Urteil

Krankenkasse muss nicht für Off-Label-Therapien bei schwerer Erkrankung zahlen

Wer lebensbedrohlich erkrankt ist, darf nicht per se von Therapien jenseits der klassischen Schulmedizin ausgeschlossen werden. Wie weit die Verpflichtung zur Kostenübernahme tatsächlich reicht, zeigt nun eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht.

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15:10 Uhr | 04. Oktober | 2023
Tabletten auf heller Unterlage

Müssen die gesetzlichen Krankenkassen auch Off-Label-Therapien für schwer Erkrankte bezahlen?

| Quelle: Eugeniusz Dudzinski

Wie weit geht die Verpflichtung der Krankenkassen zur Übernahme von Medikamentenkosten? Muss der Off-Label-Use von Arzneimitteln bezahlt werden und welche Voraussetzungen sind dazu nötig? Über diese Fragen hatte das Bundesverfassungsgericht in einem aktuellen Fall zu entscheiden.

Der Fall im Detail

In dem Verfahren ging es um einen 2020 geborenen, schwer kranken Jungen, der am sogenannten infantilen Tay-Sachs-Syndrom, einer unheilbaren Stoffwechselerkrankung, leidet. Gegen die Erkrankung gibt es bislang keine anerkannte Therapie, die die Ursache des Leidens, die zum Verlust von kognitiven und motorischen Fähigkeiten führt und die Lebenserwartung verkürzt, bekämpft.

Daher bekam das Kind seit dem Frühjahr 2022 ein Medikament als sogenannte Off-Label-Therapie, das also außerhalb der genehmigten Anwendungsgebiete eingesetzt wurde. Im November 2022 beantragten die gesetzlichen Vertreter schließlich bei der Krankenkasse des gesetzlich versicherten Jungen, die Kosten für eine weitere Off-Label-Therapie mit einem anderen Medikament zu übernehmen. Nachdem die Kasse die Kostenübernahme abgelehnt hatte, entschied das Sozialgericht Osnabrück im Eilverfahren, dass das Kind die Therapie doch beginnen dürfe. Diese Entscheidung hob das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen wieder auf – mit der Begründung, dass außer einem Tierversuch keine wissenschaftlichen Daten zur Wirksamkeit vorlägen.

Daraufhin reichten die gesetzlichen Vertreter des Jungen Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Dieses erklärte die Beschwerde allerdings für unzulässig. Die Begründung der Richter: Es könne nicht hinreichend dargelegt werden, dass die Grundrechte des Kindes verletzt werden. Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt sind, müsse die Kasse nicht bezahlen. Die Entscheidung des Landessozialgerichts hatte das Bundesverfassungsgericht daher nicht zu beanstanden.

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Zwar schränkten die Karlsruher Richter ein: Lebensbedrohlich Erkrankte dürften nicht grundsätzlich von Behandlungen jenseits der Schulmedizin ausgeschlossen werden. Doch für eine gewünschte Behandlungsmethode müsse „eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf vorliegen. Das sei in diesem Fall nicht gegeben.