„Gerade will sich kein Versicherer in die Nesseln setzen.“
procontra: Frau Schüller, wie ist derzeit die Lage vor Ort?
Schüller: Manche Orte und Straßenzüge sehen aus wie in einem Western, da fehlt nur noch der Heuballen, der durch die Straßen weht. Andernorts sind Helfer und Handwerker mit zum Teil schwerem Gerät unterwegs. In einigen Orten beginnt jetzt eine stille Phase, weil die Mauerwerke trocknen müssten, das kann noch Wochen andauern. Einige Häuser stehen leer, an den Fensterscheiben und Fassaden sieht man noch, wie hoch das Wasser stand. An den Ortseingängen und -ausfahrten liegen riesengroße Müll- und Schuttberge. Teile der Infrastruktur sind komplett zerstört. Der Verkehr ist ein absolutes Chaos. Das ist unser Alltag.
procontra: Wie gehen die Menschen vor Ort mit der Flut um?
Schüller: Das ist eine riesengroße Herausforderung für die Menschen. Was vielen wirklich hilft, ist der enorme Zusammenhalt, die Solidarität und die Hilfsbereitschaft von nah und fern. Nun wird es auch langsam kälter, der Winter kommt. Viele haben noch keine Heizung. Einige Betroffene werden wohl nicht vor Weihnachten oder Ostern wieder in ihre Häuser zurückkehren können.
procontra: Wie haben Sie die Flutkatastrophe selbst erlebt?
Schüller: Am 14. Juli waren wir noch entspannt. Es hieß, da kommt etwas mehr Regen als üblich. Was dann einen Tag später passierte, hätte sich kein Mensch vorher vorstellen können. Hinter unserem Büro haben das Technische Hilfswerk, die Feuerwehr und die Bundeswehr einen Stützpunkt aufgebaut. Über uns kreisten Rettungshubschrauber, das Strom-, Internet- und Telefonnetz war zusammengebrochen. Dann fuhren plötzlich Panzer durch die Ortschaften. Erst nach den ersten zwei, drei Tagen konnten wir manche unserer Kunden wieder erreichen. Wir haben allen, bei denen wir vermutet haben, dass sie von der Flut betroffen sind, eine kurze Nachricht geschickt, um sie wenigstens etwas zu beruhigen: „Macht euch keine Sorgen, ihr seid versichert.“ Wir haben intuitiv gehandelt.
procontra: Wie gehen Sie mit jenen Kunden um, die keine Elementarversicherung haben und komplett von vorne anfangen müssen?
Schüller: Es kommt darauf an, ruhig und sachlich zu bleiben. 85 bis 90 Prozent unserer Kunden haben eine Elementarversicherung, sie haben diesen Baustein in der Regel in der Wohngebäude-, Hausrat- und Gewerbeversicherung abgeschlossen. Für die anderen haben ein paar Versicherer, wie die Axa, Hilfsfonds eingerichtet. Wir dürfen pro Privatkunde unter bestimmten Voraussetzungen bis zu 15.000 Euro aus dem Fonds abrufen.
procontra: Welche Voraussetzungen sind das?
Schüller: Hilfen aus dem Fonds beantragen können, in dem konkreten Beispiel, AXA-Privatkunden, die keine Abdeckung über eine Elementarschadenversicherung haben, stark vom Hochwasser betroffen sind und aus eigener finanzieller Kraft keinen Neuanfang schaffen.
procontra: Sind Sie selbst direkt von der Flutkatastrophe betroffen?
Schüller: Nein, wir hatten Glück und haben lediglich Kleinschäden. Bei uns gab es keine Toten oder Schwerverletze. Das ist ein Wunder. Im Ahrtal und der Eifel sieht das leider anders aus. Es heißt ja jetzt immer, man hätte uns früher warnen sollen. Aber ich frage mich, ob es jemand tatsächlich geglaubt hätte, wenn uns zwei Tage früher gesagt worden wäre: Ihr müsst da weg. Wir hätten uns so eine Situation vorher absolut nicht vorstellen können. Wir und die meisten Kunden sind aber mit der Hilfe von den professionellen Rettungskräften und den vielen freiwilligen Helfern zufrieden.
procontra: Wie gehen Sie selbst mit dem Flutereignis um? Sie sind selbst betroffen und als Versicherungsmaklerin gleichzeitig auch Seelsorgerin für Ihre Kundinnen und Kunden.
Schüller: Wir versuchen einfach den Alltag zu bewältigen und es tut gut, den Kunden helfen zu können. Aber natürlich können wir ihnen das Erlebte nicht nehmen und die verlorenen Erinnerungen leider nicht zurückbringen. Wichtig ist für die Kunden erreichbar zu sein, zuzuhören und die Anliegen zu erfüllen.
procontra: Die Versicherer haben sich unbürokratisch gegeben und schnelle Hilfe versprochen. Hat das geklappt?
Schüller: Wir haben sehr schnell für alle Schäden Zusagen von den Versicherern erhalten. Bei allen größeren Schadenfällen war ein Gutachter und ein Regulierer bereits vor Ort. Manche Kunden haben bereits Abschlagszahlungen erhalten und die Versicherer haben Rückstellungen gebildet. Bei anderen gibt es eine Direktregulierung mit den Baufirmen und die Handwerker erhalten sofort das Geld. Das klappt alles gut. Gerade will sich natürlich auch kein Versicherer in die Nesseln setzen.
procontra: Haben die Makler bei Ihnen vor Ort alles richtig gemacht?
Schüller: Es gab Kollegen, die für ihre Kunden nicht erreichbar waren. Das war für viele Menschen wirklich schlimm. Dadurch haben wir ein paar neue Privat- und Gewerbekunden gewinnen können. In einem Fall hat ein ehemaliger Makler bei einem Gewerbekunden manche Gebäude elementar versichert, andere nicht. Da fragt man sich schon: Warum? Das ist leider nicht logisch. Hinzu kommt, dass der Makler nicht erreichbar war. Da fragen die Kunden natürlich: „Wofür habe ich denn einen Makler?“
procontra: Was wünschen sich in Zukunft in Bezug auf die Versicherer?
Schüller: Es wäre gut, wenn die Beitragsanpassungen nicht zu sehr in die Höhe gehen. Derzeit fragen viele Kunden: Bekomme ich nach diesem Ereignis noch eine Elementarversicherung? Wir sagen ganz klar: Ja. Denn viele Versicherer werten den Schaden, der durch das Tief „Bernd“ entstanden ist, nicht als klassischen Vorschaden. Aber es gibt Versicherer, die haben das vorher auch schon nicht versichert. Den Kunden wurde gesagt: Das können wir in deiner Region nicht absichern. Das stimmt einfach nicht. Und an dieser Stelle kommt der Makler ins Spiel. Ein Makler kann auf viele Gesellschaften zurückgreifen und wenn nötig, eine deutschlandweite Ausschreibung zur Einschätzung des Risikos vornehmen und dem Kunden dann die besten Angebote anbieten.
procontra: Also wurden manche Hausbesitzer einfach schlecht beraten?
Schüller: Definitiv. Denn je nach Zone muss eine Elementarversicherung gar nicht teuer sein. Das kostet manchmal nicht einmal hundert Euro im Jahr. Bei ZÜRS-Zone drei und vier wird es natürlich teurer. Das ist aber im Verhältnis zu den steigenden Immobilienpreisen, Handwerker- und Rohstoffkosten aus unserer Sicht immer noch akzeptabel und empfehlenswert.
procontra: Muss man davon ausgehen, dass die Zonen-Kategorie in Ihrer Gegend jetzt entsprechend angepasst wird?
Schüller: Das fragen wir uns auch schon die ganze Zeit. Noch ist es nicht so.