bAV: Abschied von der Beitragsgarantie – aber wie?

In der privaten Altersvorsorge verabschieden sich die Lebensversicherer zunehmend von der vollständigen Beitragsgarantie, um eine renditestärkere Kapitalanlage betreiben zu können. Bei bAV-Beitragszusagen und der Riester-Rente ist das noch nicht erlaubt.

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08:04 Uhr | 12. April | 2021
Die Politik muss mehr Flexibilität und niedrigere Garantien erlauben“, sagt André Geilenkothen, Mitglied der Aon-Geschäftsleitung. Bild: Aon

Die Politik muss mehr Flexibilität und niedrigere Garantien erlauben“, sagt André Geilenkothen, Mitglied der Aon-Geschäftsleitung. Bild: Aon

In der privaten Altersvorsorge hatte vor einiger Zeit die Allianz das Garantieniveau auf 60, 80 oder 90 Prozent heruntergeschraubt. Wegen der Niedrigzinsen plant das zuständige Bundesministerium der Finanzen nun, ab 2022 für die Lebensversicherung und Pensionsfonds den Höchstrechnungszins im Neugeschäft von 0,9 Prozent auf 0,25 Prozent zu senken.

Damit würde auch der Druck in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) auf die Garantien wachsen, denn in der weit verbreiteten Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) wie auch bei der Riester-Rente sind weiterhin 100 Prozent Garantie vorgeschrieben. „Von diesem gesetzlich vorgeschriebenen Beitragserhalt ist ab 2022 abzurücken“, fordert Guido Bader, Vorstandschef der Deutschen Aktuarvereinigung. „Der vollständige Beitragserhalt mündet sonst in einen Realwertverlust und würde damit das Aus von BZML und Riester-Rente bedeuten“, so Bader.

Doch wie könnte der Abschied von der 100-Prozent-Beitragsgarantie aussehen? Experten des Beraters Aon erwarten dazu eine weitere politische Flankierung. „Die Politik muss mehr Flexibilität und niedrigere Garantien erlauben“, sagt André Geilenkothen, Partner und Mitglied der Aon-Geschäftsleitung.

Garantien reduzieren oder auf Endfälligkeit beschränken

Man könnte zum Beispiel statt der bisherigen jährlichen Garantien stärker auf Garantien zur Endfälligkeit bzw. auf reduzierte Garantien abstellen, schlägt Geilenkothen vor. „Das würde Versicherern, Pensionskassen und Pensionsfonds die Flexibilität geben, renditestärkere Anlageformen zu wählen”, so der Experte. Andernfalls würden die Einrichtungen der bAV auf breiter Front bestenfalls zu Festgeldverwaltern, die für die Versicherten keine nennenswerte Rendite mehr erwirtschaften können.

„Ohne politische Flankierung werde sich die durchaus zu begrüßende Senkung des Höchstrechnungszinses lähmend auf weite Teile der Altersvorsorge auswirken“, prognostiziert Thorsten Teichmann, Partner und Mitglied der Geschäftsleitung bei Aon. Dabei sei man sich bei Aon bewusst, dass der Abschied von den klassischen Garantien auch ein Umdenken in der Bevölkerung erfordert. „Aus unseren Studien wissen wir, dass der größte Teil der Arbeitnehmer eher Garantien als die Rentenhöhe im Auge hat“, erinnert Geilenkothen. Fast allen sei aber nicht bewusst, zu welchen Einschnitten das am Ende führt.

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Aon: Bald kein LV-Angebot mehr mit 100 Prozent Garantie

In den letzten Jahren unterlagen die Tarife der Lebensversicherer aufgrund der niedrigen Zinsen bereits tiefgreifenden Einschnitten. Viele Versicherer wenden in der dritten Schicht bereits Rechnungszinssätze unterhalb des derzeitigen Höchstsatzes von 0,9 Prozent an. „Sie liegen vielfach bereits bei den geplanten 0,25 Prozent oder sogar darunter“ berichtet Teichmann. „Wir erwarten, dass es künftig so gut wie keine Tarifangebote mehr geben wird, in denen eine 100-Prozent-Beitragsgarantie enthalten ist,“ sagt der Experte und erhofft das auch für die bAV.

Hintergrund: Durch weniger Garantien erhöhen sich die Chancen in der Kapitalanlage und verbessern sich die Aussichten auf auskömmliche Vorsorge auch in Niedrigzinsphasen. In der aktuellen Situation am Kapitalmarkt seien Garantien besonders teuer, denn die Sparer müssen dafür auf eine vergleichsweise hohe Renditedifferenz verzichten, warnt das Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften. Im Gegenzug steigen die Chancen aktuell besonders stark, wenn der Kunde eine geringere Garantie wählt.

Politik wartet ab, Unternehmen schauen schon auf BoLZ

Aktuell scheint die Politik zu Absenkungen des Garantieniveaus in der BZML und bei der Riester-Rente nicht bereit zu sein. „Die Absenkung der Garantien auf zum Beispiel 80 Prozent oder eine andere Zahl wäre bedenklich, weil die Anbieter dies sofort als Aufforderung zur Absenkung auf diesen Wert verstehen würden“, sagte Rolf Schmachtenberg kürzlich auf einer bAV-Fachtagung. Die reine Beitragszusage wäre in dieser Situation ein guter Ausweg, so der Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales weiter, doch deren Durchbruch lasse auf sich warten.

Daher haben einige bAV-Anbieter ihr Angebot zur BZML inzwischen ausgedünnt. Zunehmend werde stattdessen die beitragsorientierte Leistungszusage (BoLZ) genutzt. „Dort gibt es keine gesetzlichen Vorgaben für eine Mindestleistung“, erklärt Erika Biedlingmeier, Leiterin des Rechtsfragenreferats im Bereich Firmen-Vertrieb-Beratung der Allianz Lebensversicherung. Das Bundesarbeitsgericht gebe lediglich vor, dass der BoLZ-Beitrag unmittelbar zu einer Leistung führen und dem Arbeitnehmer möglichst genau erklärt werden muss. „Alles andere bestimmt die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer“, so Biedlingmeier.

Die Umsetzung der BoLZ in den großen bAV-Versorgungswerken wie Metallrente und Klinikrente, wo die Allianz Konsortialführer ist, lässt noch auf sich warten. Innerhalb der BZML gibt es bei der Metallrente aber auch ein exklusiv von Allianz Global Investors aufgelegtes und verwaltetes Metallrente-Fondsportfolio. „Auch der Metall-Pensionsfonds überzeugt dank moderner Kapitalanlage und guter Verzinsung“, sagt Laura Leithold, Leiterin Konsortialmanagement bei der Metallrente. Seit dem Start 2003 hat der Fonds durchschnittlich 5,4 Prozent Rendite pro Jahr erzielt.

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