer Kunden“, lässt sich GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen zitieren. Klar ist damit jedoch nur: Flächendeckende Betriebsschließungen, wie in der Corona-Pandemie angeordnet, sind künftig eindeutig vom Schutz ausgenommen.
Bezahlt wird nämlich nicht mehr, wenn Betriebe flächendeckend per Allgemeinverfügung geschlossen werden. „Solche politischen Entscheidungen sind keine zufälligen Ereignisse, nicht kalkulierbar und daher generell vom Schutz ausgeschlossen – auch Pandemien“, begründet Asmussen. Bezahlt wird nur noch, wenn im Betrieb eine definierte Krankheit oder ein definierter Krankheitserreger auftritt und der Betrieb per Einzelverfügung geschlossen wird, um das Ausbreiten zu verhindern. Dieses zufällige Ereignis sei kalkulier- und damit versicherbar, so der GDV.
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Flächendeckende Absicherung bald mit Staatshilfe?
Damit wird die Problematik der Allgemeinverordnungen, die ganze Branchen aus Präventionsgesichtspunkten zur Schließung verpflichtet, ausgeschlossen. Vom Risikoausgleich im Kollektiv kann dann keine Rede mehr sein, pflichtet der BDVM dem GDV bei. Um einen Pandemie-Versicherer zu organisieren, sei auch der Staat gefragt.
Gemeinsam mit dem Gesamtverband der versicherungsnehmenden Wirtschaft (GVNW) hat der BDVM das Modell einer Pandemieversicherung für flächendeckende Ereignisse entwickelt. Innerhalb einer sogenannten „Public-Private-Partnership“ sollte der Staat sich bei der Finanzierung angemessen beteiligen. Die Absicherung sollte eine freiwillige Lösung sein. Bei der Politik stoße das Modell zwar auf Interesse, doch aktuell konzentriere sie sich auf die Bekämpfung der Pandemie. Mit einer Entscheidung sei nicht vor dem späten Frühjahr 2021 zu rechnen, ist von mehreren Verbänden zu hören.
Was neue BSV-Policen bieten
Makler können derzeit nur die neuen Bedingungen studieren und in der Firmenkundenberatung auf den Schutz bei Einzelverfügung setzen. Die neuen Policen sind zwar auf den ersten Blick meist preisgünstig, decken aber praktisch nie Corona-bedingte Schäden und solche durch künftige Pandemien ab. Einzig der HDI inkludiert den Pandemieschutz, aber nur noch, wenn der Betrieb per Einzelverfügung geschlossen wird. Die Police ist mehrfach teurer als die leistungsschwächeren neuen Angebote der Konkurrenz.
Gezahlt wird von den Versicherern im Regelfall wie früher bei einer Salmonellen-Infektion im Betrieb der Gewinn und die fortlaufenden Kosten (Lohnfortzahlung bei Tätigkeitsverbot, Warenwert bei Vernichtung von Waren, Kosten für Desinfektion und für Beobachtung) im Rahmen der individuell vereinbarten Versicherungssumme, Entschädigungsgrenzen und Haftzeiten.
Zurückhaltung und kaum noch BSV-Ausschnittdeckung
Einige Versicherer nehmen derzeit noch keine Neukunden nach den neuen Bedingungen auf. Andere, etwa der HDI, versichern nun nicht mehr nur lebensmittelverarbeitende Firmen sowie die Gastronomie und Medizinbranche, sondern Firmen jeglicher Branchen bis zu einem Jahresumsatz von fünf Millionen Euro.
Allerdings klappt der BSV-Schutz meist nur im Gesamtpaket mit einer Betriebsinhalts- und Betriebsunterbrechungsversicherung, betont der Münchener Verein. Die BSV-Ausschnittdeckung allein wird bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht am Markt geboten.
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