„Der Pool der Zukunft ist der IT-Dienstleister für den Makler“

Nach knapp 18 Jahren verlässt Matthias Brauch zum Jahresende den Software-Anbieter Softfair. Wir sprachen mit ihm über seine Pläne für die Zukunft, den Digitalisierungsstand der Branche und warum viele Technologielösungen der Maklerpools zu kurz greifen.

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09:11 Uhr | 08. November | 2022
Matthias Brauch Bild: Privat

Wird softfair zum Jahresende verlassen: Matthias Brauch Bild: Privat

procontra: Vor drei Jahren hatten Sie den Digitalisierungsgrad der Branche mit einer 3+ benotet. Wie würden Sie die Branche heute bewerten?  

Matthias Brauch: Die Branche hat sich weiterentwickelt, die Digitalisierung und die damit verbundenen Wünsche allerdings auch. Die Gesellschaften, die vor drei Jahren gut waren, sind es zum größten Teil auch heute noch. Ein paar Versicherer haben zudem nachgezogen, beides können wir durch unser Prozesssiegel, in welchem wir die Versicherer sehr detailliert benoten, gut nachvollziehen, übrigens auch die Entwicklung der einzelnen Versicherer bis hinunter auf die einzelnen Produktbereiche. Aber auch der Anspruch der Vermittler hat sich weiterentwickelt. Darum würde ich auch heute noch dieselbe Note wie 2019 vergeben. Ich sehe keine übermäßige Dynamik seit 2019.  

procontra: Fonds-Finanz-Chef Norbert Porazik erzählte uns einst: „Krisenzeiten sind Marktführerzeiten“. Angesichts von Corona, dem Ukraine-Krieg, der drohenden Rezession und natürlich dem Klimawandel könnte man jetzt sagen, Deutschland befand sich zuletzt in einer Dauer-Krise. Und trotzdem verabschieden Sie sich jetzt von Softfair, einem der Marktführer der Branche, den sie knapp 18 Jahre lang mitgeprägt haben. Warum?  

Brauch: Meine Bestrebung ist es und war es schon immer, etwas Eigenes zu machen. Ich bin seit einigen Jahren an einer Firma beteiligt, der wiso-tech GmbH, die bisher von einem Kollegen geführt wird. Nun möchte der Kollege den Geschäftsführerposten nicht mehr alleine ausüben und hat mich zu Anfang des Jahres gefragt, ob ich Interesse habe. Für mich ist das jetzt noch einmal die Gelegenheit, eine seit Jahren wachsende Firma mit mittlerweile immerhin rund 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anzutreiben und zu versuchen, mit dieser noch weiter zu wachsen.  

procontra: Sie kehren der Branche aber nicht den Rücken?  

Brauch: Nein, meine neue Firma ist zwar auch in branchenfremden Bereichen tätig, beispielsweise der Medizintechnik, insbesondere dem Bereich der Sachlafdiagnostik. Ist jedoch ebenfalls als Dienstleister für die Versicherungsbranche tätig, vor allem für Softfair. Wir leisten jeden Monat über 1.000 Arbeitsstunden für Softfair – man bleibt also auch weiterhin in Kontakt. Aus dieser Branche entkommt so schnell keiner wie wir alle wissen.  

procontra: Ihr Abschied hat also nichts mit dem Einstieg von Hg Capital bei Fonds Finanz, zu der Softfair ja gehört, zu tun?  

Brauch: Zunächst einmal, auch wenn das viele nicht glauben können: softfair gehörte, anders als andere Unternehmen der Gruppe, nie zur Fonds Finanz, wurde immer als neutral gegenüber dem Pool geführt und auch die Inhaber haben das so gelebt. Auch jetzt sind wir in der Gruppe als Schwesterunternehmen neben der Fonds Finanz angesiedelt und das Selbstverständnis von softfair entspricht dem auch. Ich scheide von softfair zudem nicht im Groll, aber aus meiner Sicht ist mein Abgang ein logischer Schritt. Fonds Finanz bzw. Hg hat in den vergangenen Monaten und Jahren zahlreiche Zukäufe getätigt, beispielsweise VorFina oder zuletzt fks und DEMV. Softfair geht nun mit fest zugewiesener Rolle in diesem neuen, großen Hg-Konzern auf – hier sehe ich meine Rolle aber nicht langfristig. Ich neige eher dazu, kleinere Firmen als Geschäftsführer groß zu machen. Ich war noch nie der Konzerntyp.  

procontra: Ein Wechsel zu einem anderen Branchenteilnehmer kam für Sie nicht infrage?  

Brauch: Ich werde nicht wieder als Angestellter arbeiten. Ich habe mich klar dazu entschlossen, in die Selbstständigkeit zu wechseln – und dabei bleibe ich auch.  

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procontra: Wo sehen Sie in der Branche denn noch das größte Innovationspotenzial was die Digitalisierung angeht?  

Brauch: Gerade im Personenversicherungsbereich, bei Lebens- und Krankenversicherungen, sehe ich noch großes Digitalisierungspotenzial. In der Branche dreht sich häufig immer alles um die Automatisierung und damit Effizienz – die Daten müssen schneller, in schlankeren Prozessen und kosteneffizienter in die Systeme überführt werden. Effizienz bedeutet aber auch immer, dass man auf vermeintlich unnötige Daten verzichtet. Das widerspricht nur leider häufig einer sinnvollen Digitalisierung, die ja vor allem von Daten lebt. Ich finde, dass schwerpunktmäßig derzeit zu viel in Automatisierung, aber zu wenig in Vermittlerunterstützung investiert wird. Hier fehlt mir einfach das richtige Gleichgewicht. Gleichzeitig wird von den Vermittlern selbst auch zu wenig in die digitale Welt investiert, weil man auch ungern auf tradierte Arbeitsweisen verzichtet. Der/die Makler:in muss die eigenen Arbeitsabläufe an die digitale Welt anpassen und es dann in der Folge auch zur Bedingung machen, dass man bei Gesellschaft XY Korrespondenz und Anträge digital unterschreiben kann. Wenn die Vermittler dem nicht nachkommen, könnte die Branche mittelfristig überlegen, ob sich dieser Vermittlungsweg noch rentiert oder der Kunde wird sich für einen Vertriebsweg entscheiden, der ihm die besten Daten, die beste Übersicht über seine Verträge liefert. Die Makler:in wird es dann sicher nicht sein. Es fehlt daher vor allem, wie gesagt, an wirklich intelligenten Lösungen für den Vermittler von Pools und Versicherern. Denn eines ist auch sicher: die/der Makler:in wird die Lösungen nicht selbst entwickeln können.  

procontra: In unserer Maklerpool-Serie vor einigen Jahren, hieß es häufig: Um Makler vom jeweiligen Maklerpool zu überzeugen, braucht es in erster Linie technische Lösungen, die den Arbeitsalltag der Vermittler erleichtern.  

Brauch: Der Pool hat hier eine Schlüsselrolle, denn er muss die Verbindung zwischen den zahlreichen Versicherern und den noch zahlreicheren Maklerunternehmen schaffen. Für viele Maklerpools erschöpfen sich die technischen Lösungen jedoch in der Bereitstellung von Vergleichsprogrammen und einem CRM [Customer Relationship Management], mit dem sie ihre Daten einsehen können. Das ist beides zweifellos wichtig, häufig wird aber vergessen: Wenn ich als Pool Technologielösungen anbiete, muss ich auch konsistent sein. Denn viele Pools bieten neben mehreren Vergleichern gleichzeitig auch noch sämtliche Angebotsprogramme der Versicherer an. Was soll das denn bitte? Man baut auf diese Weise hunderte Insellösungen und schickt die eigenen Makler auch noch darauf. Auf der einen Seite verspricht man den Maklern technische Lösungen, auf der anderen Seite verhält man sich jedoch praktisch nur wie ein Technologie-Dealer für die Versicherer, die sich über den direkten technischen Zugriff auf die Makler freuen dürfen. Eine technische Lösung für den Makler ist es dann, wenn ein Arbeitsschritt von Anfang bis Ende durchgängig technisch abgebildet wird und man zum Schluss die meisten Antragsdaten beispielsweise nicht wieder händisch in das eigene CRM eingeben muss.  

procontra: Machen sich die Pools damit überflüssig?  

Brauch: Solange es den Makler gibt sicher nicht. Ich sehe hier keine Alternative zu Pools bzw. zu diesem Konzept, denn wer soll sonst dem selbständigen Makler die Verbindung zu den Produktgebern ermöglichen. Ein Makler muss den Überblick über möglichst alle Versicherer haben. In Bezug auf technologische Lösungen kommen Sie derzeit aber auf jeden Fall dieser Funktion nicht ausreichend nach und hängen beispielsweise den Endkundenlösungen hinterher. Das wird sich meines Erachtens auch nur durch einen grundsätzlichen Wechsel im Kopf und der Unternehmenspolitik lösen lassen: ein Pool ist nicht in erster Linie eine Vermittlungs- oder Vertriebsorganisation, wie man immer wieder auch heute noch hört, sondern der Pool der Zukunft ist der IT-Dienstleister für den Makler.

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