Gesetzesvorstoß der Europäischen Union

„Auch Makler profitieren von Open Insurance“

Banken sind dazu verpflichtet, Kundendaten auch Drittanbietern zur Verfügung zu stellen. Versicherer waren von einer solchen Pflicht bislang ausgenommen – das soll sich nun ändern. Slobodan Pantelic, Mitgründer der Initiative Frida, über die Folgen für die Branche

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16:07 Uhr | 25. Juli | 2023
Slobodan Pantelic

Slobodan Pantelic leitet die fachlichen und technischen Abteilungen „Technische Integration/ Anbindungsmanagement und Vertriebsportale“ in der HDI Vertriebs AG und HDI Systeme AG und ist Mitgründer der. Frida-Initiative.

| Quelle: HDI

procontra:

Vor wenigen Wochen hat die Europäische Kommission einen Gesetzesvorschlag namens FIDA, kurz für „Framework for Financial Data Access“ veröffentlicht. Was hat es hiermit auf sich?

Slobodan Pantelic:

Es geht darum, dass das gesamte Finanzsegment seine Daten öffnet und anderen Marktteilnehmern zur Verfügung stellt. Bislang galt dies nur für das Bankwesen, Stichwort PSD2-Richtlinie. Mit der nun vorgelegten Richtlinie wird endlich nicht nur Open Banking, sondern eben auch Open Insurance möglich. Dabei geht es um die Verknüpfung der drei maßgeblichen Interessengruppen: die Dateninhaber, sprich die Versicherer, die Kunden, um deren Daten, sowie Drittanbieter, die auf Basis der Daten neue Dienstleistungen anbieten möchten.

procontra:

Sind Sie mit dem Entwurf zufrieden?

Pantelic:

Ja, wir haben den Entwurf schließlich auch mitgestalten dürfen. Die EU-Kommission hat sich auch darum stark daran orientiert, was wir mit der Frida-Initiative in den vergangenen drei, vier Jahren gemacht haben. Natürlich haben wir nicht alle unsere Punkte vollumfänglich einbringen können, der Entwurf geht aber klar in die richtige Richtung.

procontra:

Ziel der europäischen Initiative ist, durch den Austausch von Daten mehr Kundenzentrierung zu ermöglichen. Das heißt: günstigere und bessere Produkte und Services. Wieso müssen die Versicherer erst dazu verpflichtet werden?

Pantelic:

Versicherer sind Unternehmen, die in der Vergangenheit stark reguliert worden sind. Viele Versicherer begnügen sich darum mit dem Status quo und wollen ihr Geschäftsmodell, so wie es ist, beibehalten. Da braucht es oftmals ein Anstoß von außen durch den Gesetzgeber, um bei den Versicherern ein Umdenken zu bewirken.

procontra:

Werden wir einmal ganz konkret: Was hat der Kunde von Open Insurance?

Pantelic:

Wir bei Frida arbeiten immer aus der Sicht des Endkunden (natürliche und juristische Personen) und legen als erstes fest, wo es aus der Kundenperspektive hakt: Wann benötigt der Kunde überhaupt seine Versicherungsdaten? Nehmen wir folgende Situation an: Beim Ausparken auf dem Supermarktparkplatz kommt es zu einem Zusammenstoß mit einem weiteren Fahrzeug. Eine emotionale Situation, in der es gilt, einen ruhigen Kopf zu bewahren und die richtigen Versicherungsdaten auszutauschen. Es wäre doch gut, wenn beide Unfallparteien dann alle notwendigen Versicherungsinformationen gleich in einer Wallet auf dem Smartphone haben. Wir haben darum eine konkrete Schnittstelle definiert, über die dann alle Kfz-Versicherer die jeweiligen Kundendaten hinterlegen könnten, so dass diese dann im Schadenfall standardisiert und voll automatisiert ausgetauscht werden können.

procontra:

Haben Sie noch einen weiteren Anwendungsfall?

Pantelic:

Wann spielen Versicherungen noch eine Rolle? Zum Beispiel bei der Steuererklärung. Durch neue Tools machen immer mehr Menschen diese mittlerweile selbst. Da stellt sich dann die Frage, welche Versicherungen man steuerlich geltend machen kann. Anstatt dann alle Verträge einzeln rauszusuchen, wäre es doch super, wenn man alle relevanten Versicherungsdaten per Knopfdruck integrieren könnte.

procontra:

Nicht alle Versicherungsnehmer wollen, dass andere Unternehmen auf ihre Daten zugreifen können.

Pantelic:

Keiner wird gezwungen, die erwähnte Kfz-Versicherungs-Wallet herunterzuladen, wenn er sie nicht möchte. Der Kunde bleibt immer derjenige, der entscheidet, was mit seinen Daten passiert.

procontra:

Wie kann das sichergestellt werden?

Pantelic:

Die EU hat in ihrem Gesetzesvorschlag eine Verpflichtung für die Versicherer integriert, ihren Kunden ein Berechtigungs-Dashboard zur Verfügung zu stellen. Daraus muss für jeden übersichtlich zu erkennen sein, wem der Kunde die Erlaubnis zur Nutzung welcher Daten gewährt hat. Das ist im Sinne größtmöglicher Transparenz sehr zu begrüßen. Der Kunde kann hierüber dann auch jederzeit die gewährte Erlaubnis wieder einziehen.

procontra:

Hat der EU-Vorstoß nur Auswirkungen auf die Versicherer oder sind auch Vermittler betroffen?

Pantelic:

Zum einen sollen auch große Vermittlungsunternehmen mit mehr als 249 Mitarbeitern und 50 Millionen Euro Jahresumsatz künftig – wie die Versicherer – als Dateninhaber eingestuft werden. Auch sie müssen den Datenzugriff gewähren.

procontra:

Der Großteil der Maklerunternehmen in Deutschland dürfte von dieser Regelung nicht betroffen sein.

Pantelic:

Makler profitieren auch von Open Insurance. Ein Beispiel ist die Anbindung von Neukunden. Bislang mussten Makler – sofern die Kunden nicht ihren gesamten Versicherungsordner mitgebracht haben – Auskunftsmandate an alle beteiligten Versicherer schicken, um dann Wochen später die Daten der Kunden zugeschickt zu bekommen. Erst dann haben sie ein Gesamtbild. Wenn der Kunde künftig aber beim Beratungsgespräch die Zustimmung zur Nutzung seiner Daten gibt, kann sich der Makler die Daten einfach bei den Versicherern ziehen. Das ist ein absoluter Benefit im Beratungsprozess.

procontra:

Wann ist mit dem Inkrafttreten der neuen Regelugen zu rechnen?

Pantelic:

Wir gehen davon aus, dass die Verordnung zum 01.01.2025 in Kraft tritt und anschließend das Onboarding und die Umsetzung seitens der Marktteilnehmer stattfinden muss.