Aktienrente: Das FDP-Modell bei Lichte besehen

Im Wahlkampf setzen die meisten Parteien auf eine stärkere gesetzliche Rente. Die Union will auch die bAV und die Zulagenrente stärken. Einzig die FDP gibt sich rigoros und will die gesetzliche Rente mit Kapitaldeckung erweitern. Taugt das Modell?

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06:05 Uhr | 17. Mai | 2021
Gerade Geringverdiener würden mit der Aktienrente profitieren und mehr Rente erhalten, hofft FDP-Arbeitsmarkt- und Sozialexperte Johannes Vogel. Bild: FDP

Gerade Geringverdiener würden mit der Aktienrente profitieren und mehr Rente erhalten, hofft FDP-Arbeitsmarkt- und Sozialexperte Johannes Vogel. Bild: FDP

Auf der virtuellen Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba) wurden Rentenpolitiker verschiedener Parteien zur Zukunft der Altersversorgung befragt. Während Grün-Rot-Rot die Umlage favorisiert und massiv stärken will, möchte die Union zumindest die zweite Säule als Ergänzung wirkungsvoll stärken. Einzig die FDP setzt auf Kapitaldeckung auch in der ersten Säule.

Der Entwurf des Wahlprogramms der Freien Demokraten bringt eine für Deutschland sensationell anmutende Reform der gesetzlichen Rente: Während der Großteil des Rentenbeitrags weiterhin in die Umlage fließt, soll ein kleinerer Teil in Aktien investiert werden und so höhere Renditen und langfristig ein höheres Rentenniveau ermöglichen. Für diesen kleinen Teil schlägt die FDP verpflichtend 2,0 Prozent vor, paritätisch von Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufzubringen. Um niemanden zu überfordern, soll der GRV-Beitragssatz exakt um diese 2,0 Prozentpunkte sinken.

Mit dieser „gesetzlichen Aktienrente“ soll die GRV „enkelfest“ gemacht werden. „Mehr Aktien samt mehr Kapitalerträgen machen das System demografie-fest – wie es die Schweiz und Schweden geschafft haben“, sagte Johannes Vogel, Sprecher für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, in einer Video-Botschaft an die aba-Tagung.

Schweden bei Ergänzung innerhalb der ersten Säule folgen

Mehr Geld sollte ins System, aber nicht durch mehr Einzahler für die Umlage, so Vogel. Vogel ist optimistisch, dass durch die vorgeschlagene Teilkapitaldeckung die demografischen Herausforderungen bei der Rente zu bewältigen seien. Zur Umsetzung hatte er gemeinsam mit dem FDP-Finanzpolitiker Christian Dürr im Februar ein Konzept entwickelt.

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Die kritischen Übergänge zu einer flächendeckenden Altersvorsorge mit Teilkapitaldeckung hat der Finanzwissenschaftler Professor Martin Werding von der Ruhr-Universität Bochum in einer Studie untersucht, die jetzt vorliegt. Hintergrund: Die Umschichtung zur Kapitaldeckung entzieht der gesetzlichen Rente jährlich anfangs einen zweistelligen Milliardenbetrag. Die Ausfälle müsste der Steuerzahler so lange tragen, bis der Ertrag der Aktienrente den entzogenen 2,0-Prozentpunkte-Anteil überkompensiert.

Simulation: Haushalt wird langfristig entlastet

Simulationen mit Hilfe des am Lehrstuhl für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen der Ruhr-Universität entwickelten Modells (SIM.18) zeigen, dass sich die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen langfristig deutlich verbessert. Obwohl der Bund vorübergehend erhöhte Mittel für die GRV finanzieren müsste, würde der Schuldenstand von derzeit über 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis auf rund 30 Prozent in den 2040er Jahren sinken und bis 2060 unter 40 Prozent bleiben (ohne Reform: über 50 Prozent).

Zwei Voraussetzungen nennt Vogel: Man startet schon 2022 und kombiniert dies mit einer höheren Netto-Zuwanderung von Fachkräften nach dem Beispiel solcher Einwanderungsländer wie Kanada oder Australien. Effekt: „Die Belastung der aktiven Rentenversicherten fällt wegen der temporär finanzierten, zusätzlichen Bundesmittel zu keinem Zeitpunkt höher aus als ohne Reform, langfristig entwickeln sich die Beitragssätze sogar deutlich günstiger als unter dem geltenden Recht“, heißt es in der Studie.

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Welche Annahmen getroffen wurden

Das Niveau der Ansprüche aus der gesetzlicher Altersvorsorge würde durch die Reform ab 2030 zunächst stabilisiert und begänne nach 2040 tendenziell wieder zu steigen. Die Studie rechnet mit „eher moderaten Annahmen zur Höhe der Rendite von 6,5 Prozent pro Jahr, die sich bei einer internationalen Anlagestrategie auf Aktienbasis langfristig erreichen lässt“. Volle Entfaltung gäbe es erst nach 2060, wenn Zugangsrentner während ihrer gesamten Erwerbsphase, also mehr als 40 Jahre, in die gesetzliche Aktienrente eingezahlt hätten.

Die Langfassung der Studie enthält Beispielrechnungen aus Sicht der Versicherten. Für vier typisierte Erwerbsbiographien der Geburtsjahrgänge 1964, 1973, 1983 und 1992 wird jeweils ein Durchschnittsverdiener (40 Entgeltpunkte), ein Geringverdiener-Mann (22 Entgeltpunkte), eine Geringverdiener-Frau mit Kind und langer Erziehungsphase (15 Entgeltpunkte) sowie eine Geringverdiener-Frau, die jedoch nur ein Jahr nach der Geburt pausiert (25 Entgeltpunkte) herangezogen.

Mindestens 11 Prozent mehr Rente ab 2040

Ausgewiesen werden die veränderten Renten nach Abzug von Sozialbeiträgen und Einkommensteuer, inflationsbereinigt und ohne Berücksichtigung weiterer Alterseinkommen. Ergebnis: Die Einführung einer Aktienrente kann bereits bei einer Ansparphase bis 2040 die bis dahin absehbare Absenkung des GRV-Rentenniveaus so gut wie wettmachen, so die Studie. Die Zugangsrenten 2040, also für den Jahrgang 1973, erhöhen sich unter den getroffenen Annahmen netto um 11,1 bis 13,1 Prozent, während das konventionell bestimmte Sicherungsniveau (vor Steuern) der GRV-Renten gegenüber 2019 um 12,7 Prozent zurückgeht.

Beim Jahrgang 1992, der 2060 in Rente geht, würde die Aktienrente dann netto sogar zu einer Steigerung von rund 30 Prozent gegenüber der heutigen GRV-Rente führen, nur die Geringverdiener-Frau mit langer Kindererziehungspause erreicht nicht ganz so hohen Werte (fast 22 Prozent Steigerung). „Die Ergebnisse der Ruhr-Universität bestärken uns in unserem Reformvorschlag“, fasst Vogel die Studie zusammen. „Gerade Menschen mit geringen Einkommen würden so erstmals von den Chancen der globalen Aktienmärkte profitieren und zu Unternehmensteilhabern werden“, so der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitiker. Das diene unmittelbar der Generationengerechtigkeit.

Ob der Reformvorschlag, der eine gewisse Faszination besitzt, auf fruchtbaren Boden fällt, hängt auch vom Ergebnis der Bundestagswahl am 26. September ab. In Umfragen vom 12. Mai liegt die FDP bei 11,0 bis 12,0 Prozent der Stimmen und wäre damit viertstärkste Kraft im neuen Bundestag. Umfragen sind jedoch traditionell nur eine Momentaufnahme und treffen selten das tatsächliche Wahlergebnis.

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