Impfschäden: „Eine private Unfallversicherung und das Haftungsregime ergänzen sich sinnvoll“

Nur Impfungen bieten einen Ausweg aus der Corona-Krise. Doch die Skepsis vieler Menschen ist groß, auch wegen möglicher Impfschäden. Was müssen Makler dazu wissen? Und wie gilt es das Thema anzusprechen? procontra hat dazu Rechtsanwalt Detlef Koch befragt.

Author_image
12:01 Uhr | 13. Januar | 2021
Impfschäden Bild: Bild: Pixabay/torstensimon

Was gilt es bei der Impfung gegen Corona versicherungstechnisch zu beachten? Bild: Pixabay/torstensimon

Ein baldiges Ende des Corona-bedingten Lockdowns scheint vorerst nicht in Sicht: Nach wie vor sind die Infektionszahlen zu hoch, Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte laut einem Bericht der Tagesschau vor weiteren „acht bis zehn sehr harten Wochen“. Als Ausweg aus der Pandemie gilt die Impfung: Nur wenn sich ausreichend Menschen immunisieren lassen, ist eine Rückkehr ins alte Leben möglich.

Das Problem dabei: Viele Deutschen scheuen vor einer Impfung zurück. Laut dem „Covid-19 Snapshot Monitoring“ der Universität Erfurt beabsichtigten Mitte April vergangenen Jahres noch 74 Prozent aller Deutschen, sich impfen zu lassen – momentan beträgt dieser Wert nur noch 57 Prozent, wenn auch die Impfbereitschaft in den vergangenen Wochen wieder merklich zugelegt hat.

Getrieben wird die Impfskepsis von der Angst vor eventuellen Nebenwirkungen, wie eine Studie des Hamburger Centers for Health Economics im Sommer zutage förderte. Insbesondere die schnelle Entwicklungszeit der verschiedenen Impfstoffe stimmt viele Menschen skeptisch.

Doch wie groß ist die Gefahr eines Impfschadens generell? Wer haftet in einem solchen Fall? Und lohnt sich dafür eine private Unfallversicherung? Dazu stellte procontra dem auf Medizin- und Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt Detlef Koch von der Kanzlei Schulte & Prasse einige Fragen.

procontra: Viele Menschen sorgen sich angesichts der bevorstehenden Impfungen gegen Covid-19 vor etwaigen Impfschäden. Ganz allgemein: Wie häufig kommen Impfschäden vor?  

Anzeige

Detlef Koch: Impfschäden treten vergleichsweise selten auf. Man kann von ca. 200 Fällen jährlich ausgehen, wovon letztlich rund ein Sechstel anerkannt wird.  

procontra: Lässt sich ein Impfschaden denn eindeutig nachweisen?  

Koch: Impfschäden sind nur schwer nachweisbar. Viele Gesundheitsbeeinträchtigungen, die nach einer Impfung auftreten und ihr von den Impflingen zugeordnet werden, können anderer Genese sein.  

procontra: Für den Fall, dass es tatsächlich zu einer dauerhaften Schädigung kommt: Wer übernimmt den entstehenden Schaden?  

Koch: Haftungstechnisch kommen unter anderem das betreffende Bundesland, der behandelnde Arzt oder der sogenannte pharmazeutische Unternehmer, sprich der Inhaber der Zulassung für das entsprechende Medikament, in Betracht. Beim behandelnden Arzt geht es beispielsweise dann um die Frage, welche Aufklärungspflichten bestehen und ob diese tatsächlich wahrgenommen wurden. Üblicherweise muss der Impfling in einem ärztlichen Gespräch sowohl über Risiken als auch Alternativen aufgeklärt werden: Welche Risiken sind bekannt, beispielsweise aus der Erprobung, welche Kenntnisse bestehen noch nicht? Weisen unterschiedliche Impfstoffe unterschiedliche Risiken auf, könnte auch eine Aufklärungspflicht diesbezüglich angenommen werden, damit der Impfling entscheiden kann, welchen Impfstoff er erhalten möchte. Hier ergeben sich diverse haftungsrechtliche Anknüpfungspunkte.  

procontra: Wie sieht es bei den Covid-19-Impfungen aus? Kann hier der Staat in Haftung genommen werden, weil er die Impfungen empfiehlt?  

Koch: Hier gilt nichts Anderes. Möglich ist das, wenn die Haftungsvoraussetzungen nach dem Infektionsschutzgesetz gegeben sind.  

procontra: Unfallversicherer betonen derzeit verstärkt den Einschluss von etwaigen Impfschäden in ihren Versicherungspolicen. Braucht es diesen Schutz überhaupt, wenn der Staat ohnehin zahlt?  

Koch: Die staatliche Entschädigung wird bei Vorliegen der nachzuweisenden Voraussetzungen in Form einer Rente gewährt, die ca. die Hälfte des ursprünglichen Einkommens beträgt. Auch hier entsteht also eine erhebliche Deckungslücke. Die Haftung nach dem Arzneimittelgesetz ist beschränkt auf 600.000 Euro oder alternativ 36.000 Euro Rente jährlich. Sind mehrere Personen durch das gleiche Mittel beschädigt, sind es 120 Millionen Euro bzw. ein Gesamtrentenbetrag von 7,2 Millionen Euro jährlich. Solche Beträge können bei Massenschäden schnell erreicht werden. Eine private Unfallversicherungsvorsorge und das Haftungsregime schließen einander nicht aus, sondern ergänzen sich sinnvoll. Dabei dürfte ein Anspruch aus einer privaten Unfallversicherung rechtlich leichter und zeitnäher durchsetzbar sein als ein Haftungsanspruch.          

procontra: Also können sich Besitzer einer Unfallversicherung auf der sicheren Seite fühlen?  

Koch: In der privaten Unfallversicherung sind Impfschäden in neueren Verträgen teils mitversichert. So werden sie beispielsweise bei der Allianz Vers. AG in den Versicherungsbedingungen AUB 2017 einem Unfallereignis ausdrücklich gleichgestellt. In älteren Verträgen hingegen sind Impfschäden häufig vom Versicherungsschutz einer privaten Unfallversicherung nicht umfasst. Bei Neuabschlüssen sollten Versicherungsnehmer auf eine entsprechend hohe Versicherungssumme achten, damit die entstehenden Einbußen angemessen abgedeckt werden können.

Überblick: Wer leistet in welchen Fällen?

Einen Überblick, welche Unfallversicherer auch im Fall eines Impfschadens leisten, lieferte jüngst der Maklerpool Fonds Finanz. Makler sollten sich aber genau überlegen, wie sie das Thema gegenüber ihren Kunden ansprechen. Einerseits gilt es für sie, bestehende Ängste aufzugreifen und mit den passenden Lösungen zu begleiten. Wer das Thema Impfschutzschäden allerdings als bloßes Marketinginstrument zum Verkauf von Unfallversicherungen begreift, wird seiner gesellschaftlichen Verantwortung nicht gerecht. So merkte jüngst Maklerpool-Chef Oliver Pradetto (Blau direkt) in einem Facebook-Beitrag an, dass ein offensives Werben mit dem Schutz vor Impfschäden die bereits jetzt weit verbreitete Impfskepsis weiter schüren könnte. Makler sollten also genau abwägen, ob und in welcher Form sie das Thema ansprechen.