bAV: Wann abgesenkte Garantien zulässig sind

In der betrieblichen Altersversorgung und bei der Riester-Rente würden sich die Lebensversicherer gern von der vollständigen Beitragsgarantie verabschieden, um renditestärkere Kapitalanlage betreiben zu können. Die Rechtslage ist kompliziert.

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12:07 Uhr | 13. Juli | 2021
Zwischen arbeitsrechtlichem bAV-Versorgungsverhältnis und Versicherungsvertragsverhältnis ist strikt zu trennen, mahnt bAV-Spezialist und Rechtsanwalt Uwe Langohr-Plato. Bild: Privat

Zwischen arbeitsrechtlichem bAV-Versorgungsverhältnis und Versicherungsvertragsverhältnis ist strikt zu trennen, mahnt bAV-Spezialist und Rechtsanwalt Uwe Langohr-Plato. Bild: Privat

In der privaten Altersvorsorge hatten mehrere Versicherer schon vor einiger Zeit das Garantieniveau auf 60, 80 oder 90 Prozent heruntergeschraubt. Bei der weit verbreiteten Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) wie auch bei der betrieblichen und privaten Riester-Rente sind weiterhin 100 Prozent Garantie vorgeschrieben. Das mündet ab 2022 für Kunden in einen Realwertverlust und lässt sich auch kalkulatorisch bei 0,25 Prozent Rechnungszins nicht mehr wirtschaftlich darstellen, warnte die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV). Das zuständige BMF unter SPD-Leitung schweigt beharrlich, einige Anbieter ziehen sich von der BZML zurück.

Doch sind abgesenkte Beitragsgarantien in der bAV überhaupt zulässig und führt dies zu einem Haftungsrisiko des Arbeitgebers und damit womöglich auch des bAV-Beraters? Der auf Rechtsdienstleistungen zur bAV spezialisierte Rechtsanwalt Dr. Uwe Langohr-Plato aus Köln beschäftigte sich kürzlich auf einem BBG-Fachforum mit dem Thema. Neben der politischen Entscheidung für weniger als 100 Prozent Beitragsgarantie komme es sehr stark auf die fachliche Einordnung an.

„Nicht alles, was versicherungstechnisch geboten und versicherungsrechtlich zulässig ist, ist auch arbeitsrechtlich anzuerkennen“, betont der Anwalt. Das folge schon aus dem vom Bundesarbeitsgericht (BAG) aufgestellten Grundsatz, dass zwischen dem arbeitsrechtlichen Grundverhältnis (in der bAV das Versorgungsverhältnis) und einem daneben bestehenden Versicherungsvertragsverhältnis strikt zu trennen ist.

Absenkung muss auch arbeitsrechtlich haltbar sein

Das führt in der Praxis zu Komplikationen. Einerseits spreche das Gesetz der „Logik“ für eine Zulässigkeit abgesenkter Garantien in der bAV. Wenn man – so der bisherige Konsens – eine klassische Lebensversicherung, die auf Basis des gesetzlichen Höchstrechnungszinses abgeschlossen wird, als beitragsorientierte Leistungszusage (BoLZ) qualifiziert, impliziert dies bereits heute, dass die garantierte Versicherungsleistung nicht mindestens der Summe der eingezahlten Beiträge entsprechen muss. „Dann aber muss auch eine von vornherein abgesenkte Beitragsgarantie zulässig sein“, folgert Langohr-Plato, warnt aber: „Die BAG-Rechtsprechung richtet sich nicht immer nach den Grundsätzen der Logik.“

Fest stehe generell, dass ein Anspruch auf Leistung ausgeschlossen ist, wenn sie unmöglich zu erreichen ist (Paragraf 275 Absatz 1 BGB). Bezogen auf die bAV bedeute dies: Wenn aufgrund des aktuellen Zinsniveaus unter Berücksichtigung der Kosten einer Lebensversicherung ein 100-Prozent-Beitragserhalt faktisch nicht mehr möglich ist, dann kann auch das Arbeitsrecht nicht dazu zwingen, dem Arbeitgeber eine Haftung für einen solchen Beitragserhalt aufzuerlegen.

80-Prozent-Garantie dürfte arbeitsrechtlich akzeptabel sein

Das BGB schützt nur vor der Haftung für eine unmögliche Leistung. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, eine Versicherung auszuwählen, die auf Basis des versicherungsmathematischen Äquivalenzprinzips und unter Verwendung angemessener, branchenüblicher Rechnungsgrundlagen kalkuliert worden ist. „Eine nur 1-Euro-Garantie wäre daher in jedem Fall unangemessen“, sagt der Experte. Derzeit pendelten sich in der Branche die Beitragsgarantien bei 80 bis 90 Prozent ein, hat er beobachtet. „Dies ist angesichts des aktuellen Zinsniveaus angemessen und aktuell auch arbeitsrechtlich akzeptabel“, so Langohr-Plato.

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Der Anwalt erinnert daran, dass die Anforderungen an eine BoLZ nach wie vor unklar sind. „Das BAG fordert auch hier eine Mindestleistung, ohne aber deren Höhe zu quantifizieren (Urteil vom 30. August 2016; Az.: 3 AZR 361/15). Zugleich wurde klargestellt, dass in der Versorgungsordnung die Mindesthöhe der Anwartschaft zum Zeitpunkt der Umwandlung bezogen auf die zugesagten Beiträge festgelegt wird. Und: Die an den Versorgungsträger zu zahlenden Beiträge müssen unmittelbar in eine Betriebsrentenanwartschaft umgewandelt werden.

Auch für BoLZ ist eine angemessene Mindestleistung nötig

„Eine BZML wird nicht dadurch zur BoLZ, dass man sie so tituliert“, meint Langohr-Plato und benennt inhaltliche Anforderungen an die BoLZ, die sich nicht nur auf die zugesagte Altersrente, sondern auf die vom Arbeitgeber insgesamt erteilte Zusage beziehen müsste. Auch andere biometrische Risiken müssten BoLZ-konform gestaltet werden. „Ein Versicherungstarif, der im Todesfall nur das vorhandene Kapital nach dann geltenden Rechnungsgrundlagen verrentet, dürfte nicht BoLZ-konform sein“, so der Experte.

Auch im „Störfall“, etwa bei Insolvenz oder Beitragsfreistellung, müsse eine garantierte Mindestleistung vorhanden sein. „Damit sind Verträge mit rein endfälligen Garantien ebenfalls nicht BoLZ-konform“, betont Langohr-Plato in seinem Vortrag. Er warnt vor falscher Kreativität. Der Pensions-Sicherungsverein prüft insbesondere bei versicherungsgebundenen Zusagen, ob deren Gestaltung die Kriterien einer BoLZ erfüllt. „Eine unverfallbare Anwartschaft mit dem Wert ‚null‘ ist arbeitsrechtlich kaum zu vermitteln“, so der Rechtsanwalt.

Anbieter und Berater sollten Zusage im Blick haben

Der Arbeitgeber hat alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden bAV-Leistungen zu prüfen. Diese Pflicht gilt unter anderem dann nicht, wenn die bAV über eine Direktversicherung oder Pensionskasse organisiert wird und ab Rentenbeginn sämtliche Überschussanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden (Paragraf 16 BetrAVG).

Dabei ist zwingend zu beachten, dass die „Überschüsse zur Erhöhung der zugesagten Mindestleistung zu verwenden sind“, erinnert Langohr-Plato. Eine in den AVB normierte Erhöhung einer gegebenenfalls niedrigeren Versicherungsrente, die alternativ zur Mindestleistung aus dem gebildeten Versorgungskapital errechnet wird, reiche nicht aus.

Fazit: Das Problem für die bAV sind nicht die abgesenkten Beitragsgarantien an sich, sondern AVB, die nicht zu 100 Prozent den Zusage-Inhalt als BoLZ widerspiegeln. „Der Teufel steckt im Detail“, so der Anwalt. Übrigens: Die Absenkung von Mindestgarantien, die aktuell Renditechancen überhaupt erst ermöglichen, darf nicht mit Leistungssenkungen gleichgesetzt werden. Detaillierte Tipps bietet das soeben erschienene Fachbuch „Abgesenkte Garantien, Sicherheit, Rendite, (betriebliche) Altersvorsorge und Niedrigzins“, an dem Langohr-Plato mitgewirkt hat (VVW-Verlag; kostet 34,90 Euro).

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