Die Trilogverhandlungen zur sogenannten Retail Investment Strategy (RIS) – oder zu Deutsch EU-Kleinanlegerstrategie – wurden am Donnerstag beendet und die Gremien haben es endlich geschafft: Sie haben sich auf einen Kompromiss zur EU-Strategie für Privatanleger geeinigt. Nach über zweieinhalb Jahren intensiver Verhandlungen wurde damit kurz vor Ende der dänischen Ratspräsidentschaft ein politisch bedeutendes Paket finalisiert, das insbesondere für unabhängige Vermittler neue Anforderungen mit sich bringen wird. Formell müssen noch das Europäische Parlament und der Rat die Regelungen billigen. Aber das Gesetzesvorhaben hat einen großen Schritt nach vorne gemacht.
Die Verbände sehen Licht und Schatten auf die Vermittler zukommen. „Einerseits freut es uns sehr, dass ein drohendes Provisionsverbot endgültig vom Tisch ist und zukünftig Finfluencer beaufsichtigt werden sollen, indem die Finanz- und Versicherungsunternehmen mit ihnen schriftliche Vereinbarungen treffen und deren Aktivitäten auf den sozialen Plattformen kontrollieren müssen“, sagt BVK-Präsident Michael H. Heinz. „Andererseits haben die EU-Kommission, der EU-Ministerrat und die Vertreter des EU-Parlaments unter dem Leitbild des Verbraucherschutzes viele neue regulatorische Maßnahmen für den Vertrieb von Finanz- und Versicherungsanlagen getroffen, die unsere Arbeit zukünftig noch mehr belasten werden.“
Anforderungen an Provisionen trotzdem erhöht
Ein weiteres zentrales Element ist die Einführung verstärkter Anforderungen im Bereich der Provisionsregelung. Zwar enthält das RIS-Paket kein allgemeines Provisionsverbot mehr, jedoch verschärft es die Transparenz- und Rechtfertigungspflichten im Zusammenhang mit Zuwendungen („Inducements“). Künftig müssen Vermittler eindeutig darlegen, welchen konkreten Mehrwert eine erhaltene Provision für die Kunden hat. Außerdem sind alle Provisionsbestandteile gesondert auszuweisen. Mitgliedstaaten behalten zusätzlich die Möglichkeit, auf nationaler Ebene weitergehende Beschränkungen – bis hin zu einem Provisionsverbot – einzuführen.
Geeignetheitsprüfung in bestimmten Fällen entlastet
Gleichzeitig enthält die RIS-Vereinbarung auch neue Vereinfachungen. So wird die Geeignetheitsprüfung in bestimmten Fällen entlastet: Bei Empfehlungen von nicht-komplexen, kostengünstigen und breit diversifizierten Finanzinstrumenten entfällt künftig die Pflicht zur Abfrage der Kenntnisse und Erfahrungen der Kunden. Die individuelle finanzielle Situation und Anlageziele bleiben jedoch weiterhin prüfungsrelevant. Damit soll laut EU-Gesetzgeber ein besserer Zugang zu einfachen Produkten ermöglicht werden, ohne den Anlegerschutz grundsätzlich zu schwächen.
„Diese neue Regelung zur Geeignetheitsprüfung wird Auswirkungen auf die tägliche Beratungspraxis haben – sowohl im Hinblick auf die Dokumentation als auch auf die Auswahl geeigneter Produkte“, erklärt AfW-Vorstand Frank Rottenbacher. „Positiv ist, dass der Gesetzgeber den Vermittlern in bestimmten Fällen mehr Flexibilität einräumt. Gleichzeitig muss genau beobachtet werden, ob dadurch auch regulatorische Unsicherheiten entstehen.“
Zudem schreibt die RIS neue Standards für die Kundeninformation vor, insbesondere im Hinblick auf sogenannte Key Information Documents (KIDs). Diese müssen künftig stärker standardisiert, verständlicher und langfristig auch maschinenlesbar verfügbar gemacht werden. Ziel ist es, den Vergleich von Produkten zu erleichtern und die digitale Verarbeitung von Finanzinformationen zu fördern.
„Überflüssiges Gesetzesvorhaben“
Die Hoffnung einiger Verbände, die Richtlinie könne in letzter Minute womöglich doch noch gekippt werden, ist damit wohl dahin. „Die EU hat die Chance vertan, ein überflüssiges Gesetzesvorhaben und damit neue Bürokratie zu verhindern. Die Kleinanlegerstrategie verursacht mehr Aufwand als Nutzen, und praktisch alle Beteiligten sind mit ihr unzufrieden. Leider beweist die EU damit, dass sie die Dringlichkeit des Bürokratieabbaus nicht wirklich verstanden hat“, kommentiert Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des deutschen Fondsverbands BVI.
Noch etwas Schonfrist
Hinsichtlich des weiteren Zeitplans werden nun die technischen Arbeiten zur Finalisierung der Rechtstexte fortgesetzt. Die endgültige Fassung soll Anfang 2026 vorliegen, heißt es vom AfW. Nach ihrer Veröffentlichung im EU-Amtsblatt müssen die Mitgliedstaaten die neuen Vorgaben innerhalb von 24 Monaten in nationales Recht umsetzen. 30 Monate nach Veröffentlichung treten die Regelungen dann in Kraft – mit Ausnahme der PRIIPs-Vorgaben, die bereits nach 18 Monaten Anwendung finden werden. Da es sich bei der RIS um eine Richtlinie handelt, ist somit laut AfW mit einem legislativen „Nachspiel“ auf nationaler Ebene in Deutschland zu rechnen.
Long Story short
Kompromiss zur EU-Kleinanlegerstrategie erzielt: Die Trilogverhandlungen zur Retail Investment Strategy (RIS) sind abgeschlossen; ein Provisionsverbot ist vom Tisch, dafür kommen neue Transparenz-, Dokumentations- und Aufsichtspflichten auf Vermittler zu, etwa bei Provisionen und Finfluencern.
Mehr Pflichten, aber auch Erleichterungen: Provisionen müssen künftig stärker begründet und offengelegt werden, zugleich entfällt bei einfachen, kostengünstigen Produkten teilweise die Geeignetheitsprüfung; neue Standards für verständlichere und digital nutzbare KIDs sind vorgesehen.
Zeitplan und Kritik: Die finale Fassung wird Anfang 2026 erwartet, Umsetzung in nationales Recht binnen 24 Monaten, Inkrafttreten nach 30 Monaten; Verbände kritisieren zusätzlichen Bürokratieaufwand, sehen aber einzelne praxisnahe Entlastungen.

