Rente

Wie die Grundidee der Aktienrente aufgeweicht wird

Die FDP schwenkt über den Bundesfinanzminister von der Aktienrente innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung auf ein Generationenkapital um. Was das für die künftigen Rentner und die Steuerzahler bedeutet.

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09:01 Uhr | 25. Januar | 2023
Bundesfinanzminister Christian Lindner

Muss hinnehmen, dass die geplante Aktienrente immer mehr zur Aktienrücklage wird: Bundesfinanzminister Christian Lindner

| Quelle: Thierry Monasse / Kontributor

Die FDP setzt sich seit längerem auch für Kapitaldeckung in der ersten Säule der Altersvorsorge ein. Ursprünglich sollte ein kleinerer Teil des Beitrages in Aktien investiert werden und so höhere Renditen und letztlich ein höheres Rentenniveau ermöglichen. Mit dieser „gesetzlichen Aktienrente“ sollte die GRV „enkelfest“ gemacht werden. Dazu hatten zwei FDP-Politiker bereits 2021 ein Konzept entwickelt.

Dieses Konzept verändert sich in der Praxis immer mehr und lässt von der ursprünglichen Idee kaum noch etwas übrig. Dabei hatte das Projekt unter Verantwortung des Bundesfinanzministeriums (BMF), das Christian Lindner (FDP) untersteht, einen guten Start. Das BMF legte Anfang November ein „Grundkonzept zur Aktienrücklage“ vor und gab damit den Startschuss für das Gesetzgebungsverfahren 2023.

Aktienrente wird zu Aktienrücklage 

Der Plan: Die Rentenfinanzen sollen mit Erträgen aus einem großen Aktienfonds entlastet werden, der zunächst mit einem Volumen von mindestens 10 Milliarden Euro startet und mit Darlehen des Bundes finanziert wird. Die Darlehen wiederum soll der Fonds dem Bund in Höhe seiner Refinanzierungskosten verzinsen. Die Erträge der Wertpapiere sollen dann ab dem Jahr 2037 an in die Rentenversicherung fließen, um sie finanziell zu stärken.  

Das BMF hofft offensichtlich, dass durch Anlagen am Kapitalmarkt im langfristigen Durchschnitt höhere Erträge erzielt werden können, als Kosten durch die Kreditfinanzierung entstehen. Damit wird die ursprüngliche Aktienrente aber einem haushälterischen Kniff geopfert: Die Finanzierung soll per Vermögenstransaktion erfolgen. Der Bund würde damit Forderungen gegen den Fonds erwerben und die aufgenommenen Kredite würden somit nicht als Schulden im Sinne der Schuldenbremse gelten.

Keine individuellen Rentenansprüche

Im Unterschied zu den ursprünglichen Plänen der Liberalen zur Aktienrente würde der Kapitalstock auch keine zusätzlichen Rentenansprüche jedes einzelnen Versicherten begründen, sondern die Erträge sollen wie ein weiterer Bundeszuschuss an die Rentenkasse fließen. Folglich ist das Vorhaben auch nicht mehr mit „Aktienrente“ überschrieben, sondern stattdessen mit „Generationenkapital“.

Tatsächlich kommen die Beitragszahler mit Fonds und Aktien gar nicht in Berührung, der Kapitalstock wird über ihre Köpfe hinweg angespart. Anders als in Schweden, das bei der Vorstellung des Modells von Lindner erneut als Vorbild genannt wurde. Die kapitalgedeckte Säule der Vorsorge ist dort mit „Prämienrente“ überschrieben: Dabei können die Schweden entscheiden, ob sie ihr Geld dem Staatsfonds AP7 anvertrauen oder aus über 800 weiteren privaten Anlageprodukten wählen. Die Fondsanteile sind ihnen gesetzlich zugesichert, das heißt, der Staat hat keinen Zugriff darauf. Wo und wie die Schweden investieren, hat direkten Einfluss auf die Höhe ihrer individuellen Rente.

Abschied von Schweden

Ursprünglich sollte auch bei uns jeder rentenversicherte Bürger selbst – ähnlich wie in Schweden - 2,5 Prozent seines Einkommens verpflichtend in Aktien und Fonds anlegen. Nun sind die Beitragszahler weitgehend außen vor, wenn es um das Ansparen eines Kapitalstocks geht.

Der Bundesfinanzminister befürwortet, dass der Bund über einen Zeitraum von 15 Jahren jährlich zehn Milliarden Euro aus dem Staatshaushalt in einen Fonds leitet. Sicher ist diese Summe jedoch noch nicht. Erst am Wochenende hatte sich der grüne Sozialexperte Frank Bsirske entschieden gegen eine Aufstockung des Kapitalstocks ausgesprochen.

Das Generationenkapital soll als dauerhafter Fonds von einer unabhängigen, öffentlich-rechtlichen Stiftung professionell verwaltet werden. Hierfür wird die öffentlich-rechtliche Stiftung Generationenkapital gegründet, so das BMF bei Vorstellung der neuesten Pläne Mitte Januar.

Begünstigung von „shareholder socialism“

Zuvor hatte bereits Hans-Jörg Naumer aus dem Research der Fondsgesellschaft Allianz Global Investors in der FAZ kommentiert: „Die Grundidee stimmt, nur das Reiseziel nicht.“ Gemeint war: Beim Thema kapitalgedeckte Rente wird Schweden gerne als Vorbild genannt. Tatsächlich aber, so die Planungen, gehe die Reise nach Norwegen – und das ist ein großer Unterschied. Die schwedische Lösung steht für eine Wettbewerbslösung, bei der privates Eigentum gebildet wird.

Die norwegische Variante ist ein Staatsfonds, der den Öl- und Gasreichtum für kommende Generationen investiert. „Privates Eigentum wird da nicht aufgebaut“, so Naumer. Allerdings habe Deutschland keinen Energiereichtum, sondern Schulden. Geld für einen Staatsfonds aufzunehmen, um die zu erwartende Rendite zum Stopfen von Rentenlöchern zu nutzen, sei eigentlich ein „schuldenfinanzierter Hedgefonds“, meint Naumer.

Folge: Geht die Spekulation nicht auf, würden die Steuerzahler belastet. Da sei die schwedische Variante besser, da der Bürger durch eigene Vermögensbildung weniger von staatlichen Leistungen abhängig würde. So aber werde ein „shareholder socialism“ begünstigt – durch das Vehikel eines Staatsfonds.